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BGH - Entscheidung vom 07.03.2013

III ZR 160/12

BGH, Urteil vom 07.03.2013 - Aktenzeichen III ZR 160/12

DRsp Nr. 2013/6024

Schadensersatzanspruch im Zusammenhang mit einer Anlageberatung wegen unterbliebener Aufklärung über eine Provision oder Rückvergütung wegen eines gezeichneten Fonds

Ein selbständiges Unternehmen der "Finanzgruppe" einer Bank, das als 100 %-ige Tochtergesellschaft hauptsächlich auf dem Gebiet der Anlageberatung tätig ist, ist hinsichtlich der Verpflichtung, seine Kunden ungefragt über die von ihm bei der empfohlenen Anlage erwartete Provision aufzuklären, wie ein freier Anlageberater zu behandeln. Bei gebotener typisierender Betrachtungsweise ist einem Anleger auch bei einer solchen Anlageberatung bewusst, dass der Berater Provision seitens der Kapitalsuchenden erhält, zumal er keine Vergütung für die Anlageberatung selbst, die Verwaltung von Konten oder sonstige Dienstleistungen seitens des Anlegers erhält. Ein Anleger hat damit auch bei der Beratung durch eine "Banktochter" kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass diese kein Geld seitens des Kapitalsuchenden für die Vermittlung des jeweiligen Anlageprodukts erhält.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 19. April 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatz aus einer angeblich fehlerhaften Kapitalanlageberatung im Zusammenhang mit der Beteiligung an einem Schiffsfonds.

Die Klägerin beteiligte sich nach Beratungsgesprächen im September 2008 mit Zeichnungsschein vom 16. September 2008 über eine Treuhandkommanditistin an der "MS GmbH & Co. KG" mit einer Beteiligungssumme von 100.000 € zuzüglich 5 % Agio. Die Beratung erfolgte durch einen Mitarbeiter der c. AG. Bei dieser Aktiengesellschaft handelte es sich um eine 100 %-ige Tochter der beklagten Bank, die inzwischen auf letztere verschmolzen worden ist. Die Klägerin stand mit der Beklagten in einer dauerhaften Geschäftsbeziehung und unterhielt dort ein Tagesgeldkonto. Aufgrund dieser Geschäftsbeziehung trat die c. AG mit der Klägerin unaufgefordert telefonisch in Kontakt und fragte, ob Interesse an einer finanziellen Beratung bestehe. Die c. AG erhielt von dem Fondsinitiator unter Einschluss des Agio von 5 % eine Vermittlungsprovision von insgesamt 13 % auf die Zeichnungssumme, mithin 13.000 €. Hiervon flossen 5.850 € an den die Beratung durchführenden Mitarbeiter P. .

Die Klägerin macht unter anderem geltend, dass sie nicht über die Provisionen aufgeklärt worden sei und die Anlage nicht gezeichnet hätte, wenn sie das konkrete Provisionsinteresse von 13.000 € der c. AG und des die Beratung durchführenden Mitarbeiters gekannt hätte. Sie begehrt im Wesentlichen die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 125.000 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Abtretung sämtlicher Ansprüche aus der Treugeberbeteiligung an dem Fonds.

Das Landgericht hat der Klage weitgehend stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg.

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat die c. AG ihre Pflichten aus dem mit der Klägerin geschlossenen Anlageberatungsvertrag verletzt. Dafür müsse die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der c. AG einstehen. Die schadensersatzbegründende Aufklärungspflichtverletzung habe hier in Bezug auf die Aufklärung über die erhaltene Rückvergütung vorgelegen. Zwar sei die c. AG keine Bank gewesen, sie sei aber aus der für die Erkennbarkeit eines Provisionsinteresses maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Kunden nicht als von der beklagten Bank im Unternehmensverbund unabhängig wahrgenommen worden. Sie sei unter derselben Corporate identity wie die beklagte Bank aufgetreten und unter Nutzung der Daten der Beklagten an deren Kunden herangetreten. Die c. AG habe auch Werbung betrieben, mit der sie sich gerade nicht als im Unternehmensverbund von der beklagten Bank unabhängig dargestellt habe. Die Beklagte könne sich auch nicht auf die in Bezug auf freie, nicht bankmäßig gebundene Berater ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs berufen. Es handele sich bei der c. AG nämlich um eine 100 %-ige Bankentochter.

Die Behauptung der Beklagten, der Berater habe der Klägerin erklärt, die c. AG erhalte ihre Vergütung nicht durch die Beklagte, sondern ausschließlich über Provisionen, die jeweils abhängig vom Produktgeber an die c. AG entrichtet würden, sei nicht bewiesen. Unstreitig sei jedoch, dass die Klägerin erst durch Schreiben der c. AG vom 17. März 2010 über die konkrete Höhe der an die c. AG geflossene Rückvergütung aufgeklärt worden sei.

Unabhängig davon habe die c. AG ihre Pflichten aus dem Anlageberatungsvertrag mit der Klägerin jedenfalls deshalb verletzt, weil sie irreführende Angaben zur Vertriebsprovision gemacht und diese nicht rechtzeitig richtiggestellt habe. Die Klägerin habe Kenntnis gehabt, dass sie bei Zeichnung des streitgegenständlichen Schiffsfonds ein Agio von 5 % zu entrichten gehabt habe. Über dieses Agio sei anlässlich des Beratungsgesprächs ausdrücklich gesprochen worden. Vor diesem Hintergrund habe die Klägerin keinen Anlass gehabt anzunehmen, dass zusätzlich zu der Außenprovision von 5 % noch eine Innenprovision von 8 % an die c. AG fließen würde. Der als Zeuge vernommene Berater P. habe nicht bestätigt, dass über die Innenprovision aufgeklärt worden sei.

II.

Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Mit der Begründung des Berufungsgerichts lassen sich Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die Beklagte nicht begründen.

1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht der Klägerin kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte wegen einer unterbliebenen Aufklärung über eine Provision oder Rückvergütung wegen des gezeichneten Fonds zu. Eine solche Pflicht bestand für die c. AG nicht.

a) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats ist ein freier nicht bankmäßig gebundener Anlageberater nicht verpflichtet, den Anleger ungefragt über den Umstand und die Höhe einer Provision aufzuklären. Für den Anleger liegt es bei einer Beratung durch einen freien Anlageberater auf der Hand, dass dieser von der kapitalsuchenden Anlagegesellschaft Vertriebsprovisionen erhält, die jedenfalls wirtschaftlich betrachtet dem vom Anleger an die Anlagegesellschaft gezahlten Betrag entnommen werden. Da der Anlageberater mit der Beratung als solcher sein Geld verdienen muss, kann berechtigterweise nicht angenommen werden, dass er diese Leistung insgesamt kostenlos erbringt. Sind ein Agio oder Kosten für die Eigenkapitalbeschaffung ausgewiesen, so liegt für den Anleger klar erkennbar zutage, dass aus diesen Mitteln auch Vertriebsprovisionen bezahlt werden, an denen sein Anlageberater partizipiert. Unter diesen Umständen besteht regelmäßig kein schützenswertes Vertrauen des Anlegers darauf, dass der Anlageberater keine Leistungen des Kapitalsuchenden erhält; vielmehr sind dem Anleger sowohl die Provisionsvergütung des Beraters durch den Kapitalsuchenden als auch der damit (möglicherweise) verbundene Interessenkonflikt bewusst. Soweit es um die genaue Höhe der dem Anlageberater zukommenden Provision geht, ist es bei gebotener Abwägung der gegenüberstehenden Interessen der Vertragsparteien Sache des Anlegers - dem generell das Provisionsinteresse des Beraters bekannt ist -, dieserhalb bei den Anlageberatern nachzufragen (vgl. nur Senatsurteil vom 19. Juli 2012 - III ZR 308/11, NJW 2012, 2952 Rn. 12 mwN).

b) Ein selbständiges Unternehmen der "Finanzgruppe" einer Bank, das als 100 %-ige Tochtergesellschaft hauptsächlich auf dem Gebiet der Anlageberatung tätig ist, ist hinsichtlich der Verpflichtung, seine Kunden ungefragt über die von ihm bei der empfohlenen Anlage erwartete Provision aufzuklären, wie ein freier Anlageberater zu behandeln (vgl. Senatsurteil vom 19. Juli 2012 aaO Rn. 14). Bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise kann ein Anleger, der sich durch einen solchen Anlageberater über Anlagemöglichkeiten beraten lässt, nicht berechtigterweise annehmen, der Anlageberater würde diese Leistung kostenlos erbringen. Dabei ist in den Vordergrund zu stellen, dass es sich in diesen Fällen bei den Beratern um selbständige juristische Personen handelt, die selbst kein Kreditinstitut sind und keine "klassischen" Bankgeschäfte betreiben. Sie sind, ungeachtet des Umstands, dass sie zur "Finanzgruppe" der Bank gehören - was zum Beispiel durch die Verwendung des Firmenlogos betont werden kann - und ihre Kunden im Wesentlichen aus dem Kundenstamm der Bank gewinnen, ein eigenständiges Unternehmen, zu dessen Haupttätigkeit - nicht anders als bei sogenannten "freien" Anlageberatern - die Beratung bei der Geldanlage gehört. Bei gebotener typisierender Betrachtungsweise ist einem Anleger auch bei einer solchen Anlageberatung bewusst, dass der Berater Provision seitens der Kapitalsuchenden erhält, zumal er keine Vergütung für die Anlageberatung selbst, die Verwaltung von Konten oder sonstige Dienstleistungen seitens des Anlegers erhält. Ein Anleger hat damit auch bei der Beratung durch eine "Banktochter" kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass diese kein Geld seitens des Kapitalsuchenden für die Vermittlung des jeweiligen Anlageprodukts erhält (Senatsurteil aaO).

2. Die Bewertung des Berufungsgerichts, die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe irreführende Angaben zu Vertriebsprovisionen gemacht, hält der rechtlichen Nachprüfung ebenfalls nicht stand.

Allerdings trifft es zu, dass irreführende oder unrichtige Angaben zur Vertriebsprovision generell gegen die Pflichten eines Anlageberaters verstoßen und gegebenenfalls rechtzeitig richtigzustellen sind (vgl. Senatsurteil vom 3. März 2011 - III ZR 170/10, NJW-RR 2011, 913 Rn. 21). Derartige Pflichtverstöße lassen sich den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht entnehmen.

Der Umstand, dass der Berater P. bei dem Beratungsgespräch erklärt hat, dass die c. AG grundsätzlich unabhängig, also nicht von irgendwelchen Produkten abhängig sei und sich an den Kundeninteressen orientiere, ist insoweit ohne Aussagekraft. Damit wird nur betont, dass es sich bei der c. AG nicht um einen bloßen Anlagevermittler, sondern um einen selbständigen und unabhängigen Vermögensberater handelte. Eine Pflicht zur ungefragten Aufklärung über erwartete Provisionen folgt hieraus nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats gerade nicht.

Eine konkrete Nachfrage der Klägerin zu den Provisionserwartungen der c. AG hat es nicht gegeben. Wenn, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, bei dem Beratungsgespräch ausdrücklich auch über das Agio gesprochen worden ist, so mag die Klägerin hieraus den Schluss gezogen haben beziehungsweise (berechtigterweise) habe ziehen dürfen, dass das Agio an den Anlageberater zurückfließen würde. Dies rechtfertigte allerdings nicht den weitergehenden Schluss, der Rechtsvorgängerin der Beklagten würde keinesfalls eine das Agio überschreitende Provision zustehen (vgl. Senatsurteil vom 6. Dezember 2012 - III ZR 311/11, Rn. 17). Vielmehr hat ein Kunde, so er Interesse an der genauen Höhe der dem Anlageberater zufließenden Provision, auch in einem solchen Fall entsprechende Nachfrage zu halten (vgl. Senatsurteil vom 3. März 2011 aaO Rn. 21, 24).

3. Das Urteil ist daher aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da die Sache noch nicht zur Entscheidung reif ist (§ 562 Abs. 1 , § 563 Abs. 1 ZPO ). Das Berufungsgericht wird sich mit den weiter geltend gemachten Aufklärungspflichtverletzungen und den Einwendungen der Beklagten auseinanderzusetzen haben, wozu Stellung zu nehmen der Senat im derzeitigen Verfahrensstadium keinen Anlass hat.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 7. März 2013

Vorinstanz: LG München I, vom 07.11.2011 - Vorinstanzaktenzeichen 35 O 26391/10
Vorinstanz: OLG München, vom 19.04.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 29 U 4693/11