Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 24.06.2015

IV ZR 76/12

Normen:
VAG § 10a
VVG § 5a Abs. 1 S. 1
VVG § 5a Abs. 2 S. 1

BGH, Urteil vom 24.06.2015 - Aktenzeichen IV ZR 76/12

DRsp Nr. 2015/11731

Anspruch eines Versicherungsnehmers auf Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Rentenversicherung

Tenor

Die Revision der Klägerseite gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 9. Februar 2012 wird zurückgewiesen, soweit der Anspruch nicht auf den gemäß § 5a VVG a.F. erklärten Widerspruch gestützt ist.

Im Übrigen sowie im Kostenpunkt wird das Berufungsurteil auf die Revision aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 6.614,01 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Normenkette:

VAG § 10a; VVG § 5a Abs. 1 S. 1; VVG § 5a Abs. 2 S. 1;

Tatbestand

Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Rentenversicherung.

Diese wurde aufgrund eines Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum 1. März 2004 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. Im Dezember 2008 erklärte d. VN den Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F. bzw. nach § 8 VVG , die Anfechtung nach § 119 BGB sowie hilfsweise die Kündigung. Der Versicherer zahlte daraufhin den Rückkaufswert aus.

Mit der Klage verlangt d. VN Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts, insgesamt 6.614,01 €.

Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe der Widerspruch noch erklärt werden können. Außerdem hätten die auf den Vertragsschluss gerichteten Erklärungen nach §§ 355 , 495 BGB a.F. widerrufen werden können, weil es sich bei der vereinbarten unterjährigen Prämienzahlung um einen entgeltlichen Zahlungsaufschub i.S. von § 499 Abs. 1 BGB a.F. handele.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt d. VN das Klagebegehren hinsichtlich des Bereicherungs- und Rückgewähranspruchs weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Dieses hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. D. VN habe die Prämien mit Rechtsgrund geleistet. Der Versicherungsvertrag sei wirksam zustande gekommen. Die Regelung des Policenmodells verstoße nicht gegen die Zweite und Dritte Richtlinie Lebensversicherung. Jedenfalls sei der Vertrag gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie rückwirkend endgültig wirksam geworden. D. VN habe den Versicherungsvertrag auch nicht gemäß §§ 495 Abs. 1 , 355 BGB widerrufen können.

II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung teilweise nicht stand.

1. Hinsichtlich eines Rückgewähranspruchs nach §§ 495 , 355 BGB a.F. bleibt die Revision allerdings ohne Erfolg.

Mit Urteil vom 6. Februar 2013 ( IV ZR 230/12, BGHZ 196, 150) hat der Senat entschieden, dass es sich bei der vertraglich vereinbarten unterjährigen Zahlungsweise der Versicherungsprämien nicht um eine Kreditgewährung in Form eines entgeltlichen Zahlungsaufschubs nach § 1 Abs. 2 VerbrKrG , § 499 Abs. 1 BGB a.F. (nunmehr § 506 Abs. 1 BGB ) handelt.

Das Berufungsurteil steht in Einklang mit dem vorgenannten Senatsurteil, dessen Ausführungen hier entsprechend gelten. Gesichtspunkte, die eine abweichende Entscheidung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.

2. Ein Anspruch auf Prämienrückzahlung kann d. VN nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung versagt werden. Er folgt vielmehr nach dem für die Revisionsinstanz zugrunde zu legenden Sachverhalt dem Grunde nach aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB .

a) Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag schafft keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlung. Er ist nach dem revisionsrechtlich maßgeblichen Sachverhalt infolge des Widerspruchs d. VN nicht wirksam zustande gekommen. Der Widerspruch war - ungeachtet des Ablaufs der in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. normierten Jahresfrist - rechtzeitig.

aa) Das Berufungsgericht hat nicht abschließend festgestellt, ob d. VN die nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. erforderlichen Unterlagen zugegangen sind und ob er ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt worden ist. Maßgeblich hat es darauf abgestellt, dass das Widerspruchsrecht nach § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erloschen sei. Wenn d. VN - was für das Revisionsverfahren zu unterstellen ist - mit dem Versicherungsschein keine vollständigen Unterlagen erhalten hat und/oder nicht ordnungsgemäß belehrt worden ist, bestand das Widerspruchsrecht nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.

Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Dezember 2013 (VersR 2014, 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7. Mai 2014 ( IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn d. VN - wie hier - nicht ordnungsgemäß über das Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht (vollständig) erhalten hat.

bb) Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung kommt nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 37 m.w.N.).

b) Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechtswidrigkeit des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur eine Rückwirkung entspricht dem Effektivitätsgebot (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 42-44).

3. Der Höhe nach umfasst der Rückgewähranspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss sich d. VN bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung den jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossenen Versicherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 45 m.w.N.).

Da es auch hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück zuverweisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 46).

Verkündet am: 24. Juni 2015

Vorinstanz: LG Verden, vom 06.07.2011 - Vorinstanzaktenzeichen 8 O 177/10
Vorinstanz: OLG Celle, vom 09.02.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 8 U 191/11