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BGH - Entscheidung vom 18.12.2014

III ZR 125/14

Normen:
GG Art. 103 Abs. 1
BNotO § 50 Abs. 1 Nr. 8 2. Fall

BGH, Beschluss vom 18.12.2014 - Aktenzeichen III ZR 125/14

DRsp Nr. 2015/2193

Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung eines Notars i.R.e. Notaraufsicht

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 31. März 2014 gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des dritten Rechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Normenkette:

GG Art. 103 Abs. 1 ; BNotO § 50 Abs. 1 Nr. 8 2. Fall;

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt das beklagte Land auf Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung im Rahmen seiner Notaraufsicht in Anspruch. Sie hatte auf Grundlage eines Generalunternehmervertrags durch zwei Überweisungen eine Erfüllungssicherheit in Höhe von 250.000 € an einen Auftraggeber geleistet, der danach insolvent wurde. Zuvor hatte ihr der Notar Dr. L. , der den Auftraggeber und dessen Gesellschaft auch anwaltlich betreute, unter dem 29. April 2005 unzutreffend bestätigt, ihm liege die Kreditzusage einer europäischen Bank über 9,2 Mio. € vor, von denen 6 Mio. € für den Generalunternehmervertrag vorgesehen seien.

Wegen dieses Vorfalls wurde der Notar wegen einer vorsätzlichen Amtspflichtverletzung zum Schadensersatz verurteilt. Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin weiteren Schadensersatz geltend. Nach ihrer Ansicht hätten die Bediensteten des Beklagten die ihr gegenüber bestehenden Amtspflichten dadurch verletzt, dass sie den erkennbar in ungeordneten Vermögensverhältnissen lebenden Notar nicht vorläufig seines Amtes enthoben hätten, bevor dieser die falsche Bestätigung hätte abgeben können. Zur Ermittlung der Vermögensverhältnisse und zu einer vorläufigen Amtsenthebung habe spätestens Anlass bestanden, nachdem die Aufsichtsbehörde am 23. August 2004 von einem gegen den Notar ergangenen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erfahren habe. Im Grundbuch (Abteilung III) waren bezüglich des Miteigentumsanteils des Notars Dr. L. an dem Grundstück Flur 5 Flurstück 226/13 der Gemarkung K. unter anderem folgende Eintragungen enthalten:

- Anspruch auf Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek in Höhe von 4.935,13 € für W. Bedachungen GmbH, eingetragen am 30. April 2002, - Anspruch auf Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek in Höhe von 12.224,54 € sowie einer Kostenpauschale von 237 € für E. Z. GmbH, eingetragen am 21. März 2003, - Zwangssicherungshypothek in Höhe von 109.178,37 € für das Land H. (Finanzamt K. ), eingetragen am 1. September 2003, - Zwangssicherungshypothek in Höhe von 8.373,89 € für I. Naturund Betonsteinwerk GmbH, eingetragen am 18. Mai 2004.

Neben der Mitteilung über den Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses erhielt das beklagte Land am 23. August 2004 Kenntnis von einem Schreiben des Gläubigers, woraus sich ergab, dass der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss als gegenstandslos zu betrachten sei. Der Gläubiger hatte den Titel seinerzeit jedoch noch nicht an den Notar zurückgegeben.

Dem Präsidenten des Landgerichts als Notaraufsichtsbehörde wurden am 18. Juli 2006 Zwangsvollstreckungsmaßnahmen mehrerer Gläubiger gegen den Notar bekannt. Nach einer persönlichen Anhörung wurde der Notar im Oktober 2006 vorläufig des Amtes enthoben.

Die Klägerin macht geltend, dass der Präsident des Landgerichts K. bereits vor dem 23. August 2004 Kenntnis von den Grundbucheintragungen zu Lasten des Notars erhalten habe und deshalb schon zuvor Anlass gehabt habe, den Notar zumindest vorläufig seines Amtes zu entheben, so dass es zu der vorsätzlichen Schädigung zu Lasten der Klägerin nicht gekommen wäre.

Die Klage ist vom Landgericht abgewiesen worden. Die dagegen erhobene Berufung ist erfolglos gewesen. Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen, wogegen sich die Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde wendet.

II.

Die zulässige Nichtzulassungsbeschwerde hat in der Sache Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die angefochtene Entscheidung verletzt in entscheidungserheblicher Weise das Recht der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG ).

1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt: Der Schutzzweck der Pflicht zur Enthebung eines Notars seines Amtes nach § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO umfasse auch den hier eingetretenen Schaden infolge der falschen Bestätigung, die dieser abgegeben habe.

Gleichwohl sei die Klage unbegründet, weil der Präsident des Landgerichts keine die Klägerin schützende Amtspflicht verletzt habe. Die Notaraufsicht diene grundsätzlich allgemeinen Interessen und nicht dem Schutz einzelner Dritter. Dies ändere sich jedoch, wenn der Aufsichtsbehörde Verdachtsgründe bekannt würden, die Anlass für eine Einleitung einer (vorläufigen) Amtsenthebung gäben. Ein solcher Ausnahmefall sei nicht gegeben. Der Präsident des Landgerichts habe vor dem 29. April 2005 keine Kenntnis von Tatsachen erhalten, die ihn zu einer derartigen Maßnahme hätten veranlassen müssen. Die Klägerin sei beweisfällig dafür, dass dem Präsidenten des Landgerichts K. oder von ihm mit der Notaraufsicht betrauten Personen so frühzeitig zureichende Anhaltspunkte für eine zu beanstandende Wirtschaftsführung des Notars vorgelegen hätten, so dass er diesen vor dem 29. April 2005 vorläufig seines Amtes hätte entheben müssen. Die Behauptung der Klägerin, der Prüfungsbeauftragte des Beklagten habe Kenntnis von den vier Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in den Grundbesitz des Notars gehabt, sei unbeachtlich, da sie ersichtlich ins Blaue hinein aufgestellt worden sei. Der Beklagte habe unwiderlegt behauptet, die Eintragung und die ihm zugrunde liegenden Verfahren seien ihm nicht mitgeteilt worden. Die Mitteilungspflichten gehörten noch in den im allgemeinen Interesse ausgeführten Bereich der Aufsichtstätigkeit ohne Drittschutz. Der Präsident des Landgerichts K. habe allerdings am 23. August 2004 von einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gegen den Notar Kenntnis erhalten. Die Durchführung dieser Zwangsvollstreckungsmaßnahme habe aber keine Bedenken gegen die Art der Wirtschaftsführung des Notars hervorgerufen. Der Präsident des Landgerichts habe ein Schreiben des vollstreckenden Gläubigers erhalten, das die Vollstreckung als gegenstandslos ausgewiesen habe. Die Kenntnis einer einzigen, sich auch ohne Rückgabe des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses und des Vollstreckungstitels wirtschaftlich als erledigt darstellende Vollstreckungsmaßnahme habe noch keinen hinreichenden Anlass dazu geboten, die Art der Wirtschaftsführung des Notars und seine Vermögensverhältnisse einer näheren Überprüfung zu unterziehen, indem etwa der Notar zu einer umfassenden Darstellung seiner Vermögensverhältnisse angehalten wird und seinen Grundbesitz betreffende Grundbuchauszüge eingeholt werden.

2. Mit Erfolg macht die Klägerin geltend, dass das Berufungsgericht ihr Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat, weil es ihren Vortrag zur Kenntnis des Präsidenten des Landgerichts K. über die Zwangsvollstreckungsmaßnahme in den Grundbesitz des Notars nicht berücksichtigt und die dazu angebotenen Beweise nicht erhoben habe.

Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG , wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet. Dies gilt auch dann, wenn die Nichtberücksichtigung des Beweisangebots darauf beruht, dass das Gericht verfahrensfehlerhaft überspannte Anforderungen an den Vortrag einer Partei gestellt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2014 - VIII ZR 34/14, WuM 2014, 741 Rn. 13 mwN). Danach kann insbesondere auch die zu Unrecht erfolgte Zurückweisung eines Vortrags und des dazu angebotenen Beweises für eine erhebliche Tatsache als "ins Blaue hinein aufgestellt" Art. 103 Abs. 1 GG verletzen. So liegt der Fall hier.

a) Das Berufungsgericht ist bei seiner rechtlichen Würdigung davon ausgegangen, dass die Kenntnis der Vollstreckungsmaßnahmen in den Grundbesitz des Notars Anlass dazu gegeben hätten, dessen Vermögenssituation zu überprüfen. Dies steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Voraussetzungen der Amtsenthebung eines Notars nach § 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 2 BNotO . Nach dieser Vorschrift ist der Notar seines Amtes zu entheben, wenn die Art seiner Wirtschaftsführung die Interessen der Rechtsuchenden gefährdet. Dies ist gegeben, wenn Gläubiger gezwungen sind, wegen berechtigter Forderungen gegen den Notar Zwangsmaßnahmen zu ergreifen. Das gilt auch dann, wenn sich schlechte wirtschaftliche Verhältnisse im Einzelfall nicht feststellen lassen. Denn es ist bereits als solches nicht hinzunehmen, dass der Notar in eine derartige Lage gerät. Für die Voraussetzungen des § 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 2 BNotO ist es unbeachtlich, wenn Zwangsvollstreckungsaufträge nicht mehr zu Vollstreckungsmaßnahmen führen, weil der Notar die zugrundeliegenden Ansprüche zuvor befriedigt hat (vgl. st. Rspr. BGH, Beschluss vom 17. März 2014 - NotZ [Brfg] 17/13, DNotZ 2014, 548 Rn. 3 f mwN). Ebenfalls in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Verletzung einer drittgerichteten Amtspflicht vorliegen kann, wenn ein auf die Amtsenthebung des Notars gerichtetes Verfahren nicht eingeleitet und nicht sachgerecht durchgeführt wird, etwa weil die wirtschaftlichen Verhältnisse des Notars und die Art seiner Wirtschaftsführung die Interessen der Rechtsuchenden gefährden und die Behörde bei Ausübung der Dienstaufsicht oder sonstwie eine durch bestimmte und nachprüfbare Tatsachen belegte Kenntnis solcher belastender Umstände erhält, die bei pflichtgemäßer Würdigung Anlass zur Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens geben (vgl. Senatsurteil vom 15. Mai 1997 - III ZR 204/96, BGHZ 135, 354 , 358).

b) Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht die Anforderungen überspannt und den Vortrag zur Kenntnis des Präsidenten des Landgerichts beziehungsweise seiner Prüfungsbeauftragten und die dazu ergangenen Beweise zu Unrecht zurückgewiesen. Eine Partei genügt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ihrer Darlegungslast bereits dann, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen an die Substantiierung, so kann der Vortrag weiterer Einzeltatsachen nicht verlangt werden (BGH, Beschluss vom 2. Juni 2008 - II ZR 121/07, NJW-RR 2008, 1311 Rn. 2). Es kann von der Klägerin im vorliegenden Fall nicht verlangt werden, sie müsse im Einzelnen darlegen, aufgrund welcher Mitteilung der Präsident des Landgerichts Kenntnis erhalten haben könnte, da diese Mitteilung nicht aus ihrem Geschäfts- oder Verantwortungsbereich stammte. Die Tatsachen, die der Beklagte durch die Mitteilung zur Kenntnis erhalten haben sollte, sind inhaltlich klar abgegrenzt und individualisiert. Darüber hinaus hat die Klägerin zutreffend darauf hingewiesen, dass nach XXIII der Anordnung über Mitteilungen in Zivilsachen unter anderem jede gegen einen Notar ergriffene Zwangsvollstreckungsmaßnahme der zuständigen Notarkammer und dem Präsidenten des zuständigen Landgerichts zu melden ist. Bei ordnungsgemäßer Wahrnehmung dieser Mitteilungspflicht wäre eine entsprechende Kenntnisnahme der die Notaraufsicht ausübenden Stelle von den mitgeteilten Tatsachen zu erwarten gewesen. Ausgehend hiervon macht die Beschwerde zu Recht darauf aufmerksam, dass die Klägerin durchaus einen hinreichenden Anhalt für ihr Vorbringen hat. Weiteren Vortrags dazu, wie der Präsident des Landgerichts oder seine Prüfungsbeauftragten Kenntnis hätten erhalten können, bedurfte es nicht.

3. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Entgegen der Auffassung der Klägerin gab nicht bereits die Kenntnis vom Pfändungs- und Überweisungsbeschluss Anlass, gegen den Notar mit dem Ziel einer zumindest vorläufigen Amtsenthebung vorzugehen. Das Berufungsgericht ist insoweit in rechtsfehlerfreier tatrichterlicher Würdigung davon ausgegangen, dass aufgrund des vorgelegten Gläubigerschreibens zum Zeitpunkt der Kenntnisnahme diese Vollstreckungsmaßnahme bereits hinfällig geworden war.

b) Sollte der Klägerin nicht der Nachweis gelingen, dass die Notaraufsichtsbehörde von den gegen den Notar ergriffenen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen Kenntnis erlangt hat, so genügte, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, allein der Umstand, dass die den Notar betreffenden Vorgänge entgegen den Vorgaben der Anordnung über Mitteilungen in Zivilsachen den Notaraufsichtsbehörden nicht mitgeteilt wurden, nach den vom Senat in dem Urteil vom 15. Mai 1997 ( III ZR 204/96, BGHZ 135, 354 ) aufgestellten Kriterien nicht, eine Amtshaftung des beklagten Landes gegenüber der Klägerin zu begründen.

Vorinstanz: LG Frankfurt am Main, vom 04.05.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 4 O 475/11
Vorinstanz: OLG Frankfurt am Main, vom 31.03.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 1 U 132/12