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BGH - Entscheidung vom 16.04.2013

X ZB 3/12

Normen:
PatG § 100 Abs. 3 Nr. 3, 6

BGH, Beschluss vom 16.04.2013 - Aktenzeichen X ZB 3/12

DRsp Nr. 2013/8178

Rechtsbeschwerde wegen angeblicher Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bei Streit über die Ablehnung eines Patents bzgl. eines Verfahrens zum Betreiben einer Windenergieanlage

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 19. Senats (Technischen Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 29. Februar 2012 wird auf Kosten des Anmelders zurückgewiesen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 25.000 € festgesetzt.

Normenkette:

PatG § 100 Abs. 3 Nr. 3 , 6;

Gründe

I. Das Deutsche Patent- und Markenamt hat die am 20. April 2001 eingereichte Patentanmeldung des Rechtsbeschwerdeführers durch Beschluss vom 9. Juli 2008 mit der Begründung zurückgewiesen, der Gegenstand des Anspruchs sei gegenüber dem Stand der Technik nicht neu.

Der Anmelder hat gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt und beantragt, das Patent nach den von ihm in der mündlichen Verhandlung vor dem Patentgericht eingereichten Ansprüchen zu erteilen.

Patentanspruch 1 lautet danach:

"Verfahren zum Betreiben einer Windenergieanlage mit einem von einem Rotor antreibbaren elektrischen Generator zum Abgeben elektrischer Leistung an einen elektrischen Verbraucher, insbesondere ein elektrisches Netz, dadurch gekennzeichnet, dass die von dem Generator an den Verbraucher abgegebene Leistung in Abhängigkeit von einem an dem Verbraucher abgegebenen Strom geregelt wird, dass bei einem Kurzschluss im Netz die Windenergieanlage weiterhin Leistung an das Netz abgibt, dass im Falle des Kurzschlusses im Netz der an das Netz abgegebene elektrische Strom mittels einer, einen Mikroprozessor aufweisenden Regelungseinrichtung auf einen vorgegebenen Wert (Imax) begrenzt wird, und die Windenergieanlage im Falle des Kurzschlusses im Netz in dieses einen Strom einspeist und dass bei mehrphasigen Systemen abgegebene Ströme jeder Phase den vorgebbaren Wert nicht überschreiten."

Das Patentgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen.

Mit der nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde rügt der Anmelder, der angefochtene Beschluss beruhe auf einer Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör und sei nicht im rechtlich gebotenen Maß mit Gründen versehen.

II. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil der Anmelder Rechtsbeschwerdegründe im Sinne von § 100 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 6 PatG geltend macht. Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet, weil keine der erhobenen Rügen durchgreift.

1. Das Patentgericht ist davon ausgegangen, dass sich das Patent mit dem technischen Problem befasst, ein Verfahren zum Betreiben einer Windenergieanlage anzugeben, bei dem Schwankungen im Netz so weit als möglich entgegengewirkt wird. Die im Anspruch angegebene Regelung der Leistung meine eine Stromregelung, die die an den Verbraucher abgegebene Leistung so beeinflusse, dass der Strom auf den vorgegebenen Maximalwert begrenzt werde. Der Kurzschluss werde in der Beschreibung als beispielhafte Ursache einer Netzstörung genannt, die zum Abschalten der Windenergieanlage führe. Als Abschaltkriterien kenne der Fachmann bestimmte Grenzwerte für die Spannung und die Frequenz. Ein Kurzschluss im Netz führe zu einer Störung, jedoch nicht notwendig, sondern nur dann zur Abschaltung der Windenergieanlage, wenn an der Einspeisestelle die Abschaltkriterien erreicht werden. Im Stand der Technik zeige die deutsche Patentanmeldung 197 19 308 (Entgegenhaltung E1) eine Windenergieanlage mit einer Regelung zur Strombegrenzung, die bei jedem auftretenden Überstrom wirke. Die Strombegrenzung arbeite unabhängig von der Ursache des Überstroms, also auch bei Überströmen, die während eines weiter entfernten und daher nicht zur Abschaltung führenden Kurzschlusses im Netz aufträten. Dass die Stromregelung nach Anspruch 1 mittels einer einen Mikroprozessor aufweisenden Regelungseinrichtung erfolge und der Strom bei mehrphasigen Systemen für jede Phase geregelt werde, könne mangels erfinderischer Tätigkeit die Patentfähigkeit nicht begründen.

2. Die Rechtbeschwerde sieht durch diese Ausführungen den Anspruch des Anmelders auf rechtliches Gehör verletzt. Das Patentgericht habe die entscheidende Passage des als Anlage D4 vorgelegten Vertrags zwischen den Betreibern einer Windkraftanlage und der R. , den fünften Absatz auf Seite 3, übergangen. Aus dieser Stelle ergebe sich, was das Patentgericht nicht berücksichtigt habe, dass bei einem Kurzschluss die Windenergieanlage wegen des damit verbundenen schnellen Spannungsabfalls und des entsprechend starken Stromanstiegs sofort mit dem vorgeschriebenen Leistungsschalter vom Netz getrennt werden müsse. Das Patentgericht habe es überdies versäumt, darauf hinzuweisen, dass aus seiner Sicht die vom Anmelder vorgelegten Unterlagen nicht ausreichten, um nachzuweisen, dass weltweit alle Windenergieanlagen bei einem Kurzschluss sofort zum Netz zu trennen seien.

Mit dieser Rüge ist eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht aufgezeigt. Aus dem Zusammenhang der Ausführungen des Patentgerichts ergibt sich, dass es sich mit dem Inhalt der Anlage D4 insgesamt befasst hat. Das Patentgericht hat unter II 3 der Gründe sein Verständnis des Begriffs "Kurzschluss" in Anspruch 1 erläutert und dargelegt, dass dieser, nicht anders als jede andere Störung im Netz, dann, aber auch nur dann zum Abschalten der Windenergieanlage führe, wenn Spannung und Frequenz an der Einspeisestelle bestimmte Grenzwerte unteroder überschreiten. Ob dies bei einem Kurzschluss der Fall sei, hänge von der Entfernung zwischen der Stelle des Netzes, an welcher der Kurzschluss auftrete, und der Einspeisestelle der Windenergieanlage ab, weil die Änderungen in Spannung, Frequenz und Strom, die sich als Folge eines Kurzschlusses ergeben, mit zunehmender Entfernung abnähmen. In diesem Zusammenhang hat das Patentgericht unter anderem auf die auf Seite 3 der Anlage D4 genannten Grenzwerte Bezug genommen. Es hat aus diesen Überlegungen gefolgert, dass es keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen Kurzschluss im Netz und Abschaltung der Windenergieanlage gebe und ist unter II 7 der Gründe der abweichenden Auffassung des Anmelders ausdrücklich entgegengetreten. Für den vom Anmelder vermissten Hinweis auf die Erforderlichkeit weiterer Belege bestand demnach kein Anlass. Das Patentgericht hat die Auffassung des Anmelders nicht als nicht hinreichend nachgewiesen angesehen, sondern sie aus den von ihm dargelegten technischen Gründen für unzutreffend erachtet. Danach gibt es keinen Anhalt dafür, das Patentgericht habe den Vortrag des Anmelders nicht aufgenommen, ein Kurzschluss im Netz führe notwendig zur Trennung der Windenergieanlage vom Netz. Dass es ihm in der Sache nicht gefolgt ist, begründet keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.

3. Die Rechtsbeschwerde macht weiter geltend, der angefochtene Beschluss beruhe auf einer Verletzung des Anspruchs des Anmelders auf rechtliches Gehör, weil das Patentgericht nicht aufgenommen und verarbeitet habe, dass der Anmelder sein Schutzbegehren im Laufe des Erteilungsverfahrens geändert, nämlich auf den besonderen Störfall des Kurzschlusses konkretisiert habe. Zugleich sei die angefochtene Entscheidung insoweit nicht mit Gründen versehen.

Auch diese Rüge bleibt ohne Erfolg. Die Rechtsbeschwerde zeigt keine konkreten Anhaltspunkte dafür auf, dass das Patentgericht die Anspruchsänderung nicht aufgenommen hätte. Das liegt bereits deshalb fern, weil das Patentgericht den geänderten Anspruch unter I der Gründe zutreffend wiedergegeben und ausdrücklich erwähnt hat, dass es diese Fassung der Anträge zugrunde legt, die am 29. Februar 2012 überreicht worden ist. Etwas anderes ergibt sich im Übrigen auch nicht aus den Ausführungen unter II der Gründe. Soweit die Rechtsbeschwerde die Besonderheit eines Kurzschlusses darin sehen will, dass es sich um einen extrem schweren und außergewöhnlichen Störfall handele, hat das Patentgericht dieses Argument, wie sich insbesondere aus dem zweiten Satz der Gründe unter II 7 ergibt, aufgenommen und sich damit auseinandergesetzt. Es hält dem (unter II 3 und 7 der Gründe) entgegen, dass die Folgen eines Kurzschlusses also die Auswirkungen auf Spannung und Frequenz mit zunehmender Entfernung abnähmen und sich für den Fachmann aus der Anmeldung kein Hinweis darauf ergebe, dass es in ihr nur um Kurzschlüsse gehe, die in unmittelbarer Nähe zur Einspeisestelle auftreten.

Damit ist weder eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör noch eine fehlende Begründung der angefochtenen Entscheidung dargetan.

Vorinstanz: BPatG, vom 29.02.2012 - Vorinstanzaktenzeichen (pat) 68/08