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BGH - Entscheidung vom 31.07.2013

VIII ZB 18/13

Normen:
ZPO § 317 Abs. 4
ZPO § 520 Abs. 2 S. 1
ZPO § 574 Abs. 2 Nr. 2

BGH, Beschluss vom 31.07.2013 - Aktenzeichen VIII ZB 18/13

DRsp Nr. 2013/20734

Wirksamkeit der Unterschrift eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei Nichtfeststellbarkeit der Identität des Schreibenden; Anforderungen an die wirksame Unterschrift im Zusammenhang mit der Zustellung einer Entscheidung

1. An die Unterschrift des Urkundsbeamten unter die Ausfertigung des Urteils sind dieselben Anforderungen zu stellen wie an die Unterzeichnung bestimmender Schriftsätze durch Rechtsanwälte. 2. Ein Schriftzug, der nach seinem äußeren Erscheinungsbild eine bewusste und gewollte Namensabkürzung (Handzeichen, Paraphe) darstellt, genügt den an eine eigenhändige Unterschrift zu stellenden Anforderungen nicht. Vielmehr muss aufgrund des Schriftzugs die Identifizierung des Urkundsbeamten möglich sein.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin werden die Beschlüsse des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 25. Februar 2013 und 5. März 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde: 12.865,16 €.

Normenkette:

ZPO § 317 Abs. 4 ; ZPO § 520 Abs. 2 S. 1; ZPO § 574 Abs. 2 Nr. 2 ;

Gründe

I.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 1. September 2012 zugestellte Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 30. August 2012 mit Telefax vom 1. Oktober 2012, eingegangen am selben Tag, Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 1. November 2012 hat die Klägerin die Zustellung des erstinstanzlichen Urteils mit der Begründung als nicht wirksam beanstandet, die Unterschrift auf dem Ausfertigungsvermerk genüge nicht den Anforderungen des § 317 Abs. 4 ZPO .

Das Berufungsgericht hat unter dem 5. November 2012 darauf geantwortet, dass keine Bedenken gegen die ordnungsgemäße Zustellung bestünden, und hat mit Beschluss vom 25. Februar 2013 die Berufung wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig verworfen. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 4. März 2013 die Berufung begründet und Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der vom Berufungsgericht bis zum 4. Februar 2013 verlängerten Frist zur Begründung der Berufung beantragt. Den Wiedereinsetzungsantrag hat das Berufungsgericht mit Beschluss vom 5. März 2013 zurückgewiesen. Gegen beide Beschlüsse wendet sich die Klägerin mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 , § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gefordert ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ). Das Rechtsmittel ist auch begründet.

1. Der die Berufung der Klägerin verwerfende Beschluss vom 25. Februar 2013 ist aufzuheben, weil die Klägerin die Frist zur Begründung der Berufung nicht versäumt hat. Denn das erstinstanzliche Urteil war der Klägerin am 1. September 2012 nicht wirksam zugestellt worden. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts endete die Berufungsbegründungsfrist daher nicht bereits mit Ablauf der bis zum 4. Februar 2013 gewährten Verlängerung. Vielmehr begann die zweimonatige Frist zur Begründung der Berufung erst fünf Monate nach Verkündung des Urteils vom 30. August 2012, also am 30. Januar 2013. Die mit Schriftsatz vom 4. März 2013 eingereichte Berufungsbegründung war damit noch rechtzeitig.

a) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung (§ 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO ). Für den Beginn der Berufungsbegründungsfrist ist die Zustellung einer Ausfertigung des Urteils erforderlich. Die Ausfertigung ist vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben und mit dem Gerichtssiegel zu versehen (§ 317 Abs. 4 ZPO ). Dabei sind an die Unterschrift des Urkundsbeamten dieselben Anforderungen zu stellen wie an die Unterzeichnung bestimmender Schriftsätze durch Rechtsanwälte (BGH, Urteil vom 27. Oktober 1987 - VI ZR 268/86, NJW 1988, 713 unter II 1 a). Für eine Unterschrift ist erforderlich aber auch genügend das Vorliegen eines die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnenden Schriftzugs, der individuelle und entsprechend charakteristische Merkmale aufweist, sich als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht einer vollen Unterschriftleistung erkennen lässt, selbst wenn er nur flüchtig niedergelegt und von einem starken Abschleifungsprozess gekennzeichnet ist (st. Rspr.; Senatsbeschluss vom 9. Februar 2010 - VIII ZB 67/09, [...] Rn. 10 mwN).

b) Die der Klägerin am 1. September 2012 zugestellte Urteilsabschrift stellt keine Ausfertigung des Urteils dar, weil es an einer Unterschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle in Verbindung mit dem Ausfertigungsvermerk vom 31. August 2012 fehlt. Der dort angebrachte Schriftzug lässt eine Identifizierung dessen, der als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle tätig geworden ist, nicht zu.

Das Berufungsgericht hat den Ausfertigungsvermerk in seinem Hinweisschreiben an die Klägerin vom 5. November 2012 der Justizfachangestellten Z. zugeordnet. Um eine Unterschrift der Justizfachangestellten Z., die deren vollen Namen wiedergibt, handelt es sich bei dem Schriftzug des Ausfertigungsvermerks jedoch ersichtlich nicht. Denn er weist keine - auch nur entfernte oder gar annähernde - Ähnlichkeit mit der Unterschrift auf, mit der die Justizfachangestellte Z. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle den Verkündungsvermerk vom 30. August 2012 - mit ihrem vollen Namen - unterzeichnet hat. Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem Schriftzug des Ausfertigungsvermerks etwa um ein Namenskürzel der Justizfachangestellten Z. handelt. Denn ein Schriftzug, der nach seinem äußeren Erscheinungsbild eine bewusste und gewollte Namensabkürzung (Handzeichen, Paraphe) darstellt, genügt den an eine eigenhändige Unterschrift zu stellenden Anforderungen nicht (st. Rspr.; Senatsbeschluss vom 9. Februar 2010 - VIII ZB 67/09, aaO mwN).

Da der Schriftzug des Ausfertigungsvermerks die Unterschrift der Justizfachangestellten Z. nicht wiedergibt und auch nicht erkennen lässt, welcher andere Urkundsbeamte der Geschäftsstelle Aussteller des Ausfertigungsvermerks sein soll, ist die Identifizierung des Urkundsbeamten aufgrund dieses Schriftzugs nicht möglich. Der Klägerin ist deshalb keine ordnungsgemäße Ausfertigung des Urteils vom 30. August 2012 zugestellt worden.

2. Auch der das Wiedereinsetzungsgesuch der Klägerin zurückweisende Beschluss des Berufungsgerichts vom 5. März 2013 ist aufzuheben. Da die Klägerin die Berufungsbegründungsfrist nicht versäumt hat, sind ihr Wiedereinsetzungsgesuch und der Zurückweisungsbeschluss gegenstandslos.

Vorinstanz: LG Frankfurt am Main, vom 30.08.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 4 O 51/10
Vorinstanz: OLG Frankfurt am Main, vom 25.02.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 17 U 134/12
Vorinstanz: OLG Frankfurt am Main, vom 05.03.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 17 U 134/12