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BGH - Entscheidung vom 07.03.2013

VII ZR 68/10

Normen:
BGB § 138 Abs. 1 Bb, § 632 Abs. 2
VOB/B (2000) § 2 Nr. 6 Abs. 2
VOB/B § 2 Nr. 5
VOB/B § 2 Nr. 6
VOB/B § 2 Nr. 8 Abs. 2 S. 1

Fundstellen:
BauR 2013, 1116
MDR 2013, 706
NJW 2013, 1950
NJW 2013, 6
NZBau 2013, 366
NZBau 2013, 6
WM 2014, 134
ZfBR 2013, 456

BGH, Urteil vom 07.03.2013 - Aktenzeichen VII ZR 68/10

DRsp Nr. 2013/7390

Vergütung für im Vertrag nicht vereinbarte Ausführungsleistungen bei einem auffälligen, wucherähnlichen Missverhältnis der Vergütung zu diesen Leistungen unter dem Blickwinkel der Sittenwidrigkeit

a) Steht die nach § 2 Nr. 6 Abs. 2 VOB/B zu bestimmende Vergütung für im Vertrag nicht vorgesehene Leistungen, die zur Ausführung der vertraglichen Leistung erforderlich werden, in einem auffälligen, wucherähnlichen Missverhältnis zu diesen Leistungen, kann die der Preisbildung zugrunde liegende Vereinbarung sittenwidrig und damit nichtig sein.b) Beträgt die nach § 2 Nr. 6 Abs. 2 VOB/B zu bestimmende Vergütung nahezu das Achtfache des ortsüblichen und angemessenen Preises, kann ein auffälliges Missverhältnis vorliegen. Ein auffälliges Missverhältnis ist nur dann wucherähnlich, wenn der aufgrund dieses auffälligen Missverhältnisses über das übliche Maß hinausgehende Preisanteil sowohl absolut gesehen als auch im Vergleich zur Gesamtauftragssumme in einer Weise erheblich ist, dass dies von der Rechtsordnung nicht mehr hingenommen werden kann. Unter diesen Voraussetzungen besteht eine Vermutung für ein sittlich verwerfliches Gewinnstreben des Auftragnehmers.c) An die Stelle der nichtigen Vereinbarung über die Vergütung tritt die Vereinbarung, die Leistungen nach dem üblichen Preis zu vergüten (Fortführung von BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 - VII ZR 201/06, BGHZ 179, 213 ).

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 7. April 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Normenkette:

VOB/B § 2 Nr. 5 ; VOB/B § 2 Nr. 6 ; VOB/B § 2 Nr. 8 Abs. 2 S. 1;

Tatbestand

Die Klägerin macht Restwerklohn geltend. Sie wurde von der Beklagten im Rahmen der Sanierung eines Krankenhauses mit Trockenbauarbeiten beauftragt. Die VOB/B (Stand 2000; im Folgenden nur: VOB/B ) ist Bestandteil des Vertrages. Abzurechnen ist nach Einheitspreisen. Im Leistungsverzeichnis sind unter anderem folgende Positionen enthalten:

04.05.11 Wanddurchführungen, Ständerwände, Zulage; Wanddurchführungen in Trockenbauständerwänden durch Herstellen des Ausschnitts sowie des elastischen Anschlusses durchführender Leitungen, Kanäle und dergleichen; als Zulage; Größe; 20/20-40/40 cm; 50 Stück á 67,99 € = 3.399,50 €.

04.05.12 Rundloch für Dosen und dergleichen; Rundloch in Gipskarton- bzw. Gipsfaserplatten für Elektrosteckdosen oder ähnliches bohren; Durchmesser: ca. 80 mm, 1250 Stück á 0,05 € = 62,50 €.

In ihren Schlussrechnungen, die zusammen ein Volumen von etwa 1.125.000 € betrugen, rechnete die Klägerin insgesamt 4.725 Stück Wanddurchführungen zu je 65,50 € pro Stück zuzüglich Umsatzsteuer unter einer Position 04.05.11A ab. Dem lag zugrunde, dass sie in dieser Anzahl sowohl runde als auch eckige Wanddurchführungen in einer Größe bis zu 20 x 20 cm, jedoch mit einem größeren Durchmesser als 80 mm hergestellt hatte. Den Schlussrechnungen war ein Schreiben der im Namen der Beklagten handelnden P. GmbH bezüglich dieser Arbeiten vorausgegangen, worin es unter anderem hieß:

"Die Leistung ist in ihrer Ausführung als LV-Position nicht enthalten, so dass es sich erforderlich macht, diese über eine entsprechende Nachtragsposition zu regeln. Wir fordern Sie im Namen des Bauherrn auf, hierfür ein entsprechendes Nachtragsangebot mit einem prüffähigen Kalkulationsnachweis ... einzureichen ... ."

Hierauf reagierte die Klägerin mit Nachtragsangebot vom 18. April 2005, in dem sie die Position entsprechend der späteren Abrechnung in den Schlussrechnungen anbot.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Einheitspreis für die Nachtragsposition sei nach Maßgabe der Urkalkulation des Hauptvertrages unter Berücksichtigung der vergleichbaren Position 04.05.11 zu berechnen. Denn die Leistungen seien mit Ausnahme der Größe der Wanddurchführungen identisch. In beiden Fällen seien bereits vorhandene Leitungen, Rohre, Kanäle oder ähnliches in die Trockenbauwände einzubinden gewesen. Für die Wanddurchführungen aus der Position 04.05.11 habe sie mit einem Zeitaufwand von 136 Minuten pro Öffnung kalkuliert. Wegen der etwas kleineren Öffnungen habe sie diesen Aufwand für die Nachtragsposition um fünf Minuten gekürzt und sei bei einem Lohn von 30 € pro Stunde so zu dem Einheitspreis von 65,50 € gelangt. Demgegenüber sei entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung die ausgeschriebene Position 04.05.12 nicht vergleichbar. Das dort vorgesehene Bohren von Rundlöchern erfolge nach Herstellung der Montage der Gipskartonplatten und führe damit zu keiner Unterbrechung im Montageablauf. Auch seien Anzeichnen und Messen entbehrlich.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 37.981,98 € nebst Zinsen unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt. Die Berufung der Klägerin, mit der sie die Zahlung von insgesamt 355.767,43 € nebst Zinsen verlangt hat, blieb erfolglos. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge aus der Berufungsinstanz weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die mit der streitigen Position der Schlussrechnung abgerechnete Leistung weder auf einer Änderung des Bauentwurfs beruhe noch ihr eine andere Anordnung des Auftraggebers im Sinne des § 2 Nr. 5 VOB/B zugrunde liege. Ebenso wenig könne dem Antrag der Klägerin auf der Grundlage des § 2 Nr. 6 VOB/B entsprochen werden. Zwar liege eine typische Zusatzleistung vor, weil die streitgegenständliche Leistung zur Herbeiführung der von der Beklagten beabsichtigten Sanierung notwendig gewesen sei. Die Leistung sei jedoch nicht Gegenstand des zwischen den Parteien zustande gekommenen Vertrages über die Trockenbauarbeiten geworden. Denn sie sei aus der Ausschreibung nicht ersichtlich gewesen; dementsprechend habe sich das Angebot der Klägerin hierauf auch nicht bezogen. Eine über das Leistungsverzeichnis hinausgehende Ausführung sei deshalb nicht geschuldet gewesen.

Die Klägerin habe jedoch gemäß § 2 Nr. 8 Abs. 2 Satz 1 VOB/B einen Anspruch auf Vergütung für die Herstellung der 4.725 Stück Wanddurchführungen mit einer Größe bis zu 20 x 20 cm. Die Beklagte habe die zusätzliche Leistung der Klägerin mit der in ihrem Namen erklärten Aufforderung der P. GmbH zur Erstellung eines Nachtragsangebots vom 12. April 2005 nachträglich anerkannt. Deshalb gelte gemäß § 2 Nr. 8 Abs. 2 Satz 3 VOB/B für die Angemessenheit der Vergütung § 2 Nr. 6 VOB/B entsprechend. Die danach zu berechnende Vergütung sei aus der Urkalkulation abzuleiten. Hierfür sei auf die Position 04.05.11 des Leistungsverzeichnisses des Vertrages zurückzugreifen. Denn nach den Ausführungen des Sachverständigen seien die Leistungen vergleichbar, weil in beiden Fällen die Wanddurchführungen vor dem Montieren der Platten angezeichnet und hergestellt würden. Auch habe die Klägerin in beiden Positionen nach dem erforderlichen Zeitaufwand kalkuliert. Gleichwohl habe die Klägerin keinen Anspruch auf eine Fortschreibung des Preises aus der Position 04.05.11. Die Bindung an den alten Preis finde dort ihre Grenze, wo das Ausmaß der Mehrleistung jeden äquivalenten Rahmen sprenge. Das sei jedenfalls der Fall, wenn die Änderung mehr als 30 % der Vertragsvergütung ausmache. Dieser Ausnahmefall liege hier vor. Die Mehrleistung (4.725 Stück) überschreite die Leistung, die der Kalkulation der Klägerin zu der Position 04.05.11 zugrunde gelegen habe (50 Stück), um nahezu das 100-fache. Daher schulde die Beklagte lediglich die ortsübliche und angemessene Vergütung, die der Sachverständige zutreffend mit 6,44 € brutto für kreisrunde und 9,64 € brutto für rechteckige Wanddurchführungen ermittelt und die das Landgericht mit einem Mittelwert jedenfalls nicht zum Nachteil der Klägerin der Berechnung des noch zuerkannten Betrages zugrunde gelegt habe.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.

1. Im Ansatz zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass der geltend gemachte Vergütungsanspruch für die ausgeführten 4.725 Stück Wanddurchführungen mit einer Größe bis zu 20 x 20 cm gemäß § 2 Nr. 8 Abs. 2 Satz 1, Satz 3 VOB/B i.V.m. § 2 Nr. 6 Abs. 2 Satz 1 VOB/B begründet sein kann.

a) Die von der Klägerin ausgeführten weiteren 4.725 Stück Wanddurchführungen in der Größe bis zu 20 x 20 cm sind nach der vertretbaren und von den Parteien im Tatsächlichen nicht angegriffenen Würdigung des Berufungsgerichts Leistungen im Sinne des § 2 Nr. 8 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 1 VOB/B . Nach diesen Regelungen muss es sich um Leistungen handeln, die der Auftragnehmer ohne Auftrag (oder was hier nicht in Betracht kommt unter eigenmächtiger Abweichung vom Auftrag) ausgeführt hat. Leistungen ohne Auftrag in diesem Sinne sind jedenfalls auch die nicht vereinbarten Leistungen im Sinne von § 1 Nr. 4 Satz 1 VOB/B . Das sind solche Leistungen, die zur Ausführung der vertraglichen Leistung, nämlich des geschuldeten Werkerfolgs, erforderlich, jedoch von der auf die einzelnen Ausführungsleistungen bezogenen Vergütungsvereinbarung nicht erfasst sind. Reichen die vertraglich vereinbarten Ausführungsleistungen, die im Einheitspreisvertrag zugleich der Bemessung der Vergütung dienen, nicht aus, um den vertraglich geschuldeten Erfolg herbeizuführen, gestattet § 1 Nr. 4 Satz 1 VOB/B dem Auftraggeber, einseitig zu verlangen, dass die zur Erreichung des geschuldeten Erfolgs erforderlichen weiteren Leistungen vom Auftragnehmer durchgeführt werden (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 1996 - VII ZR 233/94, BGHZ 131, 392 , 399). Als Ausgleich hierfür gewährt § 2 Nr. 6 Abs. 1 Satz 1 VOB/B dem Auftragnehmer einen Anspruch auf eine besondere, im Vertrag bisher nicht vereinbarte, (zusätzliche) Vergütung. Sie bestimmt sich nach § 2 Nr. 6 Abs. 2 Satz 1 VOB/B .

Fehlt es an der Forderung dieser im Vertrag nicht vereinbarten Ausführungsleistung durch den Auftraggeber, kann gleichwohl ein Vergütungsanspruch bestehen. Er ist in den Fällen der in § 2 Nr. 8 Abs. 2 Satz 1 VOB/B genannten Anerkennung durch den Auftraggeber gerechtfertigt, weil sie nachträglich dessen fehlende Veranlassung ersetzt.

b) Die Leistung, deren Vergütung hier in Streit steht, ist eine solche im Sinne von § 1 Nr. 4 Satz 1 VOB/B . Sie war zur Ausführung der vertraglichen Leistung erforderlich. Zwar hat das Berufungsgericht angenommen, sie sei nicht Gegenstand des zwischen den Parteien ursprünglich geschlossenen Vertrags über die Trockenbauarbeiten gewesen. Soweit es damit gemeint haben sollte, der ursprünglich von der Klägerin geschuldete Werkerfolg sei auch ohne Herstellung dieser Wanddurchführungen mangelfrei erreichbar gewesen, wäre dies jedoch rechtsfehlerhaft. Denn das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die streitgegenständliche Leistung zur Herbeiführung der von der Beklagten beabsichtigten Sanierung notwendig gewesen ist. Die Wanddurchführungen waren passend zu den Installationen von Leitungen, Kanälen und ähnlichem an den von der Klägerin aufzustellenden Trockenbauständerwänden vor deren Einbau herzustellen. Damit konnten die der Klägerin übertragenen Trockenbauarbeiten nicht sinnvoll ohne diese Wanddurchführungen erbracht werden. Es ist unerheblich, dass diese Leistung im Einzelnen der Ausschreibung nicht entnommen werden konnte. Dieser Umstand hat nur Bedeutung für die Frage, ob und wie die Leistung zu vergüten ist.

c) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, die Beklagte habe die zusätzliche Leistung der Klägerin mit der in ihrem Namen erklärten Aufforderung der P. GmbH zur Erstellung eines Nachtragsangebots vom 12. April 2005 im Sinne von § 2 Nr. 8 Abs. 2 Satz 1 VOB/B nachträglich anerkannt. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung steht dem nicht entgegen, dass die Beklagte bei ihrer Aufforderung zur Abgabe eines Nachtragsangebots mit der von der Klägerin gewünschten Vergütung in Anlehnung an die Position 04.05.11 nicht einverstanden war. Davon sind das vom Berufungsgericht zu Recht als entscheidend angesehene Einverständnis mit der Leistung und die Billigung als in den Vertrag einbezogen nicht in Frage gestellt.

d) Bei den in Rede stehenden Leistungen handelt es sich nach allem um Leistungen, die nach § 2 Nr. 6 Abs. 2 VOB/B zu vergüten sind.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die nach § 2 Nr. 6 VOB/B zu berechnende Vergütung aus der Urkalkulation abzuleiten. Hierfür sei auf die Position 04.05.11 des Leistungsverzeichnisses des Vertrages zurückzugreifen. Denn nach den Ausführungen des Sachverständigen seien die Leistungen vergleichbar, weil in beiden Fällen die Wanddurchführungen vor dem Montieren der Platten angezeichnet und hergestellt würden. Auch habe die Klägerin in beiden Positionen nach dem erforderlichen Zeitaufwand kalkuliert. Letzteres sei damit die Grundlage der Preisermittlung für die vertragliche Leistung, die von der Klägerin ihrer Klageforderung zu Recht zugrunde gelegt worden sei.

Diese Beurteilung ist in der Revision von keiner Partei angegriffen worden. Sie beruht auch auf Grundsätzen, die der herrschenden Meinung in der Literatur entsprechen (Nachweise bei Althaus, BauR 2012, 359 ff.). Zutreffend ist das Berufungsgericht auf dieser Grundlage davon ausgegangen, dass § 2 Nr. 6 Abs. 2 VOB/B in der Weise anzuwenden ist, dass die Vergütung aus dem vereinbarten Preis einer vergleichbaren Position des Leistungsverzeichnisses abzuleiten ist. Denn dies entspricht dem übereinstimmenden Verständnis der Parteien von dem Inhalt dieser Klausel der als Allgemeine Geschäftsbedingungen vereinbarten VOB/B . Die Beklagte hatte die Klägerin deshalb aufgefordert, hierfür ein Nachtragsangebot mit einem prüffähigen Kalkulationsnachweis einzureichen. Die Klägerin hatte dem entsprochen. Die Parteien haben - auch im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren - nur darüber gestritten, welches die zutreffende Vergleichsposition aus dem Leistungsverzeichnis ist. Damit kommt es nicht darauf an, wie eine objektive Auslegung des § 2 Nr. 6 Abs. 2 VOB/B vorzunehmen wäre. Haben die Vertragsparteien eine Klausel übereinstimmend in einem bestimmten Sinne verstanden, so geht dieser übereinstimmende Wille nicht nur der Auslegung einer Individualvereinbarung, sondern auch der Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen vor (BGH, Versäumnisurteil vom 16. Juni 2009 - XI ZR 145/08, BGHZ 181, 278 Rn. 16 m.w.N.).

2. Das Berufungsgericht vertritt die Auffassung, die Bindung an den alten Preis finde dort ihre Grenze, wo das Ausmaß der Mehrleistung jeden äquivalenten Rahmen sprenge. Das sei jedenfalls der Fall, wenn die Änderung mehr als 30 Prozent der Vertragsvergütung ausmache. Diese Auffassung kann so nicht geteilt werden. Das Berufungsgericht lässt nicht erkennen, aus welchem Grund es die Bindung an den vereinbarten Preis nicht mehr für gegeben hält. Der Hinweis auf Kapellmann/Messerschmidt, VOB Teile A und B, 4. Aufl., § 2 VOB/B Rn. 217, und auf die große Mengenmehrung, die allerdings irrtümlich auf das 1.000-fache angesetzt wird, lässt vermuten, dass das Berufungsgericht die Voraussetzungen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage annehmen will. Insoweit ist das Berufungsurteil jedoch nicht ausreichend begründet. Die Voraussetzungen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ergeben sich aus § 313 Abs. 1 und 2 BGB . Geschäftsgrundlage sind die bei Vertragsschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien oder die dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Vertragspartei von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf dieser Vorstellung aufbaut (BGH, Urteil vom 30. Juni 2011 - VII ZR 13/10, BGHZ 190, 212 Rn. 21). Grundsätzlich ist es möglich, dass die Parteien bestimmte Vorstellungen zu der tatsächlichen Menge der unter Position 04.05.11 ausgeschriebenen oder einer vergleichbaren Leistung entwickelt haben, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 23. März 2011 - VII ZR 216/08, BauR 2011, 1162 = NZBau 2011, 353). Diese Vorstellungen müssten sich als falsch herausgestellt haben. Die Parteien müssten, wenn sie dies vorausgesehen hätten, den Vertrag anders geschlossen haben. Eine Anpassung des Vertrages kann zudem nur gefordert werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Zu diesen Voraussetzungen hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Allein der Umstand, dass die einer Position zugrunde gelegte Menge drastisch überschritten wird, begründet nicht den Wegfall der Geschäftsgrundlage. Insbesondere gibt es keinen vom Einzelfall unabhängigen Prozentsatz der Vertragsvergütung, der die Annahme rechtfertigt, eine bestimmte Menge sei Geschäftsgrundlage des Vertrages geworden (so aber Kapellmann/Messerschmidt, VOB Teile A und B, 4. Aufl., § 2 VOB/B Rn. 217; Leinemann/Schoofs, VOB/B , 4. Aufl., § 2 Rn. 215: Wegfall der Geschäftsgrundlage bei einer Änderung, die mehr als 30 % der Vertragsvergütung ausmacht). Auch hat das Berufungsgericht nicht begründet, warum es den Vertrag in der vorgenommenen Weise anpasst.

3. Das Berufungsgericht erhält durch die Aufhebung und Zurückverweisung Gelegenheit, die notwendigen Feststellungen zu treffen und insoweit erneut zu entscheiden. Dabei wird es jedoch zuvor zu prüfen haben, ob der von der Klägerin verlangte Preis schon deshalb nicht gefordert werden kann, weil die ihm zugrunde liegende Preisvereinbarung nichtig ist.

Der geltend gemachte Zahlungsanspruch besteht nicht, wenn die Vereinbarung, auf der Grundlage des in der Position 04.05.11 vereinbarten Einheitspreises eine Vergütung nach den Grundlagen der Preisermittlung für die vertragliche Leistung und den besonderen Kosten der geforderten Leistung zu bestimmen, sittenwidrig und nichtig ist, § 138 Abs. 1 BGB . Das kommt in Betracht.

a) Der Senat hat bereits entschieden, dass die Prüfung der Sittenwidrigkeit auf die Vereinbarung einzelner Einheitspreise und auch auf die Vereinbarung der Preisbildung für den Fall der Mengenmehrung beschränkt werden kann. Denn diese Vereinbarungen bilden Teile des Rechtsgeschäfts, deren Sittenwidrigkeit unabhängig davon beurteilt werden kann, ob die sonstigen Regelungen des Rechtsgeschäfts sittenwidrig sind. Bei der Beurteilung kommt es maßgeblich darauf an, welcher Preis im Vertrag vereinbart ist und wie sich dieser Preis auf die neue Vergütung auswirkt (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 - VII ZR 201/06, BGHZ 179, 213 Rn. 9). In der Rechtsprechung ist es anerkannt, dass die Vereinbarung eines Preises gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig sein kann, wenn der Preis in einem auffälligen Missverhältnis zur Gegenleistung steht. Dafür erforderlich ist sowohl ein objektiv auffälliges, wucherähnliches Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung als auch das Hinzutreten subjektiver Umstände, wie zum Beispiel das Zutagetreten einer verwerflichen Gesinnung des Begünstigten (BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 VII ZR 201/06, aaO Rn. 11 m.w.N.). Dabei sind die subjektiven Umstände des Tatbestandes des § 138 Abs. 1 BGB häufig einem direkten Nachweis nicht zugänglich und können oft nur aus den objektiven Umständen erschlossen werden, wobei in manchen Fallgestaltungen Art und Ausmaß der objektiven Umstände eine Vermutung für das Vorliegen auch der subjektiven Tatbestandsmerkmale begründen (BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 - VII ZR 201/06, aaO Rn. 11 m.w.N.).

Hiervon ausgehend hat der Senat angenommen, jedenfalls eine entweder auf § 2 Nr. 3 oder § 2 Nr. 5 VOB/B gegründete Vereinbarung der Parteien, für Mehrmengen eine (im Vergleich zum üblichen und angemessenen Preis) um mehr als das Achthundertfache und damit außerordentlich überhöhte Vergütung festzulegen, begründe die Vermutung, ihr liege ein sittlich verwerfliches Gewinnstreben des Auftragnehmers zugrunde. Diese Vermutung gründet sich auf die Besonderheiten des Bauvertrages. Die Vereinbarung eines außerordentlich überhöhten Preises für Mehrmengen fußt auf der Vereinbarung eines außerordentlich überhöhten Einheitspreises in der dem Preisanpassungsverlangen zugrunde liegenden Position des Leistungsverzeichnisses. Regelmäßig beruht die Vereinbarung dieses Einheitspreises auf einem entsprechenden Angebot des Auftragnehmers, dem das Leistungsverzeichnis zum Zwecke der Bepreisung übergeben worden ist. In dem Fall, dass der Auftragnehmer in einer Position des Leistungsverzeichnisses einen außerordentlich überhöhten Einheitspreis angegeben hat, besteht die widerlegbare Vermutung, dass er in dieser Position auf eine Mengenmehrung hofft und durch Preisfortschreibung auch für diese Mengenmehrung einen außerordentlich überhöhten Preis erzielen will. Die vertragsuntypische Spekulation des Auftragnehmers durch Einsatz deutlich überhöhter Einheitspreise ist regelmäßig mit der Erwartung verbunden, einen außerordentlichen Gewinn zu erzielen, der andererseits zu nicht eingeplanten Mehrkosten bei dem Auftraggeber führt, denen kein entsprechender Gegenwert gegenübersteht. Regelmäßig beruht die Bildung überhöhter Preise auch auf einem nicht offengelegten Informationsvorsprung des Auftragnehmers, der Anlass zu der Spekulation gibt, sei es die auf Tatsachen oder Erfahrungssätze gegründete Erwartung oder sogar die Gewissheit von Mengenmehrungen. Dieses Verhalten eines späteren Auftragnehmers widerspricht eklatant dem gesetzlichen Leitbild eines Vertrages, das - nicht anders als die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen - einen fairen, von Treu und Glauben geprägten Leistungsaustausch im Blick hat, vgl. § 157 BGB . Es begründet die Vermutung, der Auftraggeber, der über entsprechende Informationen möglicherweise nicht verfügt oder die mit der Preisgestaltung verfolgte Absicht im Einzelfall nicht erkennt, solle aus sittlich verwerflichem Gewinnstreben übervorteilt werden (BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 - VII ZR 201/06, aaO Rn. 15).

b) Vergleichbares gilt für die Vereinbarung einer Vergütung für im Vertrag nicht vorgesehene Leistungen, die zur Ausführung der vertraglichen Leistung erforderlich werden (§ 1 Nr. 4 Satz 1, § 2 Nr. 6 Abs. 2 , Nr. 8 Abs. 2 VOB/B ).

Der Senat hat es in seinem Urteil vom 18. Dezember 2008 ( VII ZR 201/06, aaO) für unerheblich gehalten, ob das auffällige Missverhältnis zwischen neu ermitteltem Preis und Gegenleistung auf einer Mengenmehrung im Sinne von § 2 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B oder einer Änderung des Bauentwurfs oder anderen Anordnungen im Sinne von § 2 Nr. 5 VOB/B beruht. Mit der Möglichkeit des Eintritts jeder der Varianten rechnen die Parteien eines Bauvertrages von vorherein, was sich an der entsprechenden vorsorglichen Vereinbarung der Vergütung zeigt. Deshalb ist auch die Annahme der Vermutung gerechtfertigt, ein sittlich verwerfliches Gewinnstreben liege der Preisbildung zugrunde, wenn sie zu einem außerordentlich überhöhten Preis führt. Gleiches gilt für die (vorsorgliche) Vereinbarung der Vergütung für (bisher) im Vertrag nicht vorgesehene, aber erforderliche Leistungen. Auch mit der Möglichkeit einer derartigen Änderung rechnen die Parteien eines Bauvertrages aufgrund der allgemeinen Erfahrungen von vornherein, weshalb sie mit der VOB/B hierfür ebenfalls bereits eine Vergütungsvereinbarung treffen. Auch auf diese im Rahmen der vertraglichen Leistung erforderlich werdenden Änderungen können sie deshalb in gleicher Weise spekulieren.

c) Der für die zusätzlichen Leistungen geforderte, nach § 2 Nr. 6 Abs. 2 VOB/B berechnete Preis beträgt 359.005 € brutto (4.725 x 65,50 € zuzüglich 16 % Umsatzsteuer). Der vom Sachverständigen ermittelte ortsübliche und angemessene Preis für rechteckige Ausschnitte beträgt 45.549 € (4.725 x 9,64 € brutto). Der geltend gemachte Preis beträgt damit nahezu das Achtfache des üblichen Preises. Ein solches Verhältnis stellt auch unter Berücksichtigung von gewissen Schwankungen zwischen einzelnen Einheitspreisen im Vergleich zu üblichen Preisen, die sich bei den ursprünglich ausgeschriebenen Mengen häufig ausgleichen werden, ein auffälliges Missverhältnis dar. Dieses ist auch wucherähnlich. Für diese Feststellung bedarf es allerdings einer zusätzlichen Kontrolle, ob der aufgrund dieses auffälligen Missverhältnisses über das übliche Maß hinausgehende Preisanteil sowohl absolut gesehen als auch im Vergleich zu Gesamtauftragssumme in einer Weise erheblich ist, dass dies von der Rechtsordnung nicht mehr hingenommen werden kann. Denn obwohl die einzelne Preisermittlungsregelung für sich genommen an dem Maßstab der Sittenwidrigkeit zu messen ist, kann von einer wucherähnlichen Auswirkung nur gesprochen werden, wenn der Werklohn insgesamt in nennenswerter Weise beeinflusst wird, die zugleich auch die Vermutung sittlich verwerflichen Gewinnstrebens trägt. Dabei kommt in Betracht, dass je größer der absolute Betrag ist, desto kleiner die relative Überschreitung sein kann, bis zu der die Auswirkungen noch hingenommen werden können. Hier beträgt die absolute Überschreitung des Preises 313.456 €, das sind nahezu 39 % der Gesamtabrechnungssumme bei Ansatz der üblichen Preise (1.125.000 € - 313.456 € = 811.544 €). Beide Werte sind jedenfalls ausreichend erheblich, ohne dass feste Grenzwerte bestimmt werden müssten.

d) Das auffällige und wucherähnliche Missverhältnis begründet die Vermutung, der Auftraggeber solle aus sittlich verwerflichem Gewinnstreben übervorteilt werden. Diese Vermutung ist widerlegbar (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 VII ZR 201/06, aaO Rn. 16 ff.). Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden. Der Klägerin ist Gelegenheit zu geben, zur Vermutung ihrer verwerflichen Gesinnung Stellung zu nehmen und diese zu widerlegen. Bisher steht nur fest, dass die Klägerin ihren Preis so hoch kalkuliert hat, weil sie 131 Minuten Arbeitszeit pro Ausschnitt angesetzt hat, während nach dem Sachverständigengutachten hierfür regelmäßig tatsächlich nur 15 Minuten Arbeitszeit gebraucht werden. Das ist für sich genommen nicht geeignet, die Vermutung zu widerlegen.

III.

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin: Für den Fall, dass das Berufungsgericht die Sittenwidrigkeit der Vergütungsvereinbarung für die in Rede stehenden Leistungen bejaht, tritt an die Stelle der nichtigen Vereinbarung zur Vergütung die Vereinbarung, die Leistungen nach den üblichen Einheitspreisen zu vergüten (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 - VII ZR 201/06, aaO Rn. 29 ff.). Entgegen der Ansicht der Revision ist das Berufungsgericht verfahrensfehlerfrei davon ausgegangen, dass die vom Landgericht ermittelte Höhe der ortsüblichen und angemessenen Vergütung für die in Rede stehenden Leistungen jedenfalls nicht zu Ungunsten der Klägerin unzutreffend ist. Der gerügte Gehörsverstoß liegt nicht vor. Mit ihrer Berufungsbegründung hat die Klägerin die Anhörung des Sachverständigen nur noch zu der Frage begehrt, ob die Leistungen mit der ausgeschriebenen Position 04.05.11 vergleichbar seien. Die Ermittlung der Höhe der ortsüblichen Vergütung hat sie dagegen nicht mehr angegriffen. Das Berufungsgericht war deshalb zu einer Anhörung des Sachverständigen zu diesem Punkt nicht verpflichtet.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 7. März 2013

Vorinstanz: LG Mühlhausen, vom 20.05.2009 - Vorinstanzaktenzeichen 1 HKO 124/06
Vorinstanz: OLG Jena, vom 07.04.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 7 U 499/09
Fundstellen
BauR 2013, 1116
MDR 2013, 706
NJW 2013, 1950
NJW 2013, 6
NZBau 2013, 366
NZBau 2013, 6
WM 2014, 134
ZfBR 2013, 456