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BGH - Entscheidung vom 09.04.2014

5 StR 65/14

Normen:
StGB § 16 Abs. 1 S. 1
StGB § 240
StGB § 244 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5
WaffG § 52 Abs. 1 Nr. 2b
WaffG § 52 Abs. 3 Nr. 2b

BGH, Beschluss vom 09.04.2014 - Aktenzeichen 5 StR 65/14

DRsp Nr. 2014/7091

Beweiswürdigung zum subjektiven Tatbestand der besonders schweren räuberischen Erpressung bzgl. Irrtums der Vergütung der sexuellen Dienstleistungen der Prostituierten durch Zahlung

Tenor

1.

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 6. August 2013 gemäß § 349 Abs. 4 StPO

a)

im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition, unerlaubtem Besitz von Munition und Nötigung schuldig ist;

b)

im Strafausspruch aufgehoben.

2.

Die weitergehende Revision wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

3.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Normenkette:

StGB § 16 Abs. 1 S. 1; StGB § 240 ; StGB § 244 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 ; WaffG § 52 Abs. 1 Nr. 2b ; WaffG § 52 Abs. 3 Nr. 2b ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, vorsätzlichem unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition und vorsätzlichem unerlaubtem Besitz von Munition" zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 10. Februar 2014 unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO .

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts besuchte der Angeklagte am 16. August 2012 mit drei Begleitern das Bordell "A. " in Berlin. Nachdem aus der Gruppe des Angeklagten zu Beginn und im Verlauf des Aufenthalts über 2.600 € für den von jeder Person zu entrichtenden Eintritt, die Anmietung einer Suite für einen vierstündigen Aufenthalt, den Erwerb von fünf Flaschen Champagner und die Dienste von zwei Prostituierten gezahlt worden waren, kam es, als der Angeklagte und seine Begleiter sich anschickten, das Bordell zu verlassen, zu einer längeren verbalen Auseinandersetzung mit weiteren Prostituierten um die von diesen noch beanspruchten Entgeltzahlungen für erbrachte sexuelle Dienstleistungen. Nachdem sie zunächst noch erklärt hatten, weiteres Geld aus dem Auto holen zu wollen, und zwei der Begleiter des Angeklagten auch noch kleinere Teilbeträge entrichtet hatten, äußerten sowohl der Angeklagte als auch sein im Urteil als "der Kräftige" bezeichneter Begleiter, der offenbar jedenfalls den überwiegenden Teil der bisherigen Zahlungen getätigt hatte, dass sie bereits 4.000 € gezahlt hätten und keine weiteren Zahlungen mehr leisten würden. Als die drei als Sicherheitsmitarbeiter des Bordells tätigen Nebenkläger sich im Eingangsbereich postierten, um den Angeklagten und seine zwei im Bordell verbliebenen Begleiter - der dritte hatte sich inzwischen nach draußen zum Fahrzeug begeben - bis zum Erscheinen der zwecks Feststellung der Personalien herbeigerufenen Polizei am Verlassen des Bordells zu hindern, versuchte zunächst "der Kräftige" hinauszulaufen, wurde jedoch von den Nebenklägern gewaltsam hieran gehindert. Um sich und seinen Begleitern die Flucht aus dem Bordell zu ermöglichen, zog schließlich der Angeklagte eine mit Gummigeschossen geladene halbautomatische Selbstladewaffe und schoss mit dieser auf alle drei Nebenkläger, wobei er insgesamt sechs Schüsse abfeuerte - unter anderem schoss er dem Nebenkläger G. viermal in den Rücken - und jedenfalls zwei Nebenkläger nicht unerheblich verletzt wurden. Anschließend verließen der Angeklagte und seine zwei Begleiter das Bordell und liefen zu dem Fahrzeug, wo der dritte Begleiter sie erwartete und mit ihnen davonfuhr.

2. Die Beweiswürdigung des Landgerichts zum subjektiven Tatbestand der besonders schweren räuberischen Erpressung hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Sie ist insofern lückenhaft, als sich das Landgericht nicht mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob sich der Angeklagte möglicherweise in dem gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB beachtlichen Irrtum befand, die sexuellen Dienstleistungen der Prostituierten seien durch die von dem "Kräftigen" zu Beginn und im Laufe des Abends geleisteten Zahlungen bereits vereinbarungsgemäß vergütet worden. Ein solcher Irrtum lässt sich auch nicht etwa aufgrund der von der Strafkammer getroffenen Feststellungen ausschließen. Zunächst bleibt schon offen, was "der Kräftige" dem Angeklagten hinsichtlich der Höhe der schon erbrachten Zahlungen mitgeteilt hat und ob der Angeklagte nicht aufgrund dieser Angaben tatsächlich davon ausging, es seien - wie er im Rahmen der Diskussionen im Eingangsbereich gegenüber den Nebenklägern behauptete - bereits 4.000 € gezahlt. Doch selbst wenn der Angeklagte die tatsächliche Höhe der Zahlungen gekannt haben sollte, kann er angenommen haben, die sexuellen Dienstleistungen der Prostituierten seien hierdurch vereinbarungsgemäß vergütet. Die Höhe der vom "Kräftigen" erbrachten Zahlungen ist so beträchtlich, dass sich nicht von selbst versteht, dass hierdurch nicht alle Kosten abgedeckt sein sollten. Vor dem Hintergrund all dieser Umstände liegt es jedenfalls nicht fern, dass der Angeklagte die weiteren Geldforderungen der Prostituierten nicht für berechtigt hielt. Hierauf deutet im Übrigen auch die ausgiebige Diskussion um die Höhe der offenen Forderungen hin, die sich nicht ohne weiteres mit der Annahme in Einklang bringen lässt, der Angeklagte und seine Begleiter hätten selbst um die Berechtigung dieser Forderungen gewusst, seien aber dennoch entschlossen gewesen, sie nicht zu begleichen.

3. Der Senat schließt aus, dass die Annahme eines Tatbestandsirrtums des Angeklagten hinsichtlich des Bestehens etwaiger noch offener Forderungen der Prostituierten, deren Durchsetzung durch das gewaltsame Verlassen des Bordells vereitelt wurde, in einer neuen Hauptverhandlung tragfähig widerlegt werden könnte, und entscheidet demgemäß selbst über den Schuldspruch. Wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, erfüllt das Verhalten des Angeklagten den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition und mit unerlaubtem Besitz von Munition, § 52 Abs. 1 Nr. 2b , Abs. 3 Nr. 2b WaffG . Ebenfalls in Tateinheit tritt eine Nötigung gemäß § 240 StGB hinzu, weil der Angeklagte die Nebenkläger durch die Schüsse rechtswidrig gewaltsam genötigt hat, den Weg aus dem Bordell für ihn und seine drei Begleiter freizugeben. § 265 StPO steht der Änderung des Schuldspruchs insoweit nicht entgegen, weil sich der Angeklagte gegenüber dem Nötigungsvorwurf nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.

4. Der Senat weist darauf hin, dass entgegen der Ansicht des Landgerichts neben der Qualifikation des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB auch diejenige des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB erfüllt ist. Dass die Gummigeschosse "von ihrer Laborierung her darauf angelegt waren, keine tödliche Wirkung zu entfalten" (UA S. 14), ändert nichts an der insoweit ausreichenden mit dem Verschießen dieser Munition verbundenen abstrakten Lebensgefahr; sie ergibt sich ohne weiteres daraus, dass die Geschosse geeignet waren, in den Körper einzudringen, was etwa bei Einschüssen in der Nähe der Halsschlagader zweifellos lebensgefährliche Verletzungen verursachen könnte. Die generelle Eignung des in Frage stehenden Schusswaffeneinsatzes zur Herbeiführung lebensgefährlicher Verletzungen folgt zudem schon aus der Feststellung des Landgerichts, dass nur die vom intensiv Kraftsport treibenden Nebenkläger Y. zusätzlich aufgebaute Muskelmasse schwerere Verletzungen verhinderte und ärztlicherseits eine Bauchspiegelung durchgeführt wurde, um eine Verletzung der Milz auszuschließen.

Sämtliche Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen, zum Tatablauf und insbesondere auch zur uneingeschränkten Schuldfähigkeit sind rechtsfehlerfrei getroffen und bleiben bestehen. Neue Feststellungen sind möglich, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.

Vorinstanz: LG Berlin, vom 06.08.2013