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BGH - Entscheidung vom 12.04.2013

V ZR 203/11

Normen:
BGB § 197 Abs. 1 Nr. 3
BGB § 197 Abs. 1 Nr. 3

Fundstellen:
MDR 2013, 965

BGH, Urteil vom 12.04.2013 - Aktenzeichen V ZR 203/11

DRsp Nr. 2013/14150

Verjährung von durch Restitutionsbescheid bestandskräftig festgestellten Ansprüchen nach § 6 Abs. 6a Sätze 4 und 5 VermG aF

Durch Restitutionsbescheid bestandskräftig festgestellte Ansprüche nach § 6 Abs. 6a Sätze 4 und 5 VermG aF (= § 6 Abs. 6a Sätze 3 und 4 VermG ) verjähren entsprechend § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB in 30 Jahren.

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Kammergerichts vom 11. August 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Normenkette:

BGB § 197 Abs. 1 Nr. 3 ;

Tatbestand

W. S. , dessen Erben die Kläger sind, war alleiniger Gesellschafter einer GmbH in M. , die Maschinen- und Dampfkesselarmaturen herstellte. Er wurde strafrechtlich belangt und unter Einziehung seines Vermögens verurteilt. Der überwiegende Teil des Betriebsvermögens der GmbH wurde auf einen neu gegründeten VEB Messgeräte- und Armaturenwerke Karl Marx M. übertragen. Das Grundvermögen der GmbH wurde in Volkseigentum überführt, als Rechtsträger der erwähnte VEB eingesetzt.

Der VEB wurde in die M. Armaturenwerke - M. AG umgewandelt, die AG wurde Eigentümerin der Grundstücke, als deren Rechtsträger der VEB im Grundbuch eingetragen war. Am 1. Oktober 1990 stellte die W. S. GmbH i.L. (fortan die GmbH) einen Antrag auf Restitution des Unternehmens und der Grundstücke, die ihr entzogen worden waren. Die beklagte Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) verkaufte die Anteile an der M. AG mit Vertrag vom 21. Januar / 10. Mai 1991 an einen Investor, den sie von Ansprüchen der Alteigentümer freizustellen versprach. Die M. AG verkaufte mit mehreren notariell beurkundeten Verträgen in den Jahren 1991, 1992 und 1995 ungenutzte Betriebsgrundstücke der Gesellschaft an Dritte. Die Restitutionsbehörde entschied mit bestandskräftigem Teilbescheid vom 25. April 1994,

1.

eine Restitution des enteigneten Unternehmens werde abgelehnt, weil dieses stillgelegt und die Voraussetzungen für seine Wiederbelebung nicht gegeben seien,

2.

wegen der übrig gebliebenen Grundstücke werde das Verfahren ausgesetzt und

3.

für die durch die Beklagte veräußerten, in dem Bescheid mit den Flurstücksangaben bezeichneten Grundstücke in M. stehe der GmbH gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung des erzielten Erlöses, mindestens aber des Verkehrswerts zu.

Später trat die GmbH ihre Ansprüche an die Kläger ab. Mit der am 7. April 2009 zugestellten Klage haben die Kläger, gestützt in erster Linie auf § 6 Abs. 6a Satz 4, hilfsweise auf § 6 Abs. 6a Satz 5 VermG (in der hier insoweit noch maßgeblichen Fassung vor dem Inkrafttreten des Wohnraummodernisierungssicherungsgesetzes vom 17. Juli 1997, BGBl. I S. 1823, am 24. Juli 1997, fortan VermG aF = heute § 6 Abs. 6a Sätze 3 und 4 VermG ), Zahlung von 1.684.706,70 € nebst gestaffelten Zinsen seit dem 28. Oktober 1994 verlangt. Die Beklagte hält den Anspruch für unbegründet und erhebt unter anderem die Einrede der Verjährung.

Das Landgericht hat der Klage unter Abweisung im Übrigen in Höhe von 1.495.511,08 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Kammergericht die Klage unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Kläger abgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision streben die Kläger eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 1.662.332,70 € nebst Zinsen in gestaffelter Höhe seit dem 28. Oktober 1994 an. Die Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hält den Anspruch der Kläger für dem Grunde nach gegeben. Er ergebe sich aus dem Bescheid der zuständigen Behörde vom 25. April 1994. Darin sei der Anspruch festgestellt. Diese Entscheidung sei für den Zivilrechtstreit zugrunde zu legen und hier nicht zu prüfen. Die Ansprüche aus dem Bescheid habe die GmbH wirksam an die Kläger abgetreten. Der Anspruch sei jedoch verjährt. Es gelte die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren nach §§ 195 , 199 BGB . Eine Verjährungsfrist von 30 Jahren lasse sich weder aus analoger Anwendung von § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB noch aus einer unmittelbaren oder analogen Anwendung von § 53 Abs. 2 Satz 1 VwVfG ableiten. Die Verjährungsfrist von drei Jahren sei abgelaufen. Sie habe nach Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB mit dem 1. Januar 2002 begonnen, da der Anspruch zu diesem Zeitpunkt entstanden und den Klägern die Voraussetzungen des Anspruchs bekannt gewesen seien. Anhaltspunkte für eine Hemmung bestünden nicht. Vergleichsverhandlungen habe die Klägerin zu 1 erstmals am 1. September 2005 eingeleitet. Zu diesem Zeitpunkt sei der Anspruch schon seit etwa einem 3/4 Jahr verjährt gewesen. Die Beklagte sei auch aus Treu und Glauben nicht daran gehindert, sich auf die Einrede der Verjährung zu berufen.

II.

Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.

1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass der GmbH als Berechtigter ein Anspruch auf Auskehrung der Erlöse aus der Veräußerung der in dem Restitutionsbescheid bezeichneten Grundstücke und, soweit diese hinter dem Verkehrswert zurückbleiben, ein Anspruch auf Zahlung der Differenz zusteht.

a) Dieser Anspruch ergibt sich aus § 6 Abs. 6a Sätze 4 und 5 VermG aF. Er setzt voraus, dass die Restitution eines Unternehmens gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 VermG an dessen Stilllegung und die dann nach § 6 Abs. 6a Satz 1 VermG mögliche Restitution von Vermögenswerten des Unternehmens nach § 6 Abs. 6a Satz 4 VermG aF an deren Veräußerung scheitert. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen, weil sich die Kläger auf die Feststellung ihres Auskehrungsanspruchs durch den Teilbescheid der Restitutionsbehörde vom 25. April 1994 stützen. In diesem bestandskräftigen Bescheid wird entgegen der Ansicht der Beklagten nicht nur allgemein auf die Rechtsfolgen des § 6 Abs. 6a Sätze 4 und 5 VermG aF hingewiesen, sondern die Verpflichtung der Beklagten zur Auskehrung des Erlöses aus der Veräußerung konkret bezeichneter Grundstücke und auf Zahlung der etwaigen Differenz zwischen dem Verkaufserlös und dem Verkehrswert dieser Grundstücke förmlich festgestellt. Dieser Bescheid ist im vorliegenden Verfahren bindend (vgl. Senat, Urteil vom 26. Januar 2007 V ZR 137/06, LKV 2007, 526, 527 Rn. 11-13; BGH, Urteil vom 22. März 2006 IV ZR 6/04, WM 2006, 1237 , 1240 Rn. 25 f.).

b) In diesem Zusammenhang nicht zu prüfen ist ferner, ob die Beklagte Schuldnerin des Anspruchs nach § 6 Abs. 6a Sätze 4 oder 5 VermG aF ist. Die Restitutionsbehörde hat die Pflicht der Beklagten zur Auskehrung der Erlöse aus dem Verkauf der in dem Bescheid bezeichneten Grundstücke bestandskräftig festgestellt. Auch diese Feststellung ist für das vorliegende Verfahren bindend. Ob sie zutrifft, ist an dieser Stelle nicht zu prüfen.

2. Richtig ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, dass dieser Anspruch wirksam an die Kläger abgetreten worden ist und diese deshalb aktivlegitimiert sind.

a) Die Abtretung war zwar zunächst schwebend unwirksam (vgl. BGH, Urteil vom 8. Oktober 1975 - VIII ZR 115/74, BGHZ 65, 123 , 125 f.), weil die Klägerin zu 1 bei diesem Rechtsgeschäft sowohl in eigenem Namen als auch als Liquidatorin der GmbH aufgetreten ist, ohne wirksam von dem Verbot des Selbstkontrahierens nach § 181 BGB befreit zu sein. Die erforderliche Befreiung ist aber im Verlauf des Rechtsstreits nachgeholt, die Abtretung durch die Klägerin zu 1 für die GmbH wirksam genehmigt worden.

b) Der Wirksamkeit der Abtretung steht, anders als die Beklagte meint, auch nicht der geltend gemachte Verstoß gegen § 30 GmbHG entgegen. Ob die Abtretung überhaupt gegen das Rückgewährverbot verstößt, ist zweifelhaft, weil die GmbH nicht mehr werbend tätig ist, sondern liquidiert wird. Jedenfalls führt ein Verstoß gegen das Rückgewährverbot, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, nicht zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts, sondern nach der spezialgesetzlichen Regelung in §§ 31 , 43 GmbHG dazu, dass der Gesellschaft das entzogene Stammkapital wieder zuzuführen ist und dass die Gesellschafter und der Geschäftsführer nach § 31 Abs. 3 , § 43 Abs. 3 GmbHG für den Ausfall haften (BGH, Urteile vom 23. Juni 1997 - II ZR 220/95, BGHZ 136, 125 , 129 f. und vom 25. Juni 2001 - II ZR 38/99, BGHZ 148, 167 , 171). Dasselbe gilt nach § 73 Abs. 3 GmbHG bei einer vorzeitigen Verteilung des Vermögens unter den Gesellschaftern, wenn diese zu der Schädigung eines Gläubigers der GmbH führt.

3. Zu Unrecht nimmt das Berufungsgericht aber an, der Anspruch sei verjährt.

a) Ansprüche nach § 6 Abs. 6a Sätze 4 oder 5 VermG aF unterliegen allerdings an sich der regelmäßigen Verjährungsfrist (Kreuter, NJ 2007, 488).

aa) Entschieden ist die Anwendung der regelmäßigen Verjährungsfrist für die Ansprüche des Berechtigten gegen den Verfügungsberechtigten aus § 7 Abs. 7 VermG (Mietherausgabe, Senat, Urteil vom 25. Februar 2005 V ZR 105/04, [...] Rn. 19 mit KG, VIZ 2004, 367 , 368) oder des Verfügungsberechtigten gegen den Berechtigten aus § 3 Abs. 3 Satz 4 VermG (Ersatz von Aufwendungen, BGH, Urteil vom 5. Juli 2001 - III ZR 235/00, BGHZ 148, 241 , 251). Für Ansprüche aus § 6 Abs. 6a Sätze 4 und 5 VermG aF (= § 6 Abs. 6a Sätze 3 und 4 VermG ) gilt nichts anderes.

bb) Sie unterliegen, anders als die Kläger meinen, auch nicht deshalb einer Verjährungsfrist von 30 Jahren, weil diese im öffentlichen Recht die Regelverjährung ist oder weil für sie die in § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB bestimmte Frist für die Verjährung des Eigentumsherausgabeanspruchs entsprechend gilt. Das Bundesverwaltungsgericht wendet die Verjährungsfrist von 30 Jahren nach § 195 BGB aF auf öffentlichrechtliche Ansprüche staatlicher Stellen untereinander vor allem deshalb an, weil eine Verjährung in kürzerer Frist dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung widerstreitet (BVerwGE 132, 324, 328 f.). Darum geht es bei Ansprüchen des Berechtigten gegen den Verfügungsberechtigten und die mit ihm haftenden Stellen aus § 6 Abs. 6a Sätze 4 und 5 VermG aF nicht. Auf diese Ansprüche kann die Verjährungsfrist nach § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht entsprechend angewendet werden. Diese Frist soll nur für den Anspruch auf Herausgabe, nicht für Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche aus dem Eigentum gelten (Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts [fortan Entwurfsbegründung] in BT-Drucks. 14/6040 S. 105 f.). Sie ist deshalb auch auf sonstige Ansprüche aus dem Eigentum nicht anzuwenden (Erman/J. Schmidt-Räntsch, BGB , 13. Aufl., § 197 Rn. 6; NK-BGB/Mansel/Stürner, 2. Aufl., § 197 Rn. 24, 26, 29, 35). Das gilt auch für Ansprüche auf ein Surrogat für das Eigentum (NK-BGB/Mansel/ Stürner, 2. Aufl., § 197 Rn. 35; aM MünchKomm-BGB/Grothe, 6. Aufl., § 195 Rn. 41).

cc) Die danach an sich geltende regelmäßige Verjährungsfrist, die entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht durch die Ausschlussfrist nach § 6 Abs. 6a Satz 4 Halbsatz 2 VermG verdrängt wird (Senat, Urteile vom 25. Februar 2005 - V ZR 105/04, [...] Rn. 19 und vom 4. Februar 2011 V ZR 134/10, NJW-RR 2011, 1031 Rn. 26 für § 7 Abs. 8 VermG ), wäre hier, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, abgelaufen.

b) Nicht geteilt werden kann aber seine Ansicht, Ansprüche nach § 6 Abs. 6a VermG unterlägen der Verjährungsfrist von 30 Jahren gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB nur, wenn sie durch ein Gericht rechtskräftig festgestellt sind. Auf diese Ansprüche ist § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB entsprechend anzuwenden, wenn sie durch Restitutionsbescheid bestandskräftig festgestellt sind.

aa) Bestandskräftig festgestellte Ansprüche werden von der Vorschrift des § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB nach ihrem Wortlaut nicht erfasst. Sie spricht mit dem Begriff der "rechtskräftigen" Feststellung in erster Linie die Feststellung des Anspruchs durch staatliche Gerichte an, weil nur deren Entscheidung in Rechtskraft erwachsen (Erman/J. Schmidt-Räntsch, BGB , 13. Aufl., § 197 Rn. 10 f.). Die Vorschrift erfasst allerdings auch Entscheidungen anderer Stellen, wenn sie einem staatlichen Gericht vergleichbar unabhängig sind (Senat, Beschluss vom 7. Juli 2004 - V ZB 61/03, NJW-RR 2004, 1578 , 1579; Münch-Komm-BGB/Grothe, 6. Aufl., § 197 Rn. 17). Gedacht ist dabei vornehmlich an Entscheidungen ausländischer Gerichte, die im Inland anzuerkennen sind, oder die Urteile von Schiedsgerichten (JurisPK/Lakkis, BGB , 6. Aufl., § 197 Rn. 18 f.). Zu solchen Stellen gehört eine Verwaltungsbehörde nicht. Dafür kommt es nicht darauf an, ob und in welchem Umfang sie unbeeinflusst von Weisungen vorgesetzter Stellen entscheiden kann. Mit § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB hat der Gesetzgeber die Regelung in § 218 BGB aF inhaltlich unverändert übernommen (Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 14/6040 S. 106). Diese Vorschrift war auf Verwaltungsbehörden nicht anzuwenden. Das folgte daraus, dass § 220 Abs. 1 BGB aF die entsprechende Anwendung von § 218 BGB auf die Feststellung von Ansprüchen durch Verwaltungsbehörden ausdrücklich anordnete, was eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift des § 218 Abs. 1 BGB aF auf die bestandskräftige behördliche Feststellung von Ansprüchen ausschloss. Dieses Begriffsverständnis liegt auch der Vorschrift des § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB zugrunde, die deshalb auf die bestandskräftige Feststellung von Ansprüchen durch Verwaltungsakt nicht unmittelbar angewendet werden kann.

bb) Das bedeutet aber nicht, dass solche Ansprüche ungeachtet ihrer bestandskräftigen Feststellung durch Verwaltungsakt weiterhin der ohne diese Feststellung geltenden Verjährungsfrist unterlägen, hier der regelmäßigen Verjährungsfrist. Für sie ist zwar die Geltung der Verjährungsfrist von 30 Jahren nicht ausdrücklich angeordnet. Auf sie ist aber § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB entsprechend anzuwenden.

(1) Das Fehlen einer ausdrücklichen Regelung dieses Inhalts ist eine unbeabsichtigte Lücke.

(a) Der Gesetzgeber hat sich bei der Reform des Verjährungsrechts durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts für die Beibehaltung der Verjährungsfrist von 30 Jahren für titulierte Ansprüche entschieden, weil er meinte, dass die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren dem Gläubiger keine angemessenen Chance zur Durchsetzung seiner Ansprüche biete, und weil er den Gläubiger nicht dazu zwingen wollte, durch von vornherein erfolglose Vollstreckungsversuche den Neubeginn der Verjährung nach § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB zu erzwingen (Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 14/6040 S. 106). Diese Begründung trifft für alle titulierten Ansprüche ohne Unterschied zu, auch für durch bestandskräftigen Verwaltungsakt festgestellte Ansprüche. Dem hatte der Gesetzgeber bis zum Inkrafttreten der Reform in der Weise Rechnung getragen, dass die dem heutigen § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB entsprechende Regelung in § 218 BGB aF nach § 220 Abs. 1 BGB aF auf solche Ansprüche entsprechend anzuwenden war.

(b) Diese Regelung hat der Gesetzgeber zwar nicht in das seit dem 1. Januar 2002 geltende Verjährungsrecht übernommen. Grund dafür war aber nicht, dass er eine solche Gleichstellung nicht mehr für sachlich berechtigt hielt, sondern die Überzeugung, die frühere Regelung habe keinen praktischen Anwendungsbereich mehr, weil das Verwaltungsvorverfahren mit dem heutigen § 204 Abs. 1 Nr. 12 BGB ausreichend geregelt und die endgültige Bescheidung zivilrechtlicher Ansprüche den Gerichten vorbehalten sei (Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 14/6040 S. 116 zu Nummer 11 i.V.m. dem Verweis auf Palandt/Heinrichs, BGB , 61. Aufl., § 220 Rn. 1). Das traf weitgehend, jedoch gerade nicht für den hier zu beurteilenden Bereich des Vermögensrechts zu. Über die Ansprüche nach dem Vermögensgesetz entscheiden, von hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen, nicht unmittelbar die Gerichte, sondern die zuständigen Verwaltungsbehörden. Das galt bei Bestandskräftigwerden des Restitutionsbescheids vom 25. April 1994, auf den die vorliegende Klage gestützt ist, nicht nur (wie noch heute) für den Anspruch auf Auskehrung des Veräußerungserlöses nach § 6 Abs. 6a Satz 4 VermG aF, sondern (anders als heute gemäß § 6 Abs. 6a Satz 5 VermG ) auch für den Anspruch auf Zahlung des Verkehrswerts nach § 6 Abs. 6a Satz 5 VermG aF. Das führt dazu, dass nach dem Wortlaut des § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB für solche Ansprüche auch nach bestandskräftiger Feststellung weiterhin die regelmäßige Verjährungsfrist gilt. Daran ändert auch nichts, dass § 53 VwVfG sowohl in seiner vor dem 1. Januar 2002 als auch in seiner seitdem geltenden Fassung für durch Verwaltungsakt titulierte Ansprüche eine Verjährungsfrist von 30 Jahren vorsieht. Denn diese galt und gilt nur für Ansprüche des Staats gegen den Bürger, nicht für die Restitutionsansprüche der nach § 2 Abs. 1 VermG Berechtigten. Dass den Inhabern solcher titulierter Ansprüche damit nur die nach der Überzeugung des Gesetzgebers unzureichende regelmäßige Verjährungsfrist zur Durchsetzung ihrer Ansprüche verbleibt, widerspricht dem Plan des Gesetzes. Danach sollte es für titulierte Ansprüche bei der schon im bisherigen Recht vorgesehenen Verjährungsfrist von 30 Jahren bleiben. Dieses Ergebnis stellte die Restitutionsgläubiger auch vor ein ungewolltes Dilemma: Die erreichte Titulierung ihrer Ansprüche wäre für sie unter Verjährungsgesichtspunkten wertlos. Die angemessen lange Verjährungsfrist von 30 Jahren können sie aber nicht erreichen, weil ihnen die erfolgte Titulierung das Rechtsschutzinteresse an der Anrufung der Gerichte nimmt. Eröffnete man ihnen dennoch den Zugang zu den Gerichten, erwiese sich die Anrufung der Verwaltungsbehörde, die sie für die hier zu beurteilenden Ansprüche nach § 6 Abs. 6a Sätze 4 und 5 VermG aF nicht vermeiden konnten, als wenig zweckmäßig. Statt der beabsichtigten Beschleunigung der Entscheidung ergäbe sich die Notwendigkeit einer doppelten Rechtsverfolgung. Das ist ersichtlich weder gewollt noch sachgerecht.

(2) Dem Plan des Gesetzgebers entspricht es vielmehr, die entstandene Lücke durch eine entsprechende Anwendung von § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB zu füllen.

(a) Die Lücke könnte durch die entsprechende Anwendung entweder von § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB oder von § 53 Abs. 1 VwVfG gefüllt werden. Die entsprechende Anwendung sowohl der einen als auch der anderen Vorschrift führt zu einem dem Plan des Gesetzes entsprechenden Ergebnis, nämlich dass auch für die durch bestandskräftigen Restitutionsbescheid titulierten Ansprüche eine Verjährungsfrist von 30 Jahren gilt. Für die entsprechende Anwendung von § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB sprechen die überzeugenderen Gründe.

(b) Diese Lösung entspricht dem früheren Recht, das das Regelungsproblem in dem bereits erwähnten § 220 Abs. 1 BGB aF durch die entsprechende Anwendung des dem heutigen § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB entsprechenden § 218 BGB aF löste. Der Gesetzgeber hat sich bei der Verjährungsfrist für titulierte Ansprüche und bei der technischen Ausgestaltung des Verjährungsrechts eng an das frühere Recht gehalten. Er hätte sich deshalb auch insoweit an dem Vorbild des § 220 Abs. 1 BGB aF orientiert, wäre ihm das Regelungsproblem bewusst gewesen. Dem steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber die in § 197 BGB bestimmten Verjährungsfristen als Ausnahmetatbestände verstanden hat. Dieser Umstand gebietet zwar Zurückhaltung bei der entsprechenden Anwendung auf andere Tatbestände. Er steht ihr aber auch nicht entgegen, wenn das - wie hier - dem der Ausnahmevorschrift zugrunde liegenden engeren Regelungskonzept entspricht (BGH, Urteil vom 19. November 1957 VIII ZR 409/56, BGHZ 26, 78, 83; Senat, Beschluss vom 7. Juli 2004 V ZB 61/03, NJW-RR 2004, 1578 , 1579; BAG, NJW 1969, 74; BayObLG, NJW 2000, 1875 , 1876). Für die entsprechende Anwendung von § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB spricht ferner, dass die Feststellung von Restitutionsansprüchen durch das zuständigen Vermögensamt funktionell der Feststellung von Ansprüchen durch ein Gericht und nicht der in § 53 VwVfG geregelten Selbsttitulierung staatlicher Ansprüche durch Leistungsbescheid entspricht.

4. Der Anspruch der Kläger ist auch nicht nach Maßgabe von § 6 Abs. 6a Satz 4 Halbsatz 2 VermG ausgeschlossen. Diese Ausschlussfrist gilt nach Art. 7 Abs. 2 Satz 1 des Wohnraummodernisierungsgesetzes für die Ansprüche der Kläger nicht, weil über diese bereits vor dessen Inkrafttreten bestandkräftig entschieden worden ist. Außerdem hat sie nicht begonnen, weil es an dem dafür erforderlichen Hinweis des Verfügungsberechtigten fehlt.

III.

Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil das Berufungsgericht aus seiner Sicht folgerichtig die erforderlichen Feststellungen nicht getroffen hat. Sie ist deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

1. Die gegen die Schlüssigkeit der Klage erhobenen Einwände der Beklagten sind nur hinsichtlich des Erlöses aus dem Kaufvertrag vom 13. Februar 1995 begründet. Dieser Vertrag betrifft ein Grundstück, das in dem Bescheid nicht aufgeführt worden ist. Über den Erlös aus diesem Verkauf ist nicht im vorliegenden Rechtsstreit, sondern im Verwaltungsverfahren vor der Restitutionsbehörde zu entscheiden.

2. Es wird sodann zu prüfen sein, welche der mit dem Vertrag vom 25. Juni 1991 verkauften Flächen restitutionsbelastet waren und welchen Anteil die nicht restitutionsbelasteten Flächen, ausgehend von den Flächenwerten, an dem Gesamtkaufpreis hatten. Sollte dieser Anteil, wie die Beklagte meint, höher sein als von dem Landgericht angesetzt, reduzierte das die Klageforderung. In dem von den Klägern behaupteten umgekehrten Fall ergäbe sich demgegenüber eine Erhöhung der Verurteilung.

3. Ob die von der Beklagten erklärte Aufrechnung mit Gegenforderungen aus § 6 Abs. 6a Satz 2 VermG begründet ist, ist nicht im vorliegenden Rechtsstreit, sondern im Verwaltungsverfahren vor der Restitutionsbehörde zu entscheiden.

4. In der neuen Entscheidung müsste der Beklagten aber im Hinblick auf die Wirkung der Aufrechnung nach § 389 BGB gemäß § 302 ZPO die Aufrechnung mit einem Anspruch nach § 6 Abs. 6a Satz 2 VermG vorbehalten werden, soweit dessen Bestehen schlüssig dargelegt ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 1955 - I ZR 106/53, BGHZ 16, 124, 142). Daran fehlt es bislang.

a) Der Anspruch nach § 6 Abs. 6a Satz 2 VermG kann zwar nach Art. 7 Abs. 2 des Wohnraummodernisierungssicherungsgesetzes auch im Fall der Kläger bestehen, weil über den Restitutionsantrag der GmbH bislang nur teilweise abschließend entschieden worden ist und die Abtretung erst nach dem Inkrafttreten von § 6 Abs. 6a Satz 2 VermG am 24. Juli 1997 wirksam geworden ist. Er ist aber bislang insbesondere hinsichtlich etwaiger grundstücksbezogener Verbindlichkeiten nicht schlüssig dargelegt.

b) Er stünde zudem nicht der Beklagten, sondern der M. AG zu. Gläubiger des Anspruchs ist der Verfügungsberechtigte, weil er bezweckt, diesem das Substrat für die Haftung gegenüber seinen Gläubigern teilweise zu erhalten. Verfügungsberechtigte ist aber nicht die Beklagte, sondern die M. AG, weil es ihre Grundstücke waren und sie diese auch selbst verkauft hat. Daran ändert weder der Umstand etwas, dass der Restitutionsbescheid eine Verfügungsberechtigung der Beklagten annimmt, noch der Umstand, dass die Beklagte möglicherweise auf Grund einer Haftungsübernahme anstelle oder neben der M. AG haftet. Für das vorliegende Verfahren ist nur der Ausspruch des Bescheids bindend, nicht seine Begründung. Nach § 417 Abs. 1 Satz 2 BGB kann der Übernehmer einer Schuld nicht mit einer Forderung aufrechnen, die dem bisherigen Schuldner zusteht.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 12. April 2013

Vorinstanz: LG Berlin, vom 05.08.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 31 O 159/09
Vorinstanz: KG Berlin, vom 11.08.2011 - Vorinstanzaktenzeichen 22 U 157/10
Fundstellen
MDR 2013, 965