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BGH - Entscheidung vom 25.06.2013

X ZR 52/12

Normen:
PatG § 4

BGH, Urteil vom 25.06.2013 - Aktenzeichen X ZR 52/12

DRsp Nr. 2013/20946

Patentfähigkeit eines Patents betreffend die Verschlussfolie von Getränkebehältern

Der Gegenstand eines Patentanspruchs ist nicht patentfähig, wenn er dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt war.

Tenor

Die Berufung gegen das am 20. Dezember 2011 verkündete Urteil des 1. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Normenkette:

PatG § 4 ;

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des europäischen Patents 0 600 502 (Streitpatents), das - unter Inanspruchnahme der Priorität einer deutschen Patentanmeldung vom 2. Dezember 1992 - am 2. Dezember 1993 angemeldet wurde. Das Streitpatent, dessen Verfahrenssprache Deutsch ist, umfasst 18 Patentansprüche. Patentanspruch 2 hat folgenden Wortlaut:

"2. Getränkebehälter, insbesondere Getränkebeutel, aus Monomaterial oder mehrschichtigem Verbundmaterial, der mit einer Einstichsöffnung zum Einstechen eines Trinkhalmes versehen ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Einstichsöffnung (2) durch alle Schichten (4, 5, 6) des Mono- oder Verbundmaterials (3) eingestanzt ist und an der Innenseite des Mono- oder Verbundmateriales (3) eine zusätzliche Verschlussfolie (11) um die Einstichsöffnung (2) angebracht ist, die durch die Einstichsöffnung (2) nach außen freigelegt ist, wobei die Verschlussfolie als 'Flicken' (11) auf die Einstichsöffnung (2) aufgeschweißt ist."

Die Klägerin hat geltend gemacht, dass Patentanspruch 2 sowie die hierauf unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen Patentansprüche 3 bis 13 und 16 bis 18 nicht patentfähig seien.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat das Streitpatent hilfsweise mit drei Hilfsanträgen verteidigt.

Die Klägerin hat das Streitpatent auch in der Fassung der drei Hilfsanträge als nicht patentfähig angegriffen und hinsichtlich des Streitpatents in der Fassung des zweiten Hilfsantrags zudem geltend gemacht, dass dessen Gegenstand über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen hinausgehe.

Das Patentgericht hat der Klage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten mit der sie das Streitpatent in der Fassung der erstinstanzlich gestellten Haupt- und Hilfsanträge sowie in der Fassung eines weiteren Hilfsantrags verteidigt. Die Klägerin bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg.

I. Das Streitpatent betrifft einen Getränkebehälter, der aus Mono- oder mehrschichtigem Verbundmaterial besteht und eine Einstichsöffnung für einen Trinkhalm aufweist.

Nach den Erläuterungen in der Streitpatentschrift ist bei einem derartigen Getränkebehälter problematisch, dass sich insbesondere bei heißsteriler Abfüllung im Kopfraum des Behältnisses zunächst Wasserdampf bilde, der nach dem Abkühlen kondensiere, so dass sich im Kopfraum kaum noch Luft befinde. Das habe zur Folge, dass sich das Einstichsloch nunmehr unter dem Flüssigkeitsspiegel befinde, wodurch es bei unvorsichtigem Öffnen zu unkontrolliertem Flüssigkeitsaustritt kommen könne. Zudem flache sich der nachgiebige und flexible Beutel durch die ausgeübte Einstichskraft ab, was bei unvorsichtigem Einstechen dazu führen könne, dass auch die Rückseite des Behälters durchstochen werde.

Aus der österreichischen Patentschrift 36 59 97 sei bei einem aus mehrschichtigem Verbundmaterial bestehenden Getränkebehälter eine bis auf die Innenschicht durchgehende Vorlochung bekannt, die mit einem mehrschichtigen Verschlussstreifen abgedeckt sei. Dieser sei im Bereich der Vorlochung mit der freigelegten Innenschicht der Behälterwand verschweißt, so dass beim Öffnen des Behältnisses durch Abreißen des Verschlussstreifens auch die Innenschicht aufgerissen und damit ein einfaches Einführen des Trinkhalms ermöglicht werde. Es bestehe allerdings die Gefahr, dass der Verschlussstreifen von den Verbrauchern nach dem Aufreißen nicht ordnungsgemäß entsorgt werde.

Demgegenüber sei in der deutschen Patentanmeldung 10 99 445 ein tetraederförmiger Verpackungsbehälter beschrieben, bei dem die Behälterwand aus einer Träger- und einer Kunststoffschicht an deren Innenseite gebildet werde. Zum Einstecken des Trinkhalmes sei eine Öffnung vorgesehen, die nicht durch die innere Kunststoffschicht gehe.

Nach den weiteren Angaben in der Streitpatentschrift liegt dem Streitpatent das Problem zugrunde, einen Getränkebehälter zu schaffen, der ein leichtes Einstechen eines Trinkhalmes ermögliche und gleichzeitig unter Gesichtspunkten des Umweltschutzes vertretbar sei.

Das soll nach Patentanspruch 2 durch folgende Merkmalskombination erreicht werden:

1.

Getränkebehälter, insbesondere ein Getränkebeutel, der

a)

aus Monomaterial oder mehrschichtigem Verbundmaterial besteht und

b)

mit einer Einstichsöffnung (2) zum Einstechen eines Trinkhalmes versehen ist.

2.

Die Einstichsöffnung (2) ist durch alle Schichten (4, 5, 6) des Mono- oder Verbundmaterials (3) eingestanzt.

3.

An der Innenseite des Mono- oder Verbundmaterials (3) ist eine zusätzliche Verschlussfolie (11) um die Einstichsöffnung (2) angebracht.

4.

Die zusätzliche Verschlussfolie (11) ist

a)

durch die Einstichsöffnung (2) nach außen freigelegt

und

b)

als "Flicken" auf die Einstichsöffnung (2) aufgeschweißt.

Der Fachmann, der entsprechend den Ausführungen des Patentgerichts ein Ingenieur der Fachrichtung Verpackungstechnik ist, der über umfassende theoretische Kenntnisse und praktische Berufserfahrung auf dem Gebiet der Getränkeverpackungen aus Mono- und mehrschichtigem Verbundmaterial verfügt, entnimmt der Beschreibung des Streitpatents zum Begriff des "Flickens" in Merkmal 4 b, dass die zusätzliche Verschlussfolie entweder ringförmig, quadratisch, rechteckig, rasterartig oder in konzentrischen Kreisen um die Einstichsöffnung an der Innenseite des Mono- oder Verbundmaterials materialsparend als "Flicken" aufgeschweißt sein kann (Sp. 2, Z. 10 ff.). Anspruch 2 grenzt sich damit von Anspruch 1 des Streitpatents ab, bei dem die erste Schweißstelle an der Einstichsöffnung durch die Fixierung der Verschlussfolie an mindestens einer zweiten Schweißstelle an den Seitennähten entlastet ist (Sp. 2, Z. 8 ff.; Anspruch 1, Sp. 4, Z. 54 ff.). Demgegenüber ist die zusätzliche Verschlussfolie nach der Lehre aus Patentanspruch 2 nicht an den Seitennähten des Getränkebehälters fixiert, sondern als "Flicken" auf die Einstichsöffnung aufgeschweißt, wodurch sich die äußeren Ränder der Verschlussfolie jedenfalls an den Seiten vergleichsweise näher an der Einstichsöffnung befinden. Aus fachlicher Sicht nimmt die Lehre aus Patentanspruch 2 damit in Kauf, dass die Schweißstelle an der Einstichsöffnung nicht in gleichem Maße entlastet wird, wie dies bei dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 aufgrund der Fixierung der Verschlussfolie an einer zweiten Schweißstelle an den Seitennähten der Fall ist, hat dafür aber den Vorteil, dass die Verschlussfolie kleiner und damit materialsparender als (nicht bis zum Seitenrand reichender) "Flicken" zugeschnitten werden kann, wobei bei Einhaltung dieser Vorgabe die weitere Ausbildung eines solchen "Flickens" als kreisförmiges, quadratisches oder eine sonstige flächige Form aufweisendes Gebilde in das freie Ermessen des Fachmanns gestellt ist. Entscheidend ist insoweit nur, dass um die Einstichsöffnung herum ein dichter Abschluss entsteht (Sp. 2, Z. 15 ff.).

Veranschaulicht wird dies dem Fachmann in den nachfolgend wiedergegebenen Zeichnungen des Streitpatents, wobei in den Figuren 3 und 5 Ausführungsbeispiele gezeigt werden, bei denen ein Verschlussfolienstreifen (7) ringförmig um das Einstichsloch (2) an den Schweißstellen (8) an der Innenseite des Verbundmaterials (3) angeschweißt und entsprechend der Lehre aus Patentanspruch 1 zusätzlich an den Seitennähten (12) mittels Schweißpunkten (9) fixiert ist (Sp. 4, Z. 15 ff.; Sp. 4, Z. 23 ff.), während aus Figur 4 ein Ausführungsbeispiel hervorgeht, bei dem die Verschlussfolie (11) entsprechend Patentanspruch 2 als Flicken ringförmig (allein) an den Schweißstellen (8) an der Innenseite des Verbundmaterials (3) angeschweißt ist (Sp. 4, Z. 19 ff.).

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

1. Der in dem deutschen Gebrauchsmuster 75 18 856 (D1), aus dem die nachfolgend gezeigte Figur 1 stammt,

offenbarte Getränkebehälter weise zwar die Merkmale 1 bis 4 a des Patentanspruchs 2 in der erteilten Fassung auf. Aufgrund der flächigen Ausdehnung des Abdeckstreifens sei dieser jedoch nicht als "Flicken" mit Material sparender Formgebung der Verschlussfolie im Sinne des Merkmals 4 b ausgestaltet. Der Fachmann interpretiere den in den Figuren 1 bis 3 der D1 gestrichelt dargestellten Linienzug unterhalb der Einstichöffnung (3) als Darstellung einer (verdeckten) Körperkante des den Verschlusstreifen bildenden Abdeckstreifens ähnlich den Linienzügen in Figuren 3 oder 5 des Streitpatents, so dass der Abdeckstreifen bis zu den seitlichen Rändern des Getränkebehälters reiche.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 2 in der erteilten Fassung sei jedoch durch den Stand der Technik nahegelegt worden. Den Ausgangspunkt für die Überlegungen des Fachmanns bilde der aus der D1 bekannte Beutel, dem ausdrücklich eine leichte Durchstoßbarkeit des eine vorgestanzte Einstichsöffnung von innen verschließenden Abdeckstreifens zugeschrieben werde. Gegenüber dem sich flächig über die gesamte Breite der Beutelwandung erstreckenden Abdeckstreifen leiste ein Getränkebehälter mit einem "Flicken" im Sinne des Merkmals 4 b lediglich eine weitere Verkleinerung der Verschlussfolie, die dem Fachmann im Rahmen einer Optimierung nach technischwirtschaftlichen Kriterien innerhalb der durch die D1 und die deutsche Patentschrift 34 22 679 (D2) vorgegebenen Grenzen ohne weiteres möglich und auch nahegelegt sei. So überragten die aus Folienmaterial ausgestanzten, scheibenförmigen Dichtungsteile 17 und 18, die in den Figuren 5 und 7 der D2 gezeigt würden, die abgedeckte, in der Behälterwandung vorgestanzte Durchführungsöffnung 16 nur in dem für die jeweilige kreisringförmige Schweißnaht erforderlichen Maß.

Zwar sei dem Fachmann aufgrund seiner Kenntnisse der Fertigungstechnik bekannt gewesen, dass über die gesamte Breite des Beutels reichende Abdeckstreifen wie aus der D1 bekannt fortlaufend von der Rolle aufgebracht werden können, während zur Herstellung eines Beutels mit vereinzelten Flicken, wie in der D2 beschrieben, ein gesondertes Ausstanzen und Positionieren auch in Breitenrichtung erforderlich sei. Der Fachmann, der vor dem Problem einer Minimierung des Herstellaufwandes für das Massenprodukt "Getränkebehälter" gestanden habe, habe gleichwohl aufgrund fachüblicher Überlegungen und angeregt durch die D2 Anlass gehabt, bei den aus der D1 bekannten Getränkebehältern die Verschlussfolie Material sparend als "Flicken" auszugestalten.

2. Der Gegenstand von Patentanspruch 2 sei auch nicht in der Fassung des ersten Hilfsantrags patentfähig, der sich von der Fassung des Hauptantrages darin unterscheide, dass die Verschlussfolie als eine Verbundfolie vorgesehen sei. Auch insoweit habe das technische Problem in der Optimierung der Sperreigenschaft der Verschlussfolie gelegen. Dieses Problem sei bereits in der D1 angesprochen, in der für einen Getränkebeutel, der aus einer Drei-Schichten-Verbundfolie mit dem Aufbau Polyester-Aluminium-Polyethyleninnenschicht hergestellt sei, ein Abdeckstreifen "in lichtundurchlässiger Einfärbung" vorgeschlagen werde. Diese dem Beutelwandungsmaterial aufgrund der Aluminiumschicht inhärente Eigenschaft biete somit auch der Abdeckstreifen.

In der europäischen Patentanmeldung 0 156 600 A2 (D4; deutsche Übersetzung des österreichischen Teils des europäischen Patents 0 156 600 B1 = D4b) sei für die Abdeckung einer Einstichsöffnung ähnlich der Lösung aus D2 die Ausführung nach Art eines "Flickens" beschrieben, der ein vorgestanztes Loch an der Innenseite des Behälters nicht nur flüssigkeitsdicht abdecke, sondern für den auch eine Ausführung mit Barriere-Schichten gegen Gasdurchtritt beschrieben sei. Wenngleich in dem in der D4 offenbarten Ausführungsbeispiel zusätzlich ein außenliegender Abdeckfolienabschnitt vorgesehen sei, werde der Fachmann in dem Hinweis auf die Verwendung von Verbundmaterial als Austauschmittel für Monomaterial eine Lösungsmöglichkeit für das hier gestellte Problem erkennen. Die in der D4 benannten Nachteile einer Verbundfolie für die innenseitige Abdeckung der Einstichsöffnung beträfen nur die Materialkosten und eine mangelnde Delaminierfestigkeit einer speziellen Verbundfolie bei Verwendung in Zusammenhang mit einem außenseitig angeschweißten Abreißstreifen, wobei die D4 die innenseitige Anwendung trotz dieses behaupteten Nachteils lehre.

3. Der Gegenstand von Patentanspruch 2 in der Fassung des zweiten Hilfsantrags sei gegenüber der Fassung des ersten Hilfsantrags weiter dadurch qualifiziert, dass die Verbundfolie eine Barriere-Schicht aus EVOH (Ethylen-Vinylalkohol-Copolymer) aufweise, dem im Streitpatent eine geringe Sauerstoffdurchlässigkeit zugeschrieben werde. In Anbetracht der in der D4 angesprochenen Probleme von Aluminium als Barriere-Schicht, das selbst an freiliegenden Schnittkanten nicht in Kontakt mit dem Füllgut stehen dürfe, und der dort angesprochenen Kostennachteile einer reinen Kunststoff-Verbundfolie mit PVDC ("polyvinylidene chloride") als Gasbarriere-Schicht zwischen siegelfähigen PE-Deckschichten (Polyethylen) sei der Fachmann gehalten gewesen, auch andere als Verpackungsmaterial gebräuchliche Kunststoff-Verbundfolien auf ihre Eignung hin zu überprüfen.

Die US-Patentschrift 4 239 826 (S1) belege, dass lange vor dem Zeitrang des Streitpatents siegelbare Verbundfolien mit einer EVOH-Zwischenschicht aufgrund ihrer besonderen Gasbarriere-Eigenschaft bekannt gewesen seien. Da in der S1 derartige Verbundfolien für Verpackungszwecke als Ersatz für Monofolien vorgeschlagen würden, sei der Fachmann jedenfalls aufgrund des Vorbildes in D4 zu einer Substitution veranlasst, wobei er den Erfolg einer verbesserten Sperrwirkung (geringere Sauerstoffpermeabilität) einer solchen Verschlussfolie in einem Getränkebehälter habe erwarten können. Zwar werde in dem das Fachwissen zum Kunststoff EVOH belegenden Beitrag von Blackwell (Plastic Film Technology, Volume One, Technomic Publishing Company, 1989, 41 ff., D14 = deutsche Übersetzung D14a) von einer Abhängigkeit der Barriere-Eigenschaft von der Feuchtigkeit gesprochen. Jedoch sei die Durchlässigkeit selbst bei vollständig benetzter Folie (relative Feuchtigkeit RH = 100%) absolut und relativ vernachlässigbar gering gegenüber der Durchlässigkeit von Polyethylen-Folien.

4. Der Gegenstand von Patentanspruch 2 in der Fassung des dritten Hilfsantrags unterscheide sich von dem in der zweiten Fassung dadurch, dass die Verbundfolie einen Aufbau "Siegelmaterial/Haftvermittler/Barriere-Schicht/Haftvermittler/Siegelmaterial" aufweise und zwischen 20 µm und 120 µm stark sei. Verbundfolien mit einem solchen Aufbau seien als Beispiele 5 und 14 in der Tafel I der S1 aufgeführt. Die äußeren Schichten aus (mittel-dichtem) Polyethylen seien insoweit siegelfähig, das Material der eingeschlossenen Barriere-Schicht sei EVOH und als notwendiger Haftvermittler dienten dort Vinylacetatpolymere ("polyvinyl acetate polymer"). Die für das Beispiel 14 angegebene Dicke in der alternativen Einheit "mils" entspreche 0,0762 mm und liege damit in dem beanspruchten Bereich. Die leichte Durchstoßbarkeit, die das Streitpatent einer Verbundfolie mit dieser Dicke zuspreche, ergebe sich somit zwangsläufig bei Verwendung der in S1 für Verpackungszwecke vorgeschlagenen Varianten. Aus den zum zweiten Hilfsantrag genannten Gründen habe der Fachmann Anlass gehabt, diese siegelfähige Verbundfolie als Ersatz für die in D1 angesprochene Monofolie aus Polyethylen zu nehmen und sich an der S1 zu orientieren.

III. Das Urteil des Patentgerichts hält der Berufung im Ergebnis stand.

1. Der Gegenstand aus Patentanspruch 2 in der erteilten Fassung ist neu.

a) Er wird durch die D1 nicht vollständig offenbart. Zwar konnte der Fachmann der D1 die Merkmale 1 bis 4 a entnehmen, wie bereits das Patentgericht zutreffend festgestellt hat. Nicht gezeigt oder beschrieben wird darin jedoch das Merkmal 4 b, wonach die zusätzliche Verschlussfolie als "Flicken" auf die Einstichsöffnung aufgeschweißt sein soll. Wie auch die Klägerin nicht in Abrede stellt, offenbaren Figur 1 und auch die weiteren Zeichnungen der D1 einen Abdeckstreifen, der sich über die Breite des Schlauchbeutels erstreckt. Ein solcher Abdeckstreifen kann jedoch wie oben erläutert - aus fachlicher Sicht nicht als "Flicken" im Sinne des Patentanspruchs 2 des Streitpatents angesehen werden.

Die Klägerin meint allerdings, dass sich für den Fachmann aus der Beschreibung der D1 ergebe, dass sich der Abdeckstreifen nicht zwingend von einer zur anderen Seitenwandnaht erstrecken müsse, weil es der Entgegenhaltung nicht auf die Verschweißbarkeit in Kopf- oder Siegelnähten, sondern auf die Verschweißbarkeit zwischen der inneren Beutelwandung und dem Abdeckstreifen ankomme. Damit verkennt sie jedoch, dass zum Offenbarungsgehalt einer Vorveröffentlichung nur gehört, was der Fachmann dieser unmittelbar und eindeutig entnehmen konnte. Zwar ist damit nicht nur der Inhalt offenbart, der in einer Beschreibung ausdrücklich erwähnt ist, sondern auch Selbstverständliches oder Unerlässliches, das vom Fachmann aufgrund seines Fachwissens über den Wortlaut hinaus ohne weiteres "mitgelesen" wird und das deshalb keiner ausdrücklichen Erwähnung in der Beschreibung bedurft hat. Davon zu unterscheiden sind jedoch Ergänzungen durch das Fachwissen, die zum Inhalt der Beschreibung hinzutreten und damit nicht mehr Gegenstand der Offenbarung sind (vgl. grundlegend: BGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 X ZR 89/07 Rn. 20 Olanzapin).

Dass der die Entnahmeöffnung verschließende Abdeckstreifen in anderer Weise auf der Beutelwandung angeordnet sein kann als in den Figuren der D1 gezeigt, wird weder in deren Beschreibung erwähnt noch liegt darin eine selbstverständliche oder unerlässliche Maßnahme. Vielmehr handelt es sich um alternative Ausgestaltungen, die nur unter Einsatz fachlichen Wissens aus dem Offenbarungsgehalt der Vorveröffentlichung ergänzt und deshalb nicht mehr als Teil desselben angesehen werden kann.

b) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist der Gegenstand des Patentanspruchs 2 in der erteilten Fassung auch nicht der D2 zu entnehmen, aus welcher die nachfolgend wiedergegebenen Figuren 5, 8a und 8b stammen:

Die Klägerin geht zu Recht davon aus, dass die in den Figuren 5 und 8a der D2 gezeigten Ausführungsformen keine Verschlussfolie aufweisen, die durch die Einstichsöffnung nach außen freigelegt ist. Vielmehr wird in den in den Figuren 5 und 8a gezeigten Ausführungsbeispielen die Durchführungsöffnung für Trinkhalme (16) durch ein erstes innenliegendes Dichtungsteil (17) und ein zweites innenliegendes Dichtungsteil (18) sowie einen außenliegenden Streifen (21) überdeckt. Die Klägerin meint jedoch in der Figur 8b werde ein noch verschlossener Behälter gezeigt, bei dem die innenliegende Dichtungsfolie (18) nach außen freigelegt sei. Darin kann ihr nicht gefolgt werden.

Figur 8b veranschaulicht das Öffnen des in Figur 8a gezeigten Behälters durch den Benutzer. Insoweit ist von Bedeutung, dass das erste innenliegende Dichtungsteil (17) mit seinem mittleren Abschnitt in die Vertiefung gebogen und mit dem äußeren Streifen (21) haftend verbunden ist. Das hat zur Folge, dass der Benutzer, wenn er den Streifen (21) ergreift und diesen von dem vorderen Flächenteil (12) zum Öffnen des Behälters abzieht, zugleich auch das innenliegende Dichtungsteil (17) durchbricht und dadurch die Einführungsöffnung (16) für den Trinkhalm von außen freilegt (D2, S. 5, Z. 15 ff.; vgl. auch S. 4, Z. 46 ff.). Gleichwohl bleibt die Öffnung (16) zunächst noch durch das zweite innenliegende Dichtungsteil (18) von innen verschlossen, wie in Figur 8b gezeigt (D2, S. 5, Z. 18 ff.). Dadurch wird erreicht, dass ein etwa ruckartiges Abziehen des Streifens nicht zu einem unerwünschten Austreten von Flüssigkeit führen kann. Dieses zweite innenliegende Dichtungsteil (18) wird erst später vom Benutzer mit Hilfe der Trinkhalmspitze durchstochen (D2, S. 3, Z. 18 ff.). Dabei kann das Durchstechen mit Leichtigkeit erfolgen, weil die Festigkeit des zweiten Dichtungsteils reduziert ist (D2, S. 3, Z. 30 f.; Patentanspruch 1, Z. 12 ff.). Die D2 offenbart damit auch in dem in den Figuren 8a und 8b gezeigten Ausführungsbeispielen ein Behältnis, das neben zwei innenliegenden Dichtungsteilen einen außenliegenden Streifen aufweist. Demgegenüber soll eine solche Ausgestaltung des Behälters mit Aufrisslasche, wie sie nach der Beschreibung des Streitpatents etwa aus der österreichischen Patentschrift 36 59 97 bekannt gewesen ist und bei der die Gefahr besteht, dass die Aufrisslasche nicht ordnungsgemäß entsorgt wird (vgl. Sp. 1, Z. 28 ff.), nach der streitpatentgemäßen Lehre durch die Vorgabe in Merkmal 4 a gerade ausgeschlossen werden (Sp. 2, Z. 4 ff.).

2. Aus fachlicher Sicht war es jedoch naheliegend, den aus der D1 bekannten, sich von einer zur anderen Seitennaht erstreckenden Abdeckstreifen materialsparend als streitpatentgemäßen "Flicken" umzugestalten.

Der Fachmann konnte der D1 entnehmen, dass es bei Beuteln, deren Wandungen aus einem Laminat, etwa mit einer Aluminiumfolie, bestehen und die eine Entnahmeöffnung aufweisen, die durch einen Klebestreifen oder durch Aufsiegelung eines Streifens außen an der Beutelwand verschlossen sind, durch die ständige Berührung des Füllgutes an der Stanzstelle mit den Kanten der einzelnen Folienlagen und des diese verbindenden Klebstoffes einerseits zu Delaminierungen und andererseits zu Beeinträchtigungen der Qualität des Füllgutes kommen kann (D1, [druckschriftliche] S. 2, Abs. 2). Um diese negativen Auswirkungen zu vermeiden, gleichwohl aber einen Beutel zu schaffen, der eine verschlossene, aber, insbesondere mit einem Trinkhalm, leicht zu durchstoßende Entnahmeöffnung aufweist (D1, S. 2, Abs. 3), wird dem Fachmann in der D1 vorgeschlagen, im Bereich der Entnahmeöffnung einen Abdeckstreifen aus einer leicht durchstoßbaren Kunststofffolie im Inneren der Beutelwandung aufgesiegelt anzubringen (D1, S. 3, Abs. 2; Anspruch 1).

Zwar ist in den Figuren der D1 lediglich ein im Inneren der Beutelwandung angeordneter Abdeckstreifen gezeigt, der von einer Beutelsiegelnaht zur anderen reicht. Sah sich der Fachmann jedoch vor die Aufgabe gestellt, eine solche Ausgestaltung im Hinblick auf eine Optimierung der Herstellungskosten weiter zu verbessern, ergab sich für ihn aufgrund seiner allgemeinen Fachkenntnisse der Gedanke, sich mit Schweißstellen von den Seitennähten weg näher in Richtung der Entnahmeöffnung zu begnügen, um dadurch Material zu sparen.

Zu diesen Überlegungen wurde er weiter durch die D2 angeregt, bei der die Einführungsöffnung (16) - nach Abziehen des außenliegenden Streifens (21) und der damit einhergehenden Entfernung des ersten innenliegenden Dichtungsteils (17) - von einem zweiten innenliegenden Dichtungsteils (18) verschlossen ist, bis der Benutzer den Trinkhalm einsticht. Dieses zweite Dichtungsteil, das damit für kurze Zeit alleine die Einführungsöffnung verschließt, ist als "Flicken" im Sinne des Merkmals 4 b ausgestaltet und haftet entlang seinem Umfangsbereich (20) an der Innenfläche des vorderen Flächenteils an (D2, S. 5, Z. 10 ff.). Das bestärkte den Fachmann in seiner Überlegung, eine derartige "Flickenlösung" auch für ein Behältnis in Erwägung zu ziehen, dessen Einstichsöffnung - wie in D1 offenbart - allein durch eine innenliegende, aufgeschweißte ("aufgesiegelte") Folie verschlossen wird. Dagegen spricht entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht, dass die D2 flickenförmige Innenabdeckungen nur in Verbindung mit einem außenliegenden Verschlussstreifen zeigt. Denn aus fachlicher Sicht ist es evident, dass eine auf einen Flicken reduzierte Innenabdeckung ihren Zweck unabhängig davon voll erfüllen kann, ob zusätzlich ein außenliegender Streifen verwendet wird oder nicht.

3. Patentanspruch 2 in der Fassung des ersten Hilfsantrags unterscheidet sich von der erteilten Fassung durch das zusätzliche Merkmal 5, das wie folgt lautet:

5. Als Verschlussfolie (7, 11) ist eine Verbundfolie vorgesehen.

Auch in dieser Fassung, gegen deren Zulässigkeit keine Bedenken bestehen, beruht der Gegenstand von Patentanspruch 2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, weil er sich in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergab.

Der Fachmann, der sich näher mit den Eigenschaften der aus der D1 bekannten Verschlussfolie beschäftigte, entnahm dieser Druckschrift, dass die die Entnahmeöffnung von innen überdeckende Verschlussfolie einerseits mit einem Trinkhalm leicht durchstoßbar sein soll und andererseits die Folienlagen der Beutelwände von dem Füllgut gut isoliert sein sollen, um Delaminierungen und Beeinträchtigungen derselben zu vermeiden (D1, S. 2 Abs. 2 und 3 Übergang zu S. 3). Zudem hat die Verschlussfolie, wie sich bereits in ihrer Bezeichnung (D1, Schutzanspruch 1: "Abdeckstreifen") ausdrückt, die Funktion einer Barriere zwischen der Entnahmeöffnung und dem Füllgut. Insoweit wird für die Verschlussfolie die Verwendung von Polyethylen als "bewährtes" Material empfohlen, wobei besonders bevorzugt Polyethylen in lichtundurchlässiger Einfärbung eingesetzt werden soll (D1, S. 3, Abs. 3).

Dem Fachmann, der darüber nachdachte, die Barriere-Eigenschaften dieser aus der D1 bekannten Verschlussfolie weiter zu verbessern, wurde in der D4, aus der die nachfolgend wiedergegebene Figur 2 stammt,

ein Flüssigkeitsbehälter beschrieben und gezeigt, bei dem die Trägerschicht (2) an der Gießöffnung mit einem Schutzüberzug aus zwei Thermoplastschichten (3 und 4) versehen ist, um ähnlich der der D2 zugrundeliegenden Problemstellung Delaminierungen und die Beeinträchtigung des Füllgutes zu verhindern, und der darüber hinaus zum Verschließen der Öffnung neben einem außenliegenden Abdeckstreifen (8) zusätzlich eine innenliegende Siegelschicht (13) aufweist. Für diese innenliegende Siegelschicht (13), die - wie die aus der D1 bekannte innenliegende Verschlussfolie - bevorzugt aus Polyethylen besteht und die Öffnung flüssigkeitsdicht verschließt (D4, S. 8, Z. 4 ff. = D4b, S. 9, Z. 6 ff.), werden für den Fall, dass eine noch höhere Sicherheit auch gegenüber einem Austritt von Gas erwünscht ist, zusätzliche Gassperrschichten vorgeschlagen (D4, S. 8, Z. 24 ff. = D4b, S. 9, Z. 31 ff.). Das gab dem Fachmann Anlass, darüber nachzudenken, die aus der D1 bekannte innenliegende Verschlussfolie als Verbundfolie bestehend aus Polyethylen- und einer oder mehreren Gassperrschichten auszugestalten, um neben dem Austritt von Flüssigkeit auch den von Gas effektiv zu verhindern.

Das gilt auch dann, wenn der Fachmann erwägt, die aus der D1 bekannte innenliegende Verschlussfolie entsprechend der Anregung aus D2 materialsparend als "Flicken" im Sinne des Merkmals 4 a auszugestalten, zumal sich die Beschreibung der D4 nicht darüber verhält, an welcher Stelle die die Öffnung überdeckende Siegelschicht 13 mit der inneren Thermoplastschicht 10 verschweißt wird (vgl. D4, S. 8, Z. 3 ff.; S. 11, Z. 14 ff. = D4b, S. 9, Z. 6 ff.; S. 12, Z. 35 ff.) und die in Figur 2 der D4 wiedergegebene Siegelschicht 13 wie ein "Flicken" im Sinne des Merkmals 4 a gezeichnet ist.

Der Fachmann wurde von diesen Überlegungen auch nicht durch die in der allgemeinen Beschreibung der D4 genannten Nachteile einer Verbundfolie für die innenseitige Abdeckung von Einstichsöffnungen abgehalten. Wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, betreffen diese Nachteile allein die Materialkosten und eine mangelnde Delaminierfestigkeit einer speziellen Verbundfolie bei Verwendung mit einem außenseitig angeschweißten Abreißstreifen und können deshalb kein allgemeines Vorurteil begründen, das den Fachmann von der Verwendung von Verbundfolien bei einer ausschließlich innenliegenden Abdeckung der Behälteröffnung abhält. Der Gesichtspunkt der Materialkosten motivierte den Fachmann vielmehr dazu, die innenliegende Verschlussfolie als "Flicken" auszugestalten, während sich die genannten weiteren Nachteile mangelnder Delaminierfestigkeit bei Fortlassen eines außenseitig angeschweißten Abreißstreifens von vornherein nicht mehr stellen. Soweit in dem Dokument chemische Veränderungen bei saurem Füllgut wie unter anderem Säften beschrieben sind, werden diese allein mit Metallfolien als Gassperrschicht in Verbindung gebracht. Im Übrigen schlägt die D4 dem Fachmann ungeachtet der genannten Kritik an einer speziellen Verbundfolie wie bereits ausgeführt bei der Beschreibung eines Ausführungsbeispiels ausdrücklich die Verwendung mehrlagiger Folien vor, um neben der Undurchlässigkeit gegenüber Flüssigkeiten auch eine solche gegenüber Gasen zu erreichen.

Unerheblich ist schließlich entgegen der Ansicht der Beklagten, dass in D4 nicht von den speziellen Anforderungen an die Verschlussmaterialien die Rede ist, die sich daraus ergeben, dass die Entnahme des Behältnisinhalts mit Trinkhalmen vorgesehen ist. Dies ändert nichts daran, dass es sich bei D4 um gattungsgemäßen Stand der Technik handelt und die Nutzbarmachung der sich daraus ergebenden Anregungen durch einfache Versuche verifiziert werden kann.

4. Anspruch 2 in der Fassung des zweiten Hilfsantrags unterscheidet sich von selbigem in der Fassung des ersten Hilfsantrags dadurch, dass folgendes Merkmal 6 hinzukommt:

6. Die Verbundfolie weist eine Barriere-Schicht aus EVOH auf.

Ob ein solcher Gegenstand des Patentanspruchs 2 unzulässig über den Inhalt der Ursprungsanmeldung hinausgeht, wie von der Klägerin geltend gemacht, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Denn jedenfalls beruht dieser nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, weil er sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergab.

Wie das Patentgericht überzeugend ausgeführt hat, wurden dem Fachmann, der sich mit der Frage befasste, aus welchem Material sich die nach den vorstehenden Ausführungen durch den Stand der Technik nahegelegte innenliegende, flickenartige Verbundfolie zum Verschluss der Einstichsöffnung zusammensetzen sollte, um die gewünschte Funktion als effektive Barriere nicht nur gegen Flüssigkeits- sondern auch gegen Sauerstoffdurchlässigkeit zu erreichen, in der S1 Verbundfolien für Verpackungszwecke mit einer EVOH-Zwischenschicht vorgeschlagen (S1, Sp. 1, Z. 9 ff.; Z. 47 ff.; Z. 65 ff.). Etwa wird in der S1 eine Verbundfolie beschrieben, bei welcher eine EVOH-Zwischenschicht mit einer oder mehreren Polyolefin-Schichten, wie etwa Polyethylen-Schichten, mit geeigneter Adhäsion verbunden ist (S1, Sp. 1, Z. 47 ff.). Nach den Angaben der S1 verfügen derartige Verbundfolien mit einer EVOH-Zwischenschicht über wesentlich bessere Eigenschaften als Barriere-Schicht für Sauerstoff als Folien aus Polyolefinen, wie Polyethylen und Polypropylen, wobei zugleich die Eigenschaften dieser Folien (Siegelfähigkeit und Feuchtigkeitsbeständigkeit) beibehalten werden, weil diese weiterhin als äußere Schichten eingesetzt werden (S1, Sp. 1, Z. 9 ff.; Z. 65 ff.). Der Fachmann wurde dadurch veranlasst, die Verwendung einer Verbundfolie mit einer Zwischenschicht aus EVOH als Verschlussfolie in seine Erwägungen mit einzubeziehen.

Dem steht nicht entgegen, dass in der S1 darauf hingewiesen wird, dass die gewünschten Eigenschaften der Vinylalkoholfolien in der Anwesenheit von Feuchtigkeit nachlassen (S1, Sp. 1, Z. 21 ff.). Das gilt auch dann, wenn zusätzlich die Entgegenhaltung D14 berücksichtigt wird. Diese Druckschrift belegt nach den Feststellungen des fachkundig besetzten Patentgerichts das Fachwissen des Fachmanns zum Kunststoff EVOH. Darin werden nicht nur die hervorragenden Eigenschaften von EVOH als Sauerstoffbarriere hervorgehoben (etwa D14, S. 41, Abstract = D14a, S. 2, Zusammenfassung), sondern es wird auch von einer Beeinträchtigung dieser Eigenschaft in Anwesenheit von Feuchtigkeit berichtet, was auf die Hydrophilie des Polymers zurückzuführen sei (D14, S. 45, Abs. 1 = D14a, S. 6, Abs. 3). Diese Durchlässigkeit ist jedoch, wie auch das Patentgericht ausgeführt hat, selbst bei voll benetzter Folie absolut und relativ gering gegenüber der Durchlässigkeit von Polyethylen-Folien. So konnte der Fachmann etwa der Tafel 4 der D14 entnehmen, dass benetztes PE eine Sauerstoffdurchlässigkeit von 2700 cc/m2.24hrs.atm aufweist, während EVOH-Werkstoffe, etwa in einer Polyethylen-Verbundfolie, maximal über eine Sauerstoffdurchlässigkeit von 25 cc/m2.24hrs.atm verfügen, so dass der Fachmann auch insoweit keinen Grund hatte, eine Verbundfolie mit einer EVOH-Zwischenschicht nicht in seine Überlegungen mit einzubeziehen.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ändert daran auch der besondere Einsatz der Verbundfolie mit einer Barriere-Schicht aus EVOH als innenliegender Flicken zum Verschluss einer Einstichsöffnung nichts. Auch wenn der Fachmann nach Kenntnisnahme der S1 und der D14 nicht sicher wissen konnte, ob die Eigenschaft der EVOH-Schicht als Barriere gegen die Durchlässigkeit von Sauerstoff durch den Kontakt mit Flüssigkeit an den Flickenrändern beeinträchtigt würde, gibt es doch keinen Anhalt dafür, dass ihn dies davon abgehalten hat, die Tauglichkeit einer Verbundfolie mit einer EVOH-Schicht im Hinblick auf deren hervorragende Eigenschaften als Sauerstoff-Barriere für den genannten Zweck auszutesten, zumal Feuchtigkeit ins Flickeninnere allenfalls bis zu den inneren Schweißstellen vordringen konnte. Es lässt sich also insoweit jedenfalls eine angemessene Erfolgserwartung feststellen, was nach der Rechtsprechung des Senats hinreichend für die Annahme eines Naheliegen im Sinne des Art. 56 EPÜ oder § 4 PatG sein kann (vgl. nur BGH, Urteil vom 15. Mai 2012 X ZR 98/09 Rn. 46, GRUR 2012, 803 Calcipotriol-Monohydrat) und im vorliegenden Fall hinreichend ist, weil es den Fachmann zu der in Patentanspruch 2 unter Schutz gestellten Lehre geführt hat, ohne dass dem Hinderungsgründe entgegenstanden.

5. Anspruch 2 in der Fassung des dritten Hilfsantrags hebt sich von der des zweiten Hilfsantrags durch das folgende zusätzliche Merkmal 7 ab:

7.

Die Verbundfolie

a)

weist folgenden Aufbau auf: Siegelmaterial/Haftvermittler/Barriere-Schicht/Haftvermittler/ Siegelmaterial

b)

ist zwischen 20 µm und 120 µm stark.

Der Gegenstand von Patentanspruch 2 in der Fassung des dritten Hilfsantrags ist zwar zulässig, ergab sich für den Fachmann jedoch in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.

Ein Fachmann, der darüber nachdachte, welche Struktur eine die Einstichsöffnung abdeckende, innenliegende und als Flicken ausgebildete Verbundfolie mit einer Barriere-Schicht aus EVOH aufweisen sollte, konnte Tabelle 1 der S1 in den Beispielen 5 und 14 koextrudierte Folienstrukturen entnehmen, deren beidseitige äußere Schichten aus Polyethylen ("medium density polyethylene" = "MDPE") bestehen. Die Kernschicht dieser beiden Folienstrukturen ist aus EVOH gebildet. Als effektiver Haftvermittler zwischen der Kernschicht und den beiden äußeren Schichten wird jeweils hydrolisiertes Vinylacetatpolymer oder copolymer ("hydrolized vinyl acetate polymer or copolymer") eingesetzt (S1, Sp. 1, Z. 47 ff.; Z. 65 ff.; Sp. 3, Z. 7 ff., 61 ff.; Sp. 4, Z. 40 ff.; Anspruch 1).

Nach den von den Parteien nicht in Frage gestellten Ausführungen des Patentgerichts liegt die Dicke der in Beispiel 14 angegebenen Folienstruktur bei umgerechnet 0,0762 mm (3 mils) und damit innerhalb des in Merkmal 7 b beanspruchten Bereichs.

Soweit die Beklagte einwendet, dass der Fachmann Vorbehalte gehabt habe, ein entsprechendes Material als Verschlussfolie im Beutelinneren einzusetzen und erst Recht nicht als Flickenstruktur, kann ihr nicht beigetreten werden. Wie ausgeführt, bestand aus Sicht des Fachmanns im Hinblick auf die D1 und die D2 sowie die S1 und die D14 die hinreichende Aussicht, dass eine Verschlussfolie aus Verbundmaterial, die als Flicken von innen aufgeschweißt ist, einerseits die Einstichsöffnung gegen Flüssigkeits- und Sauerstoffdurchlässigkeit hinreichend abdichten würde und andererseits durch die Spitze eines Trinkhalmes leicht geöffnet werden könnte. Gründe, die aus fachlicher Sicht dagegen sprachen, die Struktur der Verbundfolie so auszugestalten, wie sie in den Beispielen 5 und 14 der S1 beschrieben ist, werden von der Beklagten nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht ersichtlich.

6. Anspruch 2 in der Fassung des vierten Hilfsantrags unterscheidet sich von der des dritten Hilfsantrags durch die folgenden zusätzlichen Merkmale 8 und 9:

8.

Die Einstichsöffnung ist ausschließlich durch die Verschlussfolie abgedichtet ohne eine zusätzliche auf der Außenseite anzubringende Aufrisslasche.

9.

Die Verschlussfolie ist ringförmig um die Einstichsöffnung aufgeschweißt.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Verteidigung des Streitpatents in der Fassung des vierten Hilfsantrags, die erstmals im Berufungsverfahren vorgebracht wurde, sachdienlich im Sinne von § 116 Abs. 2 Alt. 1 PatG ist. Denn jedenfalls ist der Gegenstand von Anspruch 2 in der Fassung des vierten Hilfsantrags durch den Stand der Technik für den Fachmann nahegelegt.

Hinsichtlich des Merkmals 8 kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden, woraus sich ergibt, dass es für den Fachmann im Hinblick auf die D1 und die D2 naheliegend war, die Einstichsöffnung ausschließlich durch die Verschlussfolie abzudichten, also keine zusätzliche, auf der Außenseite anzubringende Aufrisslasche vorzusehen. Aus den obigen Ausführungen folgt zugleich, dass es sich für den Fachmann ergab, die Verschlussfolie entsprechend Merkmal 4 b als "Flicken" auf die Einstichsöffnung aufzuschweißen. War für den Fachmann mithin die flickenartige Ausgestaltung der innenliegenden Verschlussfolie naheliegend, bot es sich für ihn auch an, den "Flicken" insbesondere ringförmig um die Einstichsöffnung aufzuschweißen.

7. Dass die Unteransprüche 3 bis 13 und 16 bis 18, soweit diese auf Patentanspruch 2 rückbezogen sind, auf einer eigenständigen erfinderischen Tätigkeit beruhen, ist weder von der Beklagten in der Berufungsinstanz geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 97 Abs. 1 ZPO .

Von Rechts wegen

Verkündet am: 25. Juni 2013

Vorinstanz: BPatG, vom 20.12.2011 - Vorinstanzaktenzeichen 1 Ni 21/09 (EU)