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BGH - Entscheidung vom 25.02.2015

IV ZR 469/14

Normen:
VVG § 5a Abs. 1 S. 1
VVG § 5a Abs. 2 S. 4

BGH, Urteil vom 25.02.2015 - Aktenzeichen IV ZR 469/14

DRsp Nr. 2015/4686

Anspruch eines Versicherungsnehmers auf Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer fondsgebundenen Rentenversicherung

Tenor

Die Revision der Klägerseite gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig vom 1. Dezember 2011 wird als unzulässig verworfen, soweit der Anspruch nicht auf den gemäß § 5a VVG a.F. erklärten Widerspruch gestützt ist.

Im Übrigen sowie im Kostenpunkt wird das Berufungsurteil auf die Revision aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert wird auf 1.406,66 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Normenkette:

VVG § 5a Abs. 1 S. 1; VVG § 5a Abs. 2 S. 4;

Tatbestand

Die Klägerseite (Versicherungsnehmerin: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer fondsgebundenen Rentenversicherung.

Diese wurde aufgrund eines Antrags d. VN mit Vertragsbeginn zum 1. Januar 2004 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der bei Antragstellung gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. Im Februar 2008 kündigte d. VN den Vertrag; der Versicherer zahlte im April 2008 den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom 26. August 2008 erklärte d. VN schließlich den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F.

Mit der Klage verlangt d. VN Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts, insgesamt 1.406,66 €, hilfsweise Auskunft über die Abschlusskosten.

Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe der Widerspruch noch erklärt werden können.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt d. VN das Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist als unzulässig zu verwerfen, soweit der Anspruch nicht auf den gemäß § 5a VVG a.F. erklärten Widerspruch gestützt ist. Im Übrigen führt sie zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Dieses hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. Der Widerspruch sei ohne Wirkung, da d. VN bereits vorher die Kündigung erklärt und der Versicherer den Rückkaufswert erstattet gehabt habe. Jedenfalls sei der Vertrag gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie rückwirkend endgültig wirksam geworden. D. VN stehe auch unter dem Gesichtspunkt der vereinbarten unterjährigen Zahlungsweise kein Widerrufsrecht nach den Vorschriften des Verbraucherkreditgesetzes zu. Auch ein Anspruch auf Auskunft über die Abschlusskosten stehe d. VN nicht zu.

II. Die Revision ist mangels Zulassung bezüglich eines Rückgewähranspruchs nach § 346 Abs. 1 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 1 PAngVO, §§ 355 Abs. 3 Satz 3, 495 Abs. 1 , 499 Abs. 1 , 502 Abs. 1 Nr. 4 BGB a.F. und hinsichtlich des hilfsweise geltend gemachten Auskunftsanspruchs unzulässig.

Sie ist nur statthaft, soweit das Berufungsgericht den Widerspruch nach § 5a VVG a.F. für unwirksam erachtet hat. Es hat die Revision zugelassen, da die Rechtssache im Hinblick auf bereits anhängige Revisionsverfahren zur Frage der Europarechtswidrigkeit von § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. grundsätzliche Bedeutung aufweise. Diese in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils mit der gebotenen Deutlichkeit zum Ausdruck gebrachte Beschränkung der Revisionszulassung auf den aus dem Widerspruch abgeleiteten Bereicherungsanspruch ist wirksam. Der diesem zugrunde liegende Sachverhalt kann in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem für einen Rückgewähranspruch wegen unterjähriger Zahlungsweise und den Auskunftsanspruch maßgeblichen Prozessstoff beurteilt werden (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 11).

III. Die Revision ist, soweit sie zulässig ist, begründet.

1. Ein Anspruch auf Prämienrückzahlung aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB kann d. VN mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht versagt werden.

a) Nach dem für das Revisionsverfahren maßgeblichen Sachverhalt ist davon auszugehen, dass der von d. VN erklärte Widerspruch - ungeachtet des Ablaufs der in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. normierten Jahresfrist - rechtzeitig war und infolgedessen der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen ist.

aa) Das Berufungsgericht hat ebenso wie das Amtsgericht nicht festgestellt, ob d. VN mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation und eine den Anforderungen des § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. genügende Widerspruchsbelehrung erhielt. Wenn dies - was für das Revisionsverfahren zu unterstellen ist nicht der Fall war, bestand das Widerspruchsrecht nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.

Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Dezember 2013 (VersR 2014, 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7. Mai 2014 (aaO Rn. 17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn d. VN - wie hier für das Revisionsverfahren zu unterstellen ist - nicht ordnungsgemäß über das Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.

bb) Die Kündigung des Versicherungsvertrages steht dem späteren Widerspruch nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 36 m.w.N.). Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung kommt ebenfalls nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 37 m.w.N.).

b) Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechtswidrigkeit des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur eine Rückwirkung entspricht dem Effektivitätsgebot (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 42-44).

2. Der Höhe nach umfasst der Rückgewähranspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss sich d. VN bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung den jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossenen Versicherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 45 m.w.N.).

Da es auch hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 46).

Verkündet am: 25. Februar 2015

Vorinstanz: AG Leipzig, vom 09.11.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 14 C 2708/10
Vorinstanz: LG Leipzig, vom 01.12.2011 - Vorinstanzaktenzeichen 3 S 560/10