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BGH - Entscheidung vom 12.03.2013

VIII ZB 42/12

Normen:
ZPO § 514 Abs. 2 S. 1

BGH, Beschluss vom 12.03.2013 - Aktenzeichen VIII ZB 42/12

DRsp Nr. 2013/6225

Statthaftigkeit der Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil

Es gereicht dem Prozessbevollmächtigten zum der vertretenen Partei gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden an der Versäumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung, wenn die Verfügung zur Eintragung des Verhandlungstermins nicht den Erledigungsvermerk der hierfür zuständigen, erfahrenen Mirtarbeiterin, sondern einer Auszubildenden trägt und der Rechtsanwalt die Ausführung nicht kontrolliert hat, obwohl sich angesichts eines lediglich neben der Anweisung zur Notierung einer Frist, nicht aber neben der Anweisung zur Notierung des Termins angebrachten Erledigungsvermerks aufdrängen musste, dass diese nicht ausgeführt worden war. Dies gilt umso mehr, wenn bereits ein Versäumnisurteil ergangen war und die Gefahr eines zweiten, nur noch beschränkt anfechtbaren Versäumnisurteils bestand.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 3. Juli 2012 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 117.000 €

Normenkette:

ZPO § 514 Abs. 2 S. 1;

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die teilweise Rückerstattung des Kaufpreises für Holzverarbeitungsmaschinen. Das Landgericht hat die Klage durch Versäumnisurteil abgewiesen. Auf den Einspruch der Klägerin hat das Landgericht mit Verfügung vom 8. November 2011, die dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 14. November 2011 zugestellt worden ist, Termin zur Verhandlung über den Einspruch und die Hauptsache sowie für die Güteverhandlung auf den 14. Dezember 2011 bestimmt. Im Termin vom 14. Dezember 2011 ist für die Klägerin - erneut - niemand erschienen. Daraufhin hat das Landgericht den Einspruch der Klägerin durch zweites Versäumnisurteil verworfen.

Die Klägerin hat Berufung eingelegt, mit der sie geltend gemacht hat, ihr Prozessbevollmächtigter sei ohne eigenes Verschulden am Erscheinen im Termin vom 14. Dezember 2011 gehindert gewesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.

1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO ). Sie ist jedoch unzulässig, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordern (§ 574 Abs. 2 ZPO ).

2. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das zweite Versäumnisurteil des Landgerichts mit Recht als unzulässig verworfen.

Die Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil ist nur insoweit statthaft, als sie darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe (§ 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO ). Von der Schlüssigkeit der Darlegung hängt schon die Zulässigkeit des Rechtsmittels ab (BGH, Urteil vom 25. November 2008 - VI ZR 317/07, NJW 2009, 687 Rn. 6 zu § 565 i.V.m. § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO ). Die Klägerin hat, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, keine Tatsachen schlüssig vorgetragen, welche die Annahme rechtfertigen würden, dass ihr Prozessbevollmächtigter den Verhandlungstermin vor dem Landgericht am 14. Dezember 2011 unverschuldet versäumt hätte. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Säumnis auf einem Verschulden des Prozessbevollmächtigten beruht, das sich die Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.

Die Klägerin hat geltend gemacht, die Versäumung des Termins beruhe darauf, dass der Termin nicht im Kalender eingetragen gewesen sei, obwohl ihr Prozessbevollmächtigter seiner zuverlässigen, seit rund 20 Jahren für ihn tätigen Sekretariatsleiterin S. die schriftliche Weisung erteilt habe, den Termin zu notieren. Diese habe die Weisung jedoch nicht selbst ausgeführt, sondern sie - weisungswidrig - an die Auszubildende D. weitergegeben, die es versäumt habe, den Verhandlungstermin in den Kalender einzutragen. Frau S. habe dies nicht kontrolliert. Dieses Vorbringen entlastet den Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht.

a) Im Einzelnen trägt die Klägerin vor, dass ihrem Prozessbevollmächtigten am 14. November 2011 die Ladung zum Termin mit der Aufforderung zugestellt worden sei, bis zum 23. November 2011 mitzuteilen, ob zu dem Termin ein Dolmetscher für die polnische Sprache geladen werden solle. Am gleichen Tag habe ihr Prozessbevollmächtigter folgende, sodann zu der Akte genommene schriftliche Anweisung diktiert:

"Verhandlungstermin auf den 14. Dezember, 14.00 Uhr, notieren. Prüfen ob eine Terminkollision besteht, ich denke ja, mich ansprechen. Frist notieren 23.11. Vorfrist 17.11. Mir den Ordner gleich wieder geben.

14.11. u.d."

Nach Kenntnisnahme von der auf den 17. November 2011 eingetragenen Vorfrist habe er die Mitarbeiterin S. angewiesen, ihm die Akte vorzulegen; dies sei allerdings erst am 23. November 2011 geschehen. Nach Einsicht in die Akte habe er die Mitarbeiterin angesichts des bevorstehenden Fristablaufs und unter Hinweis auf diesen angewiesen, die Notwendigkeit der Bestellung eines Dolmetschers sofort telefonisch mit dem polnischen Korrespondenzanwalt zu klären und das Ergebnis dem Gericht anschließend sofort telefonisch mitzuteilen. Frau S. habe jedoch die Erledigung auch dieses Auftrags versäumt.

b) Es kann dahingestellt bleiben, ob dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin in Anbetracht der dargelegten Umstände, wie das Berufungsgericht gemeint hat, ein Organisationsverschulden zur Last fällt. Das Vorbringen der Klägerin ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde jedenfalls nicht geeignet, ihren Prozessbevollmächtigen von dem vom Berufungsgericht ebenfalls bejahten Vorwurf eigenen Verschuldens zu entlasten.

Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass für den Prozessbevollmächtigten eine weitere Sachbearbeitung bei Wiedervorlage der Akte am 23. November 2011 ohne Anknüpfung an die Verfügung vom 14. November 2011 praktisch nicht möglich war. Denn nur aus dieser Verfügung konnte der Prozessbevollmächtigte erkennen, aus welchem Grund er die Eintragung einer Vorfrist auf den 17. November und einer Frist auf den 23. November 2011 verfügt hatte und was daher nun zu tun war. Aus dem Fristenkalender war dies nicht ersichtlich. Dies wird auch von der Rechtsbeschwerde nicht in Frage gestellt. Somit ist davon auszugehen, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin seine Verfügung angesehen hat, als ihm die Akte zur Weiterbearbeitung wieder vorgelegt wurde.

Gegenteiliges behauptet auch die Klägerin nicht. Sie macht nur geltend, dass ihr Prozessbevollmächtigter bei Einsicht in die Akte den Erledigungsvermerk der Auszubildenden "nicht zur Kenntnis genommen" habe. Darin besteht gerade das dem Prozessbevollmächtigten vorzuwerfende Versäumnis. Mit Recht hat das Berufungsgericht das Verschulden des Prozessbevollmächtigten damit begründet, dass diesem beim Einblick in seine Verfügung hätte auffallen müssen, dass der Erledigungsvermerk auf dieser Verfügung nicht das Handzeichen der zuständigen Mitarbeiterin S. , sondern (nur) das der Auszubildenden enthielt. Denn dieser Erledigungsvermerk war nicht zu übersehen. Der Prozessbevollmächtigte hätte sich deshalb vergewissern müssen, ob der Termin am 14. November 2011 von der dafür nicht zuständigen und von ihm damit auch nicht beauftragten Auszubildenden tatsächlich eingetragen worden war. Dies gilt umso mehr, als bereits ein Versäumnisurteil gegen die Klägerin ergangen war und deshalb mit besonderer Sorgfalt darauf zu achten war, dass gegen die Klägerin kein zweites, nur noch beschränkt anfechtbares Versäumnisurteil ergehen würde.

Es geht hier also nicht, wie die Rechtsbeschwerde meint, etwa darum, dass der Prozessbevollmächtigte verpflichtet gewesen wäre, die gesamte Akte daraufhin durchzusehen, ob und von wem seine Verfügung vom 14. November 2011 ausgeführt worden war. Vielmehr musste er nur in diese Verfügung Einblick nehmen, weil dies unumgänglich war, um die Akte sachgerecht weiterbearbeiten zu können. Dabei hätte sich ihm aufdrängen müssen, dass seine Verfügung weisungswidrig nicht von der Mitarbeiterin S. , der er die Anweisung erteilt hatte und die dafür auch allein zuständig war, ausgeführt worden war, sondern - nach dem Erledigungsvermerk - von der Auszubildenden D. . Das hätte ihm Anlass zur Nachfrage geben müssen, ob der Verhandlungstermin von der Auszubildenden tatsächlich eingetragen worden war.

Daran bestanden - für den Prozessbevollmächtigten ersichtlich - Zweifel. Zum einen ist der Erledigungsvermerk der Auszubildenden nur neben der Anweisung zur Fristeintragung angebracht, nicht aber (auch) neben der Anweisung zur Eintragung des Verhandlungstermins, so dass unklar ist, ob er sich überhaupt auf diese in der Verfügung weiter oben stehende Anweisung beziehen soll. Schon das hätte dem Prozessbevollmächtigten Anlass zur Klärung geben müssen.

Zum anderen war für ihn aus seiner Verfügung ersichtlich, dass seine Anweisung bezüglich der Terminseintragung jedenfalls zu einem Teil nicht ausgeführt worden war. Weil der Prozessbevollmächtigte, wie in der Verfügung vermerkt, für den 14. Dezember 2011 eine Terminkollision vermutete, hatte er seine Mitarbeiterin S. ausdrücklich angewiesen, dies zu überprüfen und ihn darauf anzusprechen. Die Klägerin trägt nicht vor, dass die Mitarbeiterin S. dies getan hätte. Das liegt auch fern, weil die Mitarbeiterin S. die Ausführung der Verfügung der Auszubildenden übertragen hatte. Dem Prozessbevollmächtigten hätte deshalb beim Einblick in seine Verfügung bewusst werden müssen, dass die Frage der Terminkollision (noch) nicht mit ihm besprochen worden war. Auch aus diesem Grund hatte er Anlass, entweder bei seiner Mitarbeiterin S. nachzufragen oder selbst im Kalender nachzusehen, ob der Verhandlungstermin in dieser Sache mit einem anderen Termin kollidierte. Hätte er dies getan, wäre ihm selbst oder seiner Mitarbeiterin S. bei Einblick in den Kalender aufgefallen, dass der Verhandlungstermin von der Auszubildenden nicht eingetragen worden war.

Vorinstanz: LG Mosbach, vom 14.12.2011 - Vorinstanzaktenzeichen 4 O 1/11
Vorinstanz: OLG Karlsruhe, vom 03.07.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 8 U 6/12