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BGH - Entscheidung vom 27.03.2013

III ZB 84/12

Normen:
GVG § 175
ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 233
ZPO § 234 Abs. 1 S. 1

BGH, Beschluss vom 27.03.2013 - Aktenzeichen III ZB 84/12

DRsp Nr. 2013/7136

Notwendigkeit einer allgemeinen Anweisung hinsichtlich der Notierung einer Vorfrist zusätzlich zur Notierung des Datums des Fristablaufs für die Vermeidung eines anwaltlichen Organisationsverschuldens hinsichtlich der Versäumung der Frist; Prüfung des Vorliegens von Verschulden wegen der Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde im Zusammenhang mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Ein Antrag auf Wiedereinsetzung ist unbegründet, wenn die Möglichkeit verbleibt, dass die Versäumung der Frist durch ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Partei mitverursacht worden ist.

Tenor

Der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 8. November 2012 wird zurückgewiesen.

Normenkette:

GVG § 175 ; ZPO § 85 Abs. 2 ; ZPO § 233 ; ZPO § 234 Abs. 1 S. 1;

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer besuchte am 31. August 2010 eine mündliche Verhandlung vor dem Amtsgericht S. in bunten Kleidern. Er wurde von dem Vorsitzenden auf § 175 GVG hingewiesen, wonach solchen Personen der Zutritt zu öffentlichen Verhandlungen versagt werden kann, die in einer der Würde des Gerichts nicht entsprechenden Weise erscheinen. Der Beschwerdeführer verließ auf Bitten des Gerichts den Sitzungssaal.

Die mit dem Ziel der Feststellung der Unzulässigkeit der Maßnahme des Amtsgerichts vom Beschwerdeführer eingelegte sofortige Beschwerde ist vom Landgericht B. - unter gleichzeitiger Zulassung der Rechtsbeschwerde - mit Beschluss vom 8. November 2012 zurückgewiesen worden. Der Beschluss des Landgerichts ist dem Beschwerdeführer am 13. November 2012 zugestellt worden. Er hat gegen den Beschluss mit beim Bundesgerichtshof am gleichen Tag eingegangenem Anwaltsschriftsatz vom 21. November 2012 Rechtsbeschwerde eingelegt. Die auf den 6. Februar 2013 datierte Rechtsbeschwerdebegründung des Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers ist am 14. Februar 2013 beim Bundesgerichtshof eingegangen.

Mit am gleichen Tag beim Bundesgerichtshof eingegangenem Schriftsatz vom 14. Februar 2013 hat der Beschwerdeführer den Antrag gestellt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde zu gewähren. Zur Begründung trägt er unter Vorlage eines Auszuges aus dem Fristenkalender und einer eidesstattlichen Versicherung einer Büroangestellten seines Prozessbevollmächtigten vor, die Büroangestellte habe am 13. Februar 2013, dem Tag des Ablaufs der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde, im Fristenkalender versehentlich die am 12. Februar 2013 ablaufenden Fristen kontrolliert. Daraus habe sich der Fristablauf in der vorliegenden Sache nicht ergeben. Der Irrtum sei erst am 14. Februar 2013 bemerkt worden.

II.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde (§ 575 Abs. 2 ZPO ) ist gemäß §§ 233 , 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO zulässig. Er ist jedoch unbegründet.

1. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nach § 233 ZPO zu gewähren, wenn der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert war, die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde einzuhalten. Das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten ist dem Beschwerdeführer zuzurechnen (§ 85 Abs. 2 ZPO ). Die die Wiedereinsetzung begehrende Partei hat die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist glaubhaft zu machen (§ 236 Abs. 2 ZPO ; vgl. BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2010 - XII ZB 334/10, NJW-RR 2011, 568 Rn. 7). Sie hat dabei ein für die Fristversäumung ursächliches eigenes Verschulden oder das ihr nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnende Verschulden auszuräumen. Verbleibt die Möglichkeit, dass die Einhaltung der Frist durch ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Partei versäumt worden ist, ist der Antrag auf Wiedereinsetzung unbegründet (vgl. BGH, Beschluss vom 3. November 2010 - XII ZB 177/10, NJW-RR 2011, 385 Rn. 12 f mwN).

2. Der Beschwerdeführer hat nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, dass die Versäumnis der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde nicht auf einem Fehler seines Prozessbevollmächtigten bei der Bearbeitung der Sache oder auf einem Organisationsmangel in dessen Kanzlei zurückzuführen ist.

a) Grundsätzlich ist ein Rechtsanwalt verpflichtet, durch entsprechende Organisation seines Büros und die notwendigen Einzelanweisungen das Möglichste zu tun, um Fehlerquellen bei der Behandlung von Fristsachen auszuschließen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Oktober 1988 - VI ZB 12/88, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 8 und vom 19. November 1997 - VIII ZB 33/97, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 59). Hierzu gehört nach feststehender Rechtsprechung die allgemeine Anordnung, dass jedenfalls bei solchen Prozesshandlungen, deren Vornahme ihrer Art nach mehr als nur einen geringen Aufwand an Zeit und Mühe erfordert, wie dies regelmäßig bei Rechtsmittelbegründungen der Fall ist, außer dem Datum des Fristablaufs auch noch eine Vorfrist zu notieren ist (Senat, Beschluss vom 19. März 2008 - III ZB 81/07, BeckRS 2008, 06348 Rn. 5; BGH, Beschlüsse vom 9. Juni 1994 - I ZB 5/94, NJW 1994, 2831 ; vom 6. Juli 1994 - VIII ZB 26/94, NJW 1994, 2551 , 2552 und vom 25. September 2003 - V ZB 17/03, FamRZ 2004, 100 ; MünchKommZPO/Gehrlein, 4. Aufl., § 233 Rn. 64). Sie soll bewirken, dass dem Rechtsanwalt durch rechtzeitige Vorlage der Akten auch für den Fall von Unregelmäßigkeiten und Zwischenfällen noch eine ausreichende Überprüfungs- und Bearbeitungszeit verbleibt (BGH, Beschlüsse vom 6. Juli 1994 aaO und vom 25. September 2003 aaO; MünchKommZPO/Gehrlein aaO). Es ist sicherzustellen, dass die Sache bei Ablauf einer Vorfrist stets einem Anwalt vorgelegt wird (MünchKommZPO/ Gehrlein aaO mwN).

b) Vorliegend kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Bearbeitungsfehler des Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers, die mangelnde Notierung einer Vorfrist oder andere organisatorische Mängel in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers für die Fristversäumung jedenfalls mitursächlich geworden sind.

aa) Der Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs lässt sich nicht entnehmen, dass in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten in der vorliegenden Sache eine Vorfrist notiert und die Sache bei Ablauf der Vorfrist dem Anwalt vorgelegt worden ist. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass dies geschehen ist. Wäre eine Vorfrist notiert und bei ihrem Ablauf die Sache dem Anwalt vorgelegt worden, so kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Versehen der Büroangestellten am 13. Februar 2013 folgenlos geblieben wäre, weil die Akte bereits zuvor dem Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers vorlag und dieser daraufhin - angesichts der darin notierten Frist (zur Fristennotierung in den Handakten vgl. Zöller/Greger, ZPO , 29.. Aufl., § 233 Rn. 23 "Fristenbehandlung" mwN) und unabhängig von der täglichen Kontrolle des Fristenkalenders durch seine Büroangestellte - die Beschwerdebegründung rechtzeitig diktiert beziehungsweise erstellt, unterschrieben und an die zuständige Bürokraft zwecks Einreichung der Beschwerdebegründung bei Gericht weitergeleitet hätte.

bb) Der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung der Büroangestellten und den vorgelegten Kopien lässt sich entnehmen, dass auch im Büro des Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers allgemein Vorfristen notiert werden. Dafür, dass dies auch vorliegend so gehandhabt wurde - was allerdings nicht vorgetragen worden ist -, könnte sprechen, dass die Beschwerdebegründung bereits auf den 6. Februar 2013, das heißt eine Woche vor Ablauf der Begründungsfrist, datiert ist.

Sollte der Schriftsatz bereits am 6. Februar 2013 gefertigt und dem Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers zur Unterschrift vorgelegt worden sein, so wäre jedenfalls ein dem Beschwerdeführer zuzurechnendes anwaltliches Verschulden nicht ausgeräumt. Dieses läge gegebenenfalls darin begründet, dass der - rechtzeitig abgefasste - Schriftsatz aufgrund eines Fehlers des Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers oder von Organisationsmängeln in dessen Kanzlei "liegen geblieben" ist mit der Folge, dass er bis zum Ablauf der Begründungsfrist am 13. Februar 2013 bei Gericht nicht eingereicht worden ist. Insoweit hat der Beschwerdeführer weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht, was nach rechtzeitiger Fertigung der Beschwerdebegründung am 6. Februar 2013 veranlasst worden ist, um ihre fristwahrende Einreichung bei Gericht sicherzustellen.

Nach alledem ist nicht glaubhaft gemacht, dass der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert war, die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

Vorinstanz: LG Braunschweig, vom 08.11.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 8 T 526/12