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BGH - Entscheidung vom 30.09.2015

5 StR 199/15

Normen:
StGB § 177 Abs. 1 Nr. 1

BGH, Beschluss vom 30.09.2015 - Aktenzeichen 5 StR 199/15

DRsp Nr. 2016/3352

Nachweis einer Nötigung mit Gewalt zur Duldung von Oralverkehr im Rahmen einer Vergewaltigung

Gewalt im Sinne von § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB liegt nicht ohne weiteres darin, dass sich der Angeklagte auf das Tatopfer gesetzt und dessen Mund geöffnet hat.

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 19. November 2014 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen im Schuldspruch im Fall 2 der Urteilsgründe sowie im gesamten Strafausspruch aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Normenkette:

StGB § 177 Abs. 1 Nr. 1 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung, schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes, sexuellen Missbrauchs eines Kindes in zwei Fällen sowie wegen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die auf die Verurteilung im Fall 2 der Urteilsgründe und den gesamten Strafausspruch beschränkte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg. Auf die Verfahrensrügen kommt es daher im Ergebnis nicht an.

1. Die Verurteilung wegen Vergewaltigung im Fall 2 hält sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand.

Nach den Feststellungen übernachtete der damals 14- bis 15-jährige Geschädigte zwischen Juli 2001 und Frühjahr 2002 in der Wohnung des Angeklagten. Dieser "erzwang" den vollendeten Oralverkehr, "indem er sich auf den Jungen setzte, mit der Hand seinen Mund öffnete und sein Glied einführte. Der Angeklagte kam zum Samenerguss im Mund des Jungen, der das Ejakulat schlucken musste" (UA S. 5).

Diese Sachdarstellung belegt nicht, dass der Angeklagte den Geschädigten zur Duldung des Oralverkehrs im Sinne von § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB mit Gewalt genötigt hat. Ob das Setzen des Angeklagten auf das Tatopfer und das Öffnen dessen Mundes zur Überwindung erwarteten Widerstandes erfolgten, ist nicht ausdrücklich festgestellt. Gleiches gilt für einen körperlich oder verbal geäußerten entgegenstehenden Willen des Geschädigten. Dies versteht sich hier angesichts des Alters des Geschädigten und des Umstands, dass der Angeklagte schon zuvor über einen längeren Zeitraum - ohne Einsatz von Gewalt - sexuelle Handlungen an diesem vorgenommen haben soll, nicht von selbst.

2. Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall 2 hat die Aufhebung der verhängten Einsatzstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten Freiheitsstrafe und der Gesamtfreiheitsstrafe zur Folge. Der Senat hebt auch die übrigen Einzelfreiheitsstrafen auf, um dem neuen Tatgericht eine in sich stimmige Strafzumessung zu ermöglichen.

3. Zu der vom Angeklagten erhobenen Verfahrensrüge der Verletzung des § 142 Abs. 1 StPO merkt der Senat an: Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers neben dem vom Angeklagten gewählten Verteidiger war - wie vom Generalbundesanwalt im Einzelnen dargestellt - vorliegend sachwidrig und daher rechtsfehlerhaft. Der Senat vermag auch die hierzu abgegebene dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden nicht nachzuvollziehen.

Vorinstanz: LG Berlin, vom 19.11.2014