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BGH - Entscheidung vom 26.02.2014

I ZR 121/13

Normen:
UrhG § 16
UrhG § 19a
UrhG § 97

Fundstellen:
GRUR 2014, 772
NJW-RR 2014, 1195
ZUM-RD 2014, 626

BGH, Beschluss vom 26.02.2014 - Aktenzeichen I ZR 121/13

DRsp Nr. 2014/8648

Urheberschaft an bearbeitetem Kartenmaterial

Tenor

Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Revision des Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 16 des Landgerichts Berlin vom 30. April 2013 durch Beschluss gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen.

Streitwert: 2.020 €

Normenkette:

UrhG § 16 ; UrhG § 19a; UrhG § 97 ;

Gründe

I. Die Klägerin verlangt vom Beklagten Schadensersatz wegen einer behaupteten Verletzung urheberrechtlicher Verwertungsrechte an einer Landkarte.

Die Klägerin bietet das Recht zur Nutzung von Landkarten im Internet gegen die Zahlung von Lizenzgebühren an. Die Karten werden auf der Grundlage eines Werkvertrages von der in Bulgarien ansässigen D. Ltd. hergestellt, die der Klägerin das ausschließliche Recht zur unbeschränkten Nutzung der Karten in gedruckter und elektronischer Form eingeräumt hat. Die Mitarbeiter der D. Ltd. stellen die Karten nach genauen Vorgaben der Klägerin her, die in einem Zeichenschlüssel der Klägerin festgelegt sind. Dabei haben die Mitarbeiter der D. Ltd. keinen Spielraum bei der Umsetzung der Vorgaben.

Der Beklagte betreibt eine Internetseite, auf der im August 2009 ein Kartenausschnitt abrufbar war, der nach dem Vortrag der Klägerin einer Karte entsprach, die in ihrem Auftrag von der D. Ltd. hergestellt worden ist. Nachdem die Klägerin den Beklagten erfolglos abgemahnt und zur Zahlung von Schadensersatz aufgefordert hatte, erwirkte sie eine einstweilige Unterlassungsverfügung. Der Beklagte gab insoweit eine Abschlusserklärung ab, verweigerte aber die Zahlung von Schadensersatz und die Erstattung von Abmahnkosten.

Die Klägerin hat den Beklagten auf Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr in Höhe von 2.020 €, Abmahnkosten in Höhe von 287,80 €, 95 € Kosten für die Dokumentation des behaupteten Verstoßes sowie 408,80 € Rechtsanwaltskosten für das Abschlussschreiben in Anspruch genommen.

Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 2.716,60 € nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Hinblick auf die Dokumentationskosten abgewiesen. Die Berufung des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe gegen den Beklagten gemäß §§ 97 , 16 , 19a UrhG ein Schadensersatzanspruch in der vom Amtsgericht zugesprochenen Höhe zu. Der Beklagte habe den streitgegenständlichen Kartenausschnitt, an dem der Klägerin die ausschließlichen Nutzungsrechte zustünden, unberechtigt vervielfältigt und auf seiner Internetseite öffentlich zugänglich gemacht. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte weiter die Klageabweisung.

II. Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2 ZPO ) liegen nicht vor; die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

1. Der vom Berufungsgericht formulierte Zulassungsfrage der Urheberschaft der Kartenwerke desjenigen, der

Urheber des den Kartenwerken zugrunde liegenden Zeichenschlüssels ist

kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat eine Rechtssache grundsätzliche Bedeutung gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO , wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, das heißt allgemein von Bedeutung ist. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn die durch das Berufungsurteil aufgeworfene Rechtsfrage zweifelhaft ist, also über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift Unklarheiten bestehen. Derartige Unklarheiten bestehen unter anderem dann, wenn die Rechtsfrage vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden ist und von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird, oder wenn in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden. Unklarheiten bestehen dagegen nicht, wenn abweichende Ansichten in der Literatur vereinzelt geblieben und nicht oder nicht nachvollziehbar begründet sind (BGH, Beschluss vom 8. Februar 2010 - II ZR 54/09, ZIP 2010, 985 ; vgl. auch Saenger-Kayser/Koch, ZPO , 5. Aufl., § 543 Rn. 9). Im Streitfall fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit der vom Berufungsgericht aufgeworfenen Frage.

Gemäß § 7 UrhG ist Urheber der Schöpfer des Werkes. Sind mehrere Personen an der Entstehung des Werkes beteiligt, hängt die Schöpfereigenschaft davon ab, welche Person einen schöpferischen Beitrag gemäß § 2 Abs. 2 UrhG geleistet und welche Person lediglich einen nichtschöpferischen Gehilfenbeitrag geleistet hat (vgl. Thum in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Aufl., § 7 Rn. 12 ff.; Loewenheim in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl., § 7 Rn. 6 ff.). Solange Gehilfen sich lediglich auf die nichtschöpferische mechanische Durchführung oder Ausgestaltung der Vorgabe des Urhebers halten und kein Spielraum für eine eigene individuelle schöpferische Gestaltung bleibt, sind sie keine Urheber (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 2007 - I ZR 130/04, BGHZ 172, 268 Rn. 23 Gedichttitelliste I; Loewenheim in Schricker/Loewenheim aaO § 7 Rn. 8; Schulze in Dreier/Schulze, UrhG , 4. Aufl., § 7 Rn. 9; Thum in Wandtke/Bullinger aaO § 7 Rn. 15). Der an vorgegebene Zeichenschlüssel und Musterblätter gebundene Hersteller von Karten kann deshalb nur dann Urheber sein, wenn ihm ein für die Erreichung des Urheberrechtsschutzes genügend großer Spielraum für individuelle kartografische Leistungen bleibt (BGH, Urteil vom 23. Juni 2005 - I ZR 227/02, GRUR 2005, 854 , 856 = WRP 2005, 854 Karten-Grundsubstanz). Die Frage, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, unterliegt der tatrichterlichen Beurteilung.

Von diesen Grundsätzen ist zutreffend auch das Berufungsgericht ausgegangen und hat festgestellt, dass die Mitarbeiter der D. Ltd. die Karten für die Klägerin ohne einen eigenen Gestaltungsspielraum nach den genauen Vorgaben erstellen, die in einem Zeichenschlüssel der Klägerin festgelegt sind. Das Berufungsgericht hat von der Revision nicht beanstandet zudem festgestellt, dass der Vorstand der Klägerin, Dr. B., allein die das Kartenbild prägenden Merkmale und Gestaltungselemente erdacht und im Zeichenschlüssel festgelegt hat.

2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

a) Die Revision macht geltend, das Berufungsgericht habe es rechtsfehlerhaft versäumt, Feststellungen zum geistigschöpferischen Gehalt des Zeichenschlüssels zu treffen. Dem kann nicht zugestimmt werden.

Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe der geltend gemachte Zahlungsanspruch gemäß §§ 97 , 16 , 19a UrhG zu, weil der Beklagte den streitgegenständlichen Kartenausschnitt, an dem der Klägerin die ausschließlichen Nutzungsrechte zustehen, unberechtigt vervielfältigt und auf seiner Internetseite öffentlich zugänglich gemacht hat. Es hat dabei festgestellt, dass dem streitgegenständlichen Stadtplanausschnitt Werkcharakter im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG zukommt. Dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG gehören zu den geschützten Werken der Wissenschaft Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen und plastische Darstellungen. Zu den nach dieser Bestimmung geschützten Werken können auch Stadtpläne und Landkarten gehören, wenn es sich um persönliche geistige Schöpfungen handelt (BGH, Urteil vom 28. Mai 1998 - I ZR 81/96, BGHZ 139, 68 , 71 Stadtplanwerk). Das Berufungsgericht ist mithin zutreffend davon ausgegangen, dass es im Streitfall auf den Werkcharakter des vom Beklagten vervielfältigten Stadtplanausschnitts der Klägerin und nicht auf den Werkcharakter des der Erstellung des Stadtplanausschnitts zugrundeliegenden Zeichenschlüssels ankommt.

b) Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht auch den Werkcharakter des Stadtplanausschnitts der Klägerin rechtsfehlerfrei festgestellt.

aa) Stadtpläne und Landkarten können als Darstellungen wissenschaftlichtechnischer Art gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG Urheberrechtsschutz genießen, wenn es sich um persönliche geistige Schöpfungen im Sinne von § 2 Abs. 2 UrhG handelt. Die schöpferische Eigentümlichkeit einer Karte kann sich bereits daraus ergeben, dass die Karte nach ihrer Konzeption von einer individuellen kartographischen Darstellungsweise geprägt ist, die sie zu einer in sich geschlossenen eigentümlichen Darstellung des betreffenden Gebiets macht. Die urheberrechtlich bedeutsamen schöpferischen Züge können insoweit in der Gesamtkonzeption liegen, mit der durch die individuelle Auswahl des Dargestellten und die Kombination von meist bekannten Methoden (z.B. bei der Generalisierung) und von Darstellungsmitteln (z.B. bei der Farbgebung, Beschriftung oder Symbolgebung) ein eigentümliches Kartenbild gestaltet worden ist (BGHZ 139, 68 , 72 Stadtplanwerk; BGH, GRUR 2005, 854 , 856 Karten-Grundsubstanz).

bb) Von diesen Maßstäben ist auch das Berufungsgericht ausgegangen und hat angenommen, die streitgegenständliche Karte weise eine hinreichende Schöpfungshöhe auf. Die Straßenzüge würden deutlich gegenüber sonstigen Flächen hervorgehoben, da sie im Verhältnis zu den dazwischen liegenden bebauten und unbebauten Flächen relativ breit dargestellt seien. Zudem hebe sich auch ihre farbliche Gestaltung ab. Die Auswahl der Pastellfarben für die Hintergrundgestaltung bewirke, dass sich die farblich nicht unterlegten Straßenzüge deutlich vom grauen Untergrund abheben würden, ohne dass der Plan insgesamt zu bunt erscheine und deshalb nicht mehr lesbar wäre. Die Karte weise zudem eine spezielle und prägende Auswahl von gekennzeichneten Gebäuden, Sehenswürdigkeiten und Buslinien nebst Haltestellen auf. Die Kombination dieser Elemente verleihe der Karte ihr individuelles Erscheinungsbild. Diese Beurteilung hält einer rechtlichen Nachprüfung stand.

Soweit die Revision geltend macht, die Klägerin greife schlicht auf vorbekanntes Formengut und vorbekannte Farbgebung sowie urheberrechtlich freie Daten zurück, ersetzt sie lediglich die tatrichterliche Würdigung durch ihre eigene, ohne einen Rechtsfehler darzutun.

Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.

Vorinstanz: AG Berlin-Charlottenburg, vom 28.02.2011 - Vorinstanzaktenzeichen 204 C 14/10
Vorinstanz: LG Berlin, vom 30.04.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 16 S 15/11
Fundstellen
GRUR 2014, 772
NJW-RR 2014, 1195
ZUM-RD 2014, 626