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BGH - Entscheidung vom 22.07.2015

IV ZR 48/13

Normen:
VAG § 10a
VVG § 5a Abs. 2 S. 1

BGH, Urteil vom 22.07.2015 - Aktenzeichen IV ZR 48/13

DRsp Nr. 2015/14329

Anspruch eines Versicherungsnehmers auf Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Kapitallebensversicherung

Der Versicherer muss in seiner Widerrufsbelehrung den Begriff Textform nicht erläutern. Denn der Versicherungsnehmer kann, ohne die gesetzliche Erläuterung in § 126b BGB kennen zu müssen, dem Begriff Textform ohne weiteres entnehmen, dass er den Widerspruch in lesbarer Form dem Versicherer übermitteln und als Urheber erkennbar sein muss und eine lediglich mündliche Erklärung nicht genügt.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Landgerichts München I - 6. Zivilkammer - vom 20. Dezember 2012 wird auf Kosten der Klägerseite zurückgewiesen.

Der Streitwert wird auf 2.687,58 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Normenkette:

VAG § 10a; VVG § 5a Abs. 2 S. 1;

Tatbestand

Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Kapitallebensversicherung.

Diese wurde aufgrund eines Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum 1. November 2004 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. VN mit dem Versicherungsschein vom 17. September 2004 die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes ( VAG ) und eine schriftliche Belehrung über das Widerspruchsrecht in drucktechnisch deutlicher Form gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F.

D. VN zahlte fortan Prämien in Höhe von insgesamt 3.556,79 €. Mit Schreiben vom 6. April 2010 kündigte d. VN den Vertrag zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Der Versicherer akzeptierte die Kündigung zum 1. Juni 2010 und zahlte den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom 3. Februar 2011 erklärte d. VN schließlich "den Widerspruch gem. § 5a VVG a.F. bzw. nach § 8 VVG , bzw. den Widerruf nach § 355 BGB ".

Mit der Klage verlangt d. VN Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts, insgesamt 2.687,58 €.

Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen, weil das Policenmodell mit den Lebensversicherungsrichtlinien der Europäischen Union nicht vereinbar sei.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt d. VN das Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. D. VN habe die Prämien mit Rechtsgrund geleistet. Der Versicherungsvertrag sei wirksam zustande gekommen. D. VN habe mit dem Versicherungsschein die nach § 5a VVG a.F. erforderlichen Unterlagen erhalten und dem Vertrag nicht innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt dieser Unterlagen widersprochen. Zutreffend sei d. VN auch über das ihm zustehende Widerspruchsrecht belehrt worden. Die Regelung des Policenmodells verstoße nicht gegen die Zweite und Dritte Richtlinie Lebensversicherung.

II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

D. VN kann nicht gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB Rückzahlung der Prämien verlangen.

1. Die Voraussetzungen für ein Zustandekommen des Versicherungsvertrages sind hier erfüllt. Nach den für das Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. VN mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation und eine drucktechnisch deutlich gestaltete Widerspruchsbelehrung. Die Revision beanstandet ohne Erfolg, dass der Versicherer den Begriff der Textform nicht erläutert habe. Ohne die gesetzliche Erläuterung in § 126b BGB kennen zu müssen, kann d. VN diesem Begriff ohne weiteres entnehmen, dass er den W iderspruch in letztlich lesbarer Form dem Versicherer übermitteln und als Urheber erkennbar sein muss. Er kann ersehen, dass er seine Erklärung in Schriftzeichen und einer zur dauerhaften Wiedergabe geeigneten Weise festhalten muss und eine lediglich mündliche Erklärung nicht genügt. In diesem Verständnis wird er durch den in der Belehrung enthaltenen Hinweis bestärkt, dass zur Wahrung der Frist die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs genüge. Bis zum Ablauf der damit in Gang gesetzten 14-tägigen Widerspruchsfrist erklärte d. VN den Widerspruch nicht.

2. Ob solchermaßen nach dem Policenmodell geschlossene Versicherungsverträge wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. Wirksamkeitszweifeln unterliegen (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 16 ff.; BVerfG, Beschluss vom 2. Februar 2015 - 2 BvR 2437/14, VersR 2015, 514 Rn. 30 ff.), kann im Streitfall dahinstehen. Die von der Revision begehrte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union scheidet berei ts deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den genannten Richtlinien unvereinbar ist, hier nicht entscheidungserheblich ankommt. D. VN ist es auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten. Die Treuwidrigkeit liegt darin, dass d. VN nach ordnungsgemäßer Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen jahrelang unter regelmäßiger Prämienzahlung durchführte und erst dann von dem Versicherer, der auf den Bestand des Vertrages vertrauen durfte, unter Berufung auf die behauptete Unwirksamkeit des Vertrages Rückzahlung aller Prämien verlangte (vgl. im Einzelnen zu den Maßst äben Senatsurteil vom 16. Juli 2014 aaO Rn. 32-42; BVerfG, Beschluss vom 2. Februar 2015 aaO Rn. 42 ff.). D. VN verhielt sich objektiv widersprüchlich. Die zumindest vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte Widerspruchsfrist ließ er bei Vertragsschluss im September 2004 ungenutzt verstreichen. D. VN zahlte von November 2004 bis Mai 2010, somit fünf Jahre und sieben Monate die Versicherungsprämien. Nach der Kündigung im April 2010 ließ er weitere zehn Monate vergehen, bis er im Februar 2011 den Widerspruch erklärte. Die jahrelangen Prämienzahlungen des bereits im September 2004 über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, belehrten VN haben bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begründet. Diese vertrauensbegründende Wirkung war für d. VN auch erkennbar.

Verkündet am: 22. Juli 2015

Vorinstanz: AG München, vom 12.12.2011 - Vorinstanzaktenzeichen 231 C 15601/11
Vorinstanz: LG München I, vom 20.12.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 6 S 963/12