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BGH - Entscheidung vom 23.09.2015

4 StR 301/15

Normen:
StPO § 154a Abs. 2
StPO § 349 Abs. 2
StGB a.F. § 176a Abs. 1 Nr. 1

BGH, Beschluss vom 23.09.2015 - Aktenzeichen 4 StR 301/15

DRsp Nr. 2015/18540

Beschränkung des Verfahrens auf die Vorwürfe des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes und des sexuellen Missbrauchs eines Kindes; Aufhebung der Einzelfreiheitsstrafen und der Gesamtstrafe

Für § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB ist erforderlich, dass der Angeklagte das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen der Schutzlosigkeit seiner Opfer als Bedingung für das Erreichen seiner sexuellen Handlungen erkannt und im Sinne eines bedingten Vorsatzes billigend in Kauf genommen hat, dass diese gerade wegen ihrer Schutzlosigkeit auf Widerstand verzichteten.

Tenor

1.

Das Verfahren wird gemäß § 154a Abs. 2 StPO auf die Vorwürfe des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes und des sexuellen Missbrauchs eines Kindes beschränkt.

2.

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom 20. Januar 2015

a)

im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes und des sexuellen Missbrauchs eines Kindes schuldig ist;

b)

im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.

3.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

4.

Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Normenkette:

StPO § 154a Abs. 2 ; StPO § 349 Abs. 2 ; StGB a.F. § 176a Abs. 1 Nr. 1 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit Vergewaltigung und wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexueller Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO .

1. Die Verfahrensbeschwerde dringt aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 10. Juli 2015 nicht durch.

2. Der Senat nimmt mit Zustimmung des Generalbundesanwalts die Vorwürfe der Vergewaltigung und der sexuellen Nötigung (§ 177 Abs. 1 Nr. 3 , Abs. 2 Nr. 1 StGB ) von der Verfolgung aus und beschränkt insoweit das Verfahren auf den Vorwurf des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes (§ 176a Abs. 1 Nr. 1 StGB aF - Fall II. 1) bzw. des sexuellen Missbrauchs eines Kindes (§ 176 Abs. 1 StGB aF - Fall II. 2). Der Senat könnte die Verurteilung in diesen Fällen nicht bestätigen, weil das Landgericht keinerlei Feststellungen zum subjektiven Vorstellungsbild des Angeklagten getroffen hat. Insbesondere ist nicht festgestellt, dass der Angeklagte das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen der Schutzlosigkeit seiner Opfer als Bedingung für das Erreichen seiner sexuellen Handlungen erkannt und im Sinne eines bedingten Vorsatzes billigend in Kauf genommen hat, dass diese gerade wegen ihrer Schutzlosigkeit auf Widerstand verzichteten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Februar 2013 - 4 StR 544/12, NStZ-RR 2013, 207 , 208; vom 8. November 2011 - 4 StR 445/11, NStZ 2012, 268 ; Urteil vom 25. Januar 2006 - 2 StR 345/05, BGHSt 50, 359 , 368).

Bei dieser Sachlage und der gegebenen Beweislage erscheint es dem Senat auch aus Gründen des Opferschutzes sachgerecht, das Verfahren wie geschehen zu beschränken, um den Geschädigten eine weitere, sie psychisch belastende Aussage in einer neuen Hauptverhandlung zu ersparen.

Der Senat ändert den Schuldspruch deshalb dahin, dass der Vorwurf der (tateinheitlich begangenen) Vergewaltigung bzw. sexuellen Nötigung entfällt.

3. Die der Beschränkung gemäß § 154a Abs. 2 StPO folgende Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung der Einzelfreiheitsstrafen und der Gesamtstrafe.

4. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils auf Grund der Sachbeschwerde keinen weiteren Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

Vorinstanz: LG Kaiserslautern, vom 20.01.2015