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BGH - Entscheidung vom 19.02.2013

XI ZR 493/11

Normen:
BGB § 199 Abs. 1 Nr. 2

BGH, Urteil vom 19.02.2013 - Aktenzeichen XI ZR 493/11

DRsp Nr. 2013/4645

Zahlung von Schadensersatz wegen fehlerhafter Beratung einer Bank im Zusammenhang mit der Beteiligung an einem Immobilienfonds; Fehlen von Feststellungen des Berufungsgerichts zu den subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB

Die anlageberatende Bank ist verpflichtet, über eine von ihr vereinnahmte Rückvergütung aus offen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen ungefragt aufzuklären. Aufklärungspflichtige Rückvergütungen sind dabei - regelmäßig umsatzabhängige - Provisionen, die im Gegensatz zu versteckten Innenprovisionen nicht aus dem Anlagevermögen, sondern aus offen ausgewiesenen Provisionen wie zum Beispiel Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsvergütungen gezahlt werden, deren Rückfluss an die beratende Bank aber nicht offenbart wird, sondern hinter dem Rücken des Anlegers erfolgt. Hierdurch kann beim Anleger zwar keine Fehlvorstellung über die Werthaltigkeit der Anlage entstehen, er kann jedoch das besondere Interesse der beratenden Bank an der Empfehlung gerade dieser Anlage nicht erkennen.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 11. November 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Normenkette:

BGB § 199 Abs. 1 Nr. 2 ;

Tatbestand

Der Kläger nimmt die beklagte Bank auf Zahlung von Schadensersatz wegen fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit der Beteiligung an einem Immobilienfonds in Anspruch.

Der Kläger ist langjähriger Kunde der Beklagten. Als im Jahre 1993 ein Sparbrief in Höhe von 40.000 DM zur Auszahlung fällig wurde, erwarb er nach Beratung durch die Beklagte am 3. November 1993 Anteile in Höhe von 80.000 DM nebst 5% Agio an dem geschlossenen Immobilienfonds "F. KG" (nachfolgend: Fonds). In seiner Beteiligungserklärung bestätigte der Kläger, den Emissionsprospekt zur Kenntnis genommen zu haben. Ausweislich des Prospektes sollte das Agio einer Kapitalrücklage zugeführt werden. Außerdem sollten "fondsbedingte Kosten" in Höhe von 12,22% des Investitionsvolumens anfallen, in denen 7,15% des Investitionsvolumens für "Eigenkapitalbeschaffung, Platzierungsverpflichtung" enthalten waren. Weiter heißt es im Prospekt:

"Damit stehen 87,78% des gesamten Investitionsvolumens unabhängig von der Fondskonstruktion in unmittelbarem Zusammenhang mit der Errichtung und Nutzung des Objekts... Für 12,22% und das Agio in Höhe von 5% erhalten die nach Platzierung am F. etwa 4000 Beteiligten drei umfangreiche Dienstleistungspakete:

1.

Generelle Expertise, Beratungs- und Vermittlungsleistungen von Banken, Sparkassen oder anderen qualifizierten Finanzdienstleistungsunternehmen.

2.

...Beschaffung und Sicherung der Finanzierung, Platzi erungs- und Einzahlungsgarantien..."

Welche Banken, Sparkassen oder Finanzdienstleistungsunternehmen Provisionen in welcher Höhe erhalten sollten, wird im Prospekt nicht angegeben. Zur Finanzierung seiner Beteiligung verwendete der Kläger zu gleichen Teilen den Ertrag des Sparbriefes und die Valuta aus einem Darlehensvertrag mit der Beklagten vom 9. Dezember 1993. Die Beklagte erhielt für die Vermittlung der Fondsbeteiligung eine Provision in nicht geklärter Höhe, auf die sie den Kläger nicht hinwies.

Unter anderem deshalb hat der Kläger die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Er macht zuletzt einen Schaden geltend, der sich aus dem von ihm aufgewendeten Beteiligungsbetrag zzgl. Agio in Höhe von insgesamt 42.948,51 € sowie aus an die Beklagte gezahlten Zinsen in Höhe von 5.749,77 € zusammensetzt. Auf den sich daraus ergebenden Gesamtaufwand in Höhe von 48.698,28 € lässt sich der Kläger Ausschüttungen in Höhe von 3.245,16 € anrechnen und begehrt den sich ergebenden Differenzbetrag in Höhe von 46.654,12 € (rechnerisch korrekt: 45.453,12 €) nebst Zinsen Zug um Zug gegen die Übertragung der Fondsanteile. Ferner macht der Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 832,88 € nebst Zinsen geltend.

Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:

Zwischen den Parteien sei stillschweigend ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen. Eine Haftung der Beklagten wegen unterlassener Aufklärung über im Gesamtaufwand erhaltene Innenprovisionen bzw. Rückvergütungen komme nicht in Betracht. Zwar habe der Kläger nach seinem Fondsbeitritt 5% Agio, mithin eine offen ausgewiesene Provision gezahlt. Diese habe jedoch nicht der Deckung der Eigenkapitalbeschaffungskosten gedient, sondern sei ausweislich der Bilanz der Fondsgesellschaft einer Kapitalrücklage zugeführt worden. Soweit im Fondsprospekt außerdem darauf hingewiesen werde, dass 12,22% des Investitionsvolumens für Beratungs- und Vermittlungsleistungen von Banken, Sparkassen oder anderen Finanzdienstleistungsunternehmen verwendet würden, betreffe dies die Frage, ob die Beklagte Aufklärungspflichten bezogen auf eine ihr gewährte Innenprovision verletzt habe. Unabhängig davon, ab welcher Höhe eine solche offen zu legen sei, reiche es aus, dass die Provision im Prospekt als Kosten der Eigenkapitalbeschaffung bezeichnet werde. Da sowohl im Prospekt als auch im Gesellschaftsvertrag ein Investitionsund Finanzierungsplan enthalten sei, in dem die Eigenkapitalbeschaffungskosten aufgeführt würden, sei die Beklagte nicht zu einer weitergehenden Aufklärung verpflichtet gewesen. Dem Kläger habe der Emissionsprospekt so rechtzeitig vorgelegen, dass er von dessen Inhalt habe Kenntnis nehmen können.

II.

Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.

1. Rechtsfehlerfrei und unangegriffen ist das Berufungsgericht vom Zustandekommen eines Anlageberatungsvertrages zwischen der Klägerin und der Beklagten ausgegangen.

2. Das Berufungsurteil ist jedoch mit einem Rechtsfehler behaftet, soweit das Berufungsgericht eine Verletzung der Aufklärungspflichten aus diesem Beratungsvertrag in Bezug auf die von der Beklagten vereinnahmte Vermittlungsprovision mit der Begründung verneint hat, dass es sich dabei um eine Innenprovision gehandelt habe, über die die Beklagte nicht näher habe aufklären müssen.

a) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats ist eine Bank aus dem Anlageberatungsvertrag verpflichtet, über eine von ihr vereinnahmte Rückvergütung aus offen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen ungefragt aufzuklären (vgl. zuletzt Senatsurteile vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 17 und vom 11. September 2012 - XI ZR 363/10, BKR 2012, 513 Rn. 16, jeweils mwN). Aufklärungspflichtige Rückvergütungen sind dabei - regelmäßig umsatzabhängige - Provisionen, die im Gegensatz zu versteckten Innenprovisionen nicht aus dem Anlagevermögen, sondern aus offen ausgewiesenen Provisionen wie zum Beispiel Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsvergütungen gezahlt werden, deren Rückfluss an die beratende Bank aber nicht offenbart wird, sondern hinter dem Rücken des Anlegers erfolgt. Hierdurch kann beim Anleger zwar keine Fehlvorstellung über die Werthaltigkeit der Anlage entstehen, er kann jedoch das besondere Interesse der beratenden Bank an der Empfehlung gerade dieser Anlage nicht erkennen (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 17 und vom 11. September 2012 - XI ZR 363/10, BKR 2012, 513 Rn. 16, jeweils mwN).

Demgegenüber handelt es sich bei Innenprovisionen um nicht offen ausgewiesene Vertriebsprovisionen, die in den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Anlageobjekts - versteckt - enthalten sind. Über ihre Existenz und Höhe ist durch die beratende Bank unter bestimmten Umständen aufzuklären, weil sie Einfluss auf die Werthaltigkeit der Kapitalanlage haben und eine unterbliebene Aufklärung beim Anleger insoweit eine Fehlvorstellung hervorrufen kann (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteile vom 27. September 2011 - XI ZR 178/10, WM 2011, 2261 Rn. 42 und XI ZR 182/10, BGHZ 191, 119 Rn. 39 mwN).

b) Danach handelt es sich hier bei der von der Beklagten vereinnahmten Provision - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - um eine aufklärungspflichtige Rückvergütung. Ihr Anfall sowie ihre Gesamthöhe von 12,22% des Investitionsvolumens werden im Prospekt offen als "fondsbedingte Kosten" für "Eigenkapitalbeschaffung, Platzierungsverpflichtung" ausgewiesen, die insbesondere für "Beratungs- und Vermittlungsleistungen von Banken, Sparkassen oder anderen qualifizierten Finanzdienstleistungsunternehmen" aufgewendet werden sollen. Bei diesen "fondsbedingten Kosten" handelt es sich folglich um offen ausgewiesene Beratungs- und Vermittlungsgebühren, die der Kunde an Dritte zahlt, die jedoch hinter seinem Rücken teilweise an die beratende Bank zurückfließen.

c) Anders als die Revisionserwiderung meint, ist der Kläger über diesen Umstand auch nicht durch die rechtzeitige Übergabe des Fondsprospekts ordnungsgemäß aufgeklärt worden, denn im Prospekt wird weder angegeben, dass die Beklagte zu den im Prospekt erwähnten Banken gehört, noch wird dort über die konkrete Höhe der ihr gewährten Provision aufgeklärt.

III.

Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO ). Insbesondere kann die Frage, ob der Schadensersatzanspruch des Klägers aufgrund der Regelverjährung (Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 EGBGB , § 199 Abs. 1 BGB ) bereits verjährt ist, mangels Feststellungen des Berufungsgerichts zu den subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB (vgl. dazu OLG Karlsruhe, WM 2012, 2245, 2246, rechtskräftig durch Senatsbeschluss vom 3. April 2012 - XI ZR 383/11; OLG Karlsruhe, Urteil vom 6. Juli 2011 - 17 U 65/09, rechtskräftig durch Senatsbeschluss vom 19. Juni 2012 - XI ZR 300/11; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - 6 U 30/10, [...] Rn. 34 f., rechtskräftig durch BGH, Beschluss vom 26. Januar 2012 - III ZR 8/11; U. Schäfer in Schäfer/Sethe/Lang, Handbuch der Vermögensverwaltung, § 21 Rn. 60 aE) derzeit nicht beantwortet werden.

IV.

Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO ). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ).

Dabei wird das Berufungsgericht insbesondere zu beachten haben, dass der erkennende Senat bereits mit Beschluss vom 29. Juni 2010 ( XI ZR 308/09, WM 2010, 1694 Rn. 5 ff. mwN) entschieden und eingehend begründet hat, dass sich eine anlageberatende Bank jedenfalls für die Zeit nach 1990 hinsichtlich ihrer Aufklärungspflicht über Rückvergütungen nicht auf einen unvermeidlichen Rechtsirrtum berufen kann. Dass über heimliche Rückflüsse aus offen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen aufzuklären ist, konnte der veröffentlichten Rechtsprechung zum Zeitpunkt der Anlageentscheidung des Klägers entnommen werden (Senatsbeschluss vom 19. Juli 2011 - XI ZR 191/10, WM 2011, 1506 Rn. 10 ff. und Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 25, jeweils mwN). Sollte es im weiteren Verfahren auf die Frage der Kausalität der Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten für die Anlageentscheidung des Klägers ankommen, weist der Senat außerdem auf die Ausführungen in seinem Urteil vom 8. Mai 2012 ( XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 28 ff.) hin.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 19. Februar 2013

Vorinstanz: LG Trier, vom 17.11.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 5 O 46/10
Vorinstanz: OLG Koblenz, vom 11.11.2011 - Vorinstanzaktenzeichen 3 U 1427/10