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BGH - Entscheidung vom 24.03.2015

X ZR 40/13

Normen:
PatG § 121 Abs. 2

BGH, Urteil vom 24.03.2015 - Aktenzeichen X ZR 40/13

DRsp Nr. 2015/8376

Patentfähigkeit einer In-vivo-Kapsel mit einer starre und flexible Abschnitte aufweisenden Leiterplatte

Tenor

Die Berufung gegen das am 30. Oktober 2012 verkündete Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Normenkette:

PatG § 121 Abs. 2 ;

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des am 18. Juni 2002 angemeldeten und mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 418 833 (Streitpatents). Das Streitpatent, das die Priorität einer US-amerikanischen Anmeldung vom 18. Juni 2001 in Anspruch nimmt, umfasst 17 Patentansprüche. Die nebengeordneten Ansprüche 1 und 16, denen die weiteren Ansprüche unmittelbar oder mittelbar nachgeordnet sind, lauten in der Verfahrenssprache:

"1.  A swallowable in vivo sensing capsule comprising: 
a circuit board that comprises at least two rigid sections and a flexible section connecting said two rigid sections, and one or more batteries positioned between the two rigid sections. 
16.  A method for the manufacture of an in vivo capsule comprising the steps of: disposing at least a sensor on a rigid section of a circuit board that comprises at least two rigid sections and a flexible section connecting said two rigid sections, and folding the circuit board into a housing configured for in vivo sensing, including positioning one or more batteries between the two rigid sections." 

Die Klägerin hat das Streitpatent in vollem Umfang angegriffen und geltend gemacht, sein Gegenstand beruhe auf einer unzulässigen Erweiterung und sei nicht patentfähig. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat das Streitpatent hilfsweise in acht beschränkten Fassungen verteidigt.

Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Mit ihrer dagegen gerichteten Berufung, deren Zurückweisung die Klägerin begehrt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe

I. Das Streitpatent betrifft eine In-vivo-Kapsel mit einer starre und flexible Abschnitte aufweisenden Leiterplatte.

1. Nach der Patentbeschreibung können Aufnahmen vom Körperinneren durch In-vivo-Kapseln gewonnen werden. Die Beschreibung verweist hierzu auf Berichte und Artikel, in denen die Entwicklung einer solchen, für endoskopische Untersuchungen eingesetzten Kapsel beschrieben ist. Die Kapsel wird vom Patienten geschluckt und durchwandert den Verdauungstrakt. Unterdessen werden Bilder aufgenommen und nach außen gesendet. Eine solche In-vivo-Kapsel enthält elektronische Bauteile, etwa einen Bildsensor und Beleuchtungsmittel sowie einen Sender zur Übermittlung der vom Bildsensor erfassten Bilder, ferner eine Batterie zur Versorgung diese Komponenten mit elektrischer Energie. Auch wenn dies in der Beschreibung nicht ausdrücklich angesprochen wird, liegt auf der Hand, dass die Anordnung der elektronischen Komponenten der äußeren Form einer solchen Kapsel angepasst werden muss, die zum einen abgerundet ist und zum anderen nicht zu groß sein darf, damit sie ohne größere Schwierigkeiten geschluckt werden und den Verdauungstrakt durchwandern kann. Nach der Beschreibung waren im Stand der Technik Kapseln bekannt, bei denen die elektrischen Komponenten auf mehreren Schaltungsplatten angeordnet sind, die untereinander durch Drähte verbunden sind. Solche Anordnungen mit mehreren Schaltungsplatten sind jedoch komplex und erschweren eine Herstellung der Kapseln in größerer Stückzahl.

2. Vor diesem Hintergrund besteht das technische Problem darin, eine Invivo-Kapsel mit einer verbesserten Anordnung der erforderlichen elektronischen Komponenten, der Schaltungsplatte und der Stromquelle bereitzustellen, die raumsparend ist und auf einfache Weise in größeren Stückzahlen hergestellt werden kann.

3. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 1 eine Kapsel mit folgenden Merkmalen vor (Gliederung des Patentgerichts in eckigen Klammern):

Schluckbare In-vivo-Detektierkapsel, umfassend: [1.1]

1.

eine Schaltungsplatte, umfassend [1.2]

1.1

mindestens zwei starre Abschnitte, [1.2.1]

1.2

einen flexiblen Abschnitt, [1.2.2 teilweise]

1.3

wobei zwei starre Abschnitte durch einen flexiblen Abschnitt verbunden sind; [1.2.2 teilweise]

2.

eine oder mehrere zwischen den beiden starren Abschnitten angeordnete Batterien. [1.3]

Nach dem nebengeordneten Patentanspruch 16 ist ein Verfahren mit folgenden Merkmalen beansprucht:

Verfahren zur Herstellung einer In-vivo-Kapsel, umfassend die Schritte [16.1]

16.1

Anordnen von mindestens einem Sensor auf einem starren Abschnitt einer Schaltungsplatte, [16.2]

16.1.1

die Schaltungsplatte umfasst [16.2.1 teilweise]

16.1.1.1

mindestens zwei starre Abschnitte, [16.2.1 teilweise]

16.1.1.2

einen flexiblen Abschnitt, [16.2.1 teilweise]

16.1.1.3

wobei die zwei starren Abschnitte durch einen flexiblen Abschnitt verbunden sind, [16.2.1 teilweise]

16.2.

Falten der Schaltungsplatte in ein Gehäuse, das für eine In-vivo Detektierung konfiguriert ist, einschließlich einer Anordnung von einer oder mehrerer Batterien zwischen den beiden starren Abschnitten. [16.3]

Die nachfolgend dargestellte Figur 1 des Streitpatents zeigt ein Beispiel für eine erfindungsgemäße Kapsel. Dabei bezeichnen die Bezugszeichen 31, 33 und 35 starre und die Bezugszeichen 32 und 32' flexible Abschnitte der Schaltungsplatte. Die Bezugszeichen 23, 24, 26 und 27 bezeichnen elektronische Komponenten, die auf starren Abschnitten der Schaltungsplatte angeordnet sind, Bezugszeichen 25 zwei Batterien.

4. Die Abschnitte der Schaltungsplatte werden in Merkmalsgruppe 1 dahin beschrieben, dass sie starr (rigid) oder flexibel (flexible) sind. Dem ist zunächst nur zu entnehmen, dass sich die Abschnitte der Schaltungsplatte hinsichtlich des Grades der Biegesteifigkeit unterscheiden. Konkrete Angaben zum Maß der so umschriebenen unterschiedlichen Steifigkeit enthält die Streitpatentschrift nicht. Immerhin ergibt sich aus Merkmal 16.1, dass sich die Angabe auf die Schaltungsplatte in ihrem ursprünglichen Zustand, also vor der Bestückung mit elektronischen Komponenten, bezieht. Aus dem Zusammenhang der Streitpatentschrift ergibt sich für den Fachmann ferner, dass die Biegesteifigkeit der flexiblen Abschnitte soweit herabgesetzt sein muss, dass es möglich ist, die Schaltungsplatte in der Weise zu falten, dass zwei starre Abschnitte parallel zueinander angeordnet sind, so dass die Batterie zwischen ihnen positioniert werden kann. Der Fachmann wird daher unter einem flexiblen Abschnitt einen Bereich verstehen, der ohne besondere Schwierigkeiten gebogen werden kann, mithin einen Bereich, dessen Biegesteifigkeit gegenüber den starren Abschnitten deutlich herabgesetzt ist. Wie er das so umschriebene Ziel erreicht, überlässt das Streitpatent dem Fachmann.

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei dem Fachmann, einem Team, das aus Diplom-Ingenieuren mit Erfahrungen in der Feinwerktechnik, Elektrotechnik, Optik und Medizintechnik bestehe, durch den Stand der Technik nahegelegt, weshalb dahinstehen könne, ob er auf einer unzulässigen Erweiterung beruhe.

Ausgangspunkt der Bemühungen des Fachmanns sei die japanische Offenlegungsschrift 2001 091860 (D11), die eine schluckbare In-vivo-Detektierkapsel beschreibe. Um die Verarbeitbarkeit der Baugruppen zu verbessern und die Abmessungen der Kapsel zu verringern, besitze diese eine einstückige Schaltungsplatte, die mehrere Abschnitte aufweise. Die Platte werde vor dem Einbau an den Abschnitten 110, 120 und 130 mit elektrischen Komponenten bestückt. Zum Einbau werde sie an den verbindenden Abschnitten 150 gefaltet und zusätzlich mit einem Abstandshalter durch Klebung gesichert. Die verbindenden Abschnitte 150 seien zumindest an den Faltkanten biegsam. D11 zeige auch eine Anordnung der Batterie 101 zwischen den Abschnitten 120 und 130. Damit unterscheide sich die in D11 beschriebene Kapsel vom Streitpatent nur dadurch, dass dieses die mit elektronischen Komponenten bestückten Abschnitte ausdrücklich als starr bezeichne.

Hiervon ausgehend stelle sich dem Fachmann die Forderung, eine Gestaltung zu finden, die es erlaube, die verbindenden Abschnitte zu biegen, bei der zugleich aber ein Verbiegen der mit elektronischen Komponenten bestückten Abschnitte, das zu einer Beschädigung der Kontaktierung der Komponenten aufgrund der starren Lötstellen führen könne, vermieden und der Vorteil einer einstückigen, faltbaren Schaltungsplatte beibehalten werde. Für den Fachmann liege es auf der Hand, die sich widersprechenden Anforderungen durch die Ausgestaltung von unterschiedlichen Abschnitten zu realisieren, die Platine also heterogen auszubilden.

Der Fachmann, der auch das Wissen auf technischen Nachbargebieten oder auf einem übergeordneten allgemeinen technischen Gebiet heranziehe, werde zudem im Stand der Technik nach Lösungen für Platinen mit unterschiedlicher Biegesteifigkeit suchen und dabei auf die US-Patentschrift 5 121 297 (D14) stoßen. Diese zeige eine Platine mit mehreren, in ihrer Biegesteifigkeit unterschiedlichen Bereichen, die als starre und flexible Abschnitte bezeichnet seien. Aus D14 erhalte der Fachmann damit die Anregung, eine Platine mit Abschnitten unterschiedlicher Flexibilität auszubilden. Er brauche das in D14 beschriebene Platinenlayout nur auf die Platine der Kapsel nach D11 zu übertragen, um zum Gegenstand von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung zu gelangen.

Der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei auch in der mit den Hilfsanträgen verteidigten Fassung nicht patentfähig. Die nach Hilfsanträgen 2, 3, 3A, 3B zusätzlich aufgenommenen Merkmale seien jeweils aus D11 und D14 bekannt. Das in den Hilfsanträgen 4, 4A und 4B enthaltene zusätzliche Merkmal, wonach der flexible Abschnitt eine Stärke von 4 mils (1 mil = 1/1000 inch) oder weniger aufweise, sei durch den Stand der Technik nahegelegt. D14 nenne Werte von 12, 10, aber auch weniger als 8 mils. Der Fachmann erkenne, dass hinsichtlich der Reißfestigkeit des flexiblen Abschnitts die Anforderungen bei einer Detektierkapsel gering seien, und werde die geeignete Dicke durch Versuche ermitteln.

Der Gegenstand von Patentanspruch 16 gehe nicht über die zwangsläufig vorhandenen Herstellungsschritte einer Kapsel nach Patentanspruch 1 hinaus und sei deshalb gleichfalls nicht patentfähig.

III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren stand.

1. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist in keinem der vorgelegten Dokumente vollständig offenbart und gegenüber dem Stand der Technik neu.

Der Auffassung der Klägerin, D11 nehme die erfindungsgemäße Lehre vorweg, ist das Patentgericht zu Recht nicht gefolgt. D11, die sich mit der Gestaltung einer endoskopischen Kapsel befasst, ist zwar zu entnehmen, dass die dort beschriebene einstückige Schaltungsplatte jeweils am Übergang zwischen den Abschnitten 110, 120 und 130 einerseits und 150 andererseits gebogen werden kann. Die Schaltungsplatte wird dadurch in eine etwa zylindrische Form gebracht, dass sie an den Verbindungen zwischen den einzelnen Abschnitten gebogen wird, so dass die runden Abschnitte 110, 120 und 130 parallel zueinander angeordnet sind (Absatz 9 der deutschen Übersetzung) und die beiden Batterien zwischen den Abschnitten 120 und 130 angeordnet werden können (Abs. 13). Die so geformte Schaltungsplatte kann in das zylindrische Gehäuse eingesetzt werden.

Wie die Schaltungsplatte in einem Ausführungsbeispiel der D11 vor und nach dem Falten aussieht, ist aus den nachstehend wiedergegebenen Figuren 4 und 5 zu sehen:

Aus fachlicher Sicht kann D11 damit entnommen werden, dass die Schaltungsplatte an bestimmten Stellen gebogen werden kann. Die D11 offenbart jedoch nicht unmittelbar und eindeutig, dass es sich bei den Abschnitten 110, 120 und 130 um starre Bereiche, bei Abschnitt 150 um einen flexiblen Bereich handelt. Nähere Angaben zum Material der Leiterplatte finden sich in D11 nicht. Abgesehen davon, dass Abschnitt 150 gegenüber den Abschnitten 110, 120 und 130 etwas schmaler gehalten ist, lassen sich D11 auch keine Hinweise darauf entnehmen, dass diese Abschnitte unterschiedliche Eigenschaften, insbesondere eine unterschiedliche Biegesteifigkeit aufweisen. Die Behauptung der Klägerin, ein Abschnitt geringerer Breite sei gegenüber einem Abschnitt größerer Breite stets weniger biegesteif und damit als flexibel anzusehen, trifft in dieser Allgemeinheit nicht zu. Zwar enthält die Patentschrift keine konkreten Angaben dazu, was unter einem starren und unter einem flexiblen Abschnitt zu verstehen ist. Auch ist richtig, dass die beiden Begriffe aufeinander bezogen sind, die Flexibilität des einen Abschnitts also im Vergleich mit dem Maß der Starrheit der mindestens zwei anderen Abschnitte der Schaltungsplatte zu ermitteln ist. Gleichwohl kann Abschnitt 150 nicht schon deshalb als flexibel angesehen werden, weil er eine geringere Breite als die anderen Abschnitte der Schaltungsplatte aufweist.

2. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 beruht jedoch nicht auf erfinderischer Tätigkeit, da er sich zum Anmeldezeitpunkt für den Fachmann in naheliegender Weise aus D11 und D14 ergab.

Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen (unter III 1) ergibt, offenbart D11 eine verschluckbare endoskopische Kapsel, welche die Merkmale 1, 1.1 und 2 aufweist. Nicht offenbart ist dort lediglich, dass die Schaltungsplatte neben mindestens zwei starren Abschnitten einen flexiblen Abschnitt umfasst, der zwei starre Abschnitte miteinander verbindet.

Zu einer solchen Ausgestaltung der Schaltungsplatte wird der Fachmann, der von der D11 ausgeht, jedoch durch D14 angeregt. Der Einwand der Beklagten, diese Veröffentlichung sei als fachfremd nicht zu berücksichtigen, greift nicht durch.

Dem Fachmann, der sich im Prioritätszeitpunkt vor die Aufgabe gestellt sah, mehrere elektronische Komponenten in einem möglichst kleinen, runden Gehäuse unterzubringen, war neben der im Streitpatent als nachteilig beschriebenen Möglichkeit, die elektronischen Komponenten auf mehreren, durch Drähte miteinander verbundenen Leiterplatten anzuordnen, aus der D11 eine Gestaltung bekannt, bei der nur eine Leiterplatte eingesetzt wird, die an bestimmten Stellen gebogen oder gefaltet ist. Aus fachlicher Sicht legte er dabei zugrunde, dass die Leiterplatte einerseits in den Bereichen, in denen elektronische Komponenten montiert sind, weitgehend starr sein muss, um Probleme bei der Verbindung der elektronischen Komponenten mit der Leiterplatte zu vermeiden, andererseits an einigen Stellen gebogen bzw. gefaltet werden können muss, um sie in die in D11 gezeigte Form zu bringen, die den Vorteil bietet, den erforderlichen Raum zu verringern. D11 erwähnt zudem die Möglichkeit, dass eine Leiterplatte, die gebogen wird, dazu tendiert, in ihre ursprüngliche Form zurückzukehren, und schlägt vor, diesem Problem dadurch zu begegnen, dass ein Abstandhalter eingefügt und verklebt wird (Abs. 13). Damit stellte sich dem Fachmann, der die D11 las, die Frage, wie eine Leiterplatte, die den beiden genannten Anforderungen gerecht werden soll, zweckmäßigerweise zu gestalten ist, insbesondere welches Material hierfür in Betracht zu ziehen ist. Dies gab ihm Anlass, sich im Stand der Technik nach Hinweisen danach umzusehen, welche Möglichkeiten der Ausgestaltung einer Leiterplatte insoweit bekannt sind.

In welchem Umfang Wissen aus einem anderen oder übergeordneten technischen Gebiet zu berücksichtigen ist, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Maßgeblich ist, ob vom Fachmann erwartet werden kann, dass er sich für die Lösung eines Problems auch auf einem anderen technischen Gebiet umsieht. Das Team, das das Patentgericht, unbeanstandet von der Berufung, als Fachmann angesehen hat, umfasst auch einen Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik. Diesem ist bekannt, dass Schaltungsplatten in vielfältigen technischen Bereichen eingesetzt werden. Steht er vor der Frage, welche Möglichkeiten es gibt, eine Leiterplatte, wie sie in D11 gezeigt wird, auszubilden, hat er deshalb Anlass, sich nicht nur mit Schriften zu befassen, die In-vivo-Kapseln oder ähnliche medizinische Vorrichtungen zum Gegenstand haben, sondern auch Veröffentlichungen zu Rate zu ziehen, die sich allgemein mit der Ausgestaltung von Platinen befassen, weil auch von solchen, die Grundlagen seines Fachs betreffenden Schriften weiterführende Erkenntnisse zu erwarten sind.

Um eine solche Veröffentlichung handelt es sich bei D14. Diese Patentschrift befasst sich allgemein mit flexiblen Schaltungsplatten (flexible printed circuits) und beschreibt eingangs, dass diese auf zahlreichen und unterschiedlichen Gebieten eingesetzt werden, die von Telekommunikationsausrüstung bis zu Spielwaren reichen (Sp. 1, Z. 8 bis 10). D14 erläutert, dass Schaltungsplatten elektronische Komponenten tragen und deshalb meist starr ausgebildet sind, also nicht leicht verbogen oder sonst deformiert werden können (Sp. 1, Z. 12 bis 18). In jüngerer Zeit hätten sich jedoch Anwendungen ergeben, die zur Entwicklung von Schaltungsplatten mit starren und flexiblen Bereichen geführt hätten, insbesondere dort, wo eine kompakte Form erstrebt werde (Sp. 1, Z. 19 bis 35). Die Figuren 1 und 2 der D14 zeigen Ausführungsbeispiele, bei denen starre Bereiche einer Schaltungsplatte (Bezugszeichen 11) durch einen flexiblen Abschnitt (Bezugszeichen 12) verbunden sind. Der Fachmann, der von D11 ausging, erhielt hierdurch die Anregung, die dort gezeigte Schaltungsplatte so weiterzubilden, dass sie auch einen flexiblen Abschnitt aufweist, der zwei starre Abschnitte miteinander verbindet.

3. Damit erweist sich auch der Gegenstand des nebengeordneten Patentanspruchs 16 als nicht patentfähig. Das dort beschriebene Verfahren geht in der Sache nicht über die Vorrichtung nach Patentanspruch 1 hinaus.

4. Die Gegenstände der Hilfsanträge beruhen, wie das Patentgericht zutreffend angenommen hat, ebenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

a) Während Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 1 keine Änderung gegenüber der erteilten Fassung enthält, wird nach Hilfsantrag 2 am Ende folgendes weitere Merkmal angefügt:"wherein a plurality of flexible sections is provided and the rigid sections alternate with the flexible sections".

Das Patentgericht hat den Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung dieses Hilfsantrags zutreffend als nahegelegt angesehen. D11 zeigt eine Schaltungsplatte, die drei starre Abschnitte 110, 120 und 130 sowie zwei zwischen jeweils zwei dieser Abschnitte angeordnete Abschnitte 150 aufweist. Ergibt sich aus D14 die Anregung, diese Abschnitte flexibel zu gestalten, liegt damit auch eine Schaltungsplatte nahe, die mehrere flexible Abschnitte aufweist, die im Wechsel mit starren Abschnitten angeordnet sind.

b) Nach Hilfsanträgen 3 und 3A wird Patentanspruch 1 um folgendes Merkmal ergänzt:"wherein the rigid sections include different material than the flexible sections".

Dem Fachmann ist durch D14 nahegelegt, dass für die starren und die flexiblen Abschnitte unterschiedliche Materialien gewählt werden. In D14 ist beschrieben, dass der flexible Abschnitt durch eine Deckschicht, etwa aus Polyamid, reißfest ausgestaltet werden kann (Sp. 3, Z. 50 bis 52, Sp. 6, Z. 40 bis 47).

c) Auch die Kombination der zusätzlichen Merkmale nach Hilfsanträgen 2 und 3 bzw. 3A, wie sie Hilfsantrag 3B vorsieht, ist danach dem Fachmann nahegelegt.

d) Nach Hilfsantrag 4 wird Patentanspruch 1 um folgende Angabe ergänzt:"where said flexible section is equal to or less than 4/1000 x 2,54 cm in thickness".

Auch der so eingeschränkte Gegenstand von Patentanspruch 1 ist nicht patentfähig. Eine Stärke von nur 4 mils oder weniger für den flexiblen Abschnitt ist allerdings in D14 nicht ausdrücklich offenbart. Die Schrift hebt jedoch hervor, dass dieser Abschnitt durch den von ihr vorgeschlagenen Verzicht auf die Beschichtung des flexiblen Abschnitts, der durch die Wahl eines geeigneten Materials möglich sei, im allgemeinen dünner und damit noch flexibler als nach dem Stand der Technik gehalten werden könne (Sp. 4 Z. 61 bis Sp. 5 oben). So könnten Stärken von 12, 10 oder sogar weniger als 8 mils erreicht werden. Die D14 betont dabei den Zusammenhang zwischen der Stärke des flexiblen Abschnitts, der gewünschten Flexibilität, die für den gewünschten kleinen Biegeradius sorgen soll, und der zugleich erwarteten Stabilität und Reißfestigkeit.

Aus dem Umstand, dass die Schaltungsplatte nur einmal, bei der Herstellung des Produkts, gefaltet werden muss und dann keinen weiteren mechanischen Belastungen ausgesetzt ist, ergibt sich für den Fachmann ohne weiteres, dass die Anforderungen an die Stabilität und Reißfestigkeit des flexiblen Abschnitts gering sind. Steht damit für ihn das Ziel einer raumsparenden Anordnung im Vordergrund, wird er durch einfache Versuche ermitteln, wie weit er die Stärke des flexiblen Abschnitts herabsetzen kann, ohne dass dieser bei der Faltung der Schaltungsplatte beschädigt wird. Anhaltspunkte dafür, dass dabei besondere Schwierigkeiten auftreten könnten, hat die Beklagte nicht aufgezeigt, so dass sich die Wahl einer Materialstärke von bis zu 4 mils als Ergebnis einer fachüblichen Optimierung darstellt.

e) Auch die Kombination der in den bislang erörterten Hilfsanträgen eingefügten zusätzlichen Merkmale in Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 4B ist nicht patentfähig.

f) Für den Gegenstand von Patentanspruch 16 bzw. 15 in der Fassung der Hilfsanträge gilt nichts anderes, nachdem sich die jeweils vorgesehenen zusätzlichen Merkmale nicht von denen unterscheiden, die in Patentanspruch 1 eingefügt werden sollen.

g) Hinsichtlich der Gegenstände der Unteransprüche sind eigene erfinderische Leistungen weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.

IV. Danach erweist sich die Berufung insgesamt als erfolglos. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 97 Abs. 1 ZPO .

Von Rechts wegen

Verkündet am: 24. März 2015

Vorinstanz: BPatG, vom 30.10.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 4 Ni 27/10 (EU)