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BGH - Entscheidung vom 22.07.2015

IV ZR 9/14

Normen:
VAG § 10a
VVG § 5a Abs. 2 S. 1

BGH, Urteil vom 22.07.2015 - Aktenzeichen IV ZR 9/14

DRsp Nr. 2015/14468

Anspruch eines Versicherungsnehmers auf Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Berufsunfähigkeitsversicherung mit Kapitalversicherung auf den Todes- und Erlebensfall

Tenor

Die Revision der Klägerseite gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 6. Dezember 2013 wird auf deren Kosten zurückgewiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 10.189,08 € festgesetzt.

Normenkette:

VAG § 10a; VVG § 5a Abs. 2 S. 1;

Tatbestand

Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Berufsunfähigkeitsversicherung mit Kapitalversicherung auf den Todes- und Erlebensfall.

Diese wurde aufgrund Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum 1. November 1996 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. Unstreitig erhielt d. VN nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts den Versicherungsschein, die Versicherungsbedingungen, die Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes ( VAG ) und eine schriftliche Belehrung über das Widerspruchsrecht in drucktechnisch deutlicher Form gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F.

D. VN zahlte in der Folge Prämien in Höhe von insgesamt 6.961,32 €. Mit Schreiben vom Dezember 2011 erklärte d. VN den Widerspruch nach § 5a VVG a.F. Der Versicherer wertete dies als Kündigung und zahlte den Rückkaufswert aus.

Mit der Klage verlangt d. VN - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts, insgesamt 10.189,08 €.

Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen, weil das Policenmodell mit den Lebens versicherungsrichtlinien der Europäischen Union nicht vereinbar sei.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt d. VN das Klagebegehren hinsichtlich des Bereicherungsanspruchs weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. D. VN habe die Prämien mit Rechtsgrund geleistet. D. VN sei ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. belehrt worden und d er Versicherungsvertrag sei wirksam zustande gekommen. Die Regelung des Policenmodells verstoße nicht gegen die Zweite und Dritte Richtlinie Lebensversicherung.

II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

D. VN kann nicht gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB Rückzahlung der Prämien verlangen.

1. Die Voraussetzungen für ein Zustandekommen des Versicherungsvertrages sind hier erfüllt. Nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. VN mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen, die Verbraucherinformation und eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung.

2. Ob solchermaßen nach dem Policenmodell geschlossene Versicherungsverträge wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. Wirksamkeitszweifeln unterliegen (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 16 ff.; BVerfG WM 2015, 514 Rn. 30 ff.), kann im Streitfall dahinstehen. Die von der Revision begehrte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union scheidet bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den genannten Richtlinien unvereinbar ist, hier nicht entscheidungserheblich ankommt. D. VN ist es auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten. Die Treuwidrigkeit liegt darin, dass d. VN nach ordnungsgemäßer Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen jahrelang unter regelmäßiger Prämienzahlung durchführte und erst dann von dem Versicherer, der auf den Bestand des Vertrages vertrauen durfte, unter Berufung auf die behauptete Unwirksamkeit des Vertrages Rückzahlung aller Prämien verlangte (vgl. im Einzelnen zu den Maßst äben Senatsurteil vom 16. Juli 2014 aaO Rn. 32-42; BVerfG aaO Rn. 42 ff.). D. VN verhielt sich objektiv widersprüchlich. Die vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte Widerspruchsfrist blieb bei Vertragsschluss 1996 ungenutzt. D. VN zahlte bis zum Widerspruch im Jahr 2011 über 15 Jahre die Versicherungsprämien. Die jahrelangen Prämienzahlungen des bereits 1996 über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, belehrten VN haben bei dem Versicherer ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages für die Vergangenheit begründet, was für d. VN auch erkennbar war.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 22. Juli 2015

Vorinstanz: LG Bonn, vom 24.04.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 9 O 445/12
Vorinstanz: OLG Köln, vom 06.12.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 20 U 93/13