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BGH - Entscheidung vom 14.03.2013

III ZR 417/12

Normen:
BKleingG § 20a

Fundstellen:
NZM 2013, 545

BGH, Urteil vom 14.03.2013 - Aktenzeichen III ZR 417/12

DRsp Nr. 2013/6228

Geltendmachung eines Besitzrechts an einer Kleingartenparzelle; Abgrenzung zwischen einer Vertragsänderung und einer Novation

Bei der Abgrenzung zwischen einer Vertragsänderung und einer Novation ist durch Auslegung zu ermitteln, was die Parteien im Einzelfall gewollt haben. Bei dieser Auslegung ist die anerkannte Auslegungsregel zu beachten, dass bei der Feststellung des Willens der Parteien, das alte Schuldverhältnis aufzuheben und durch ein neu begründetes Rechtsverhältnis zu ersetzen, im Hinblick auf die damit verbundenen einschneidenden Folgen große Vorsicht geboten ist und von einer Novation nur ausnahmsweise ausgegangen werden darf, sofern die Parteien einen solchen Willen unzweifelhaft zum Ausdruck bringen; im Zweifel ist daher nur von einer Vertragsänderung auszugehen.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 15. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beklagten haben die Kosten des Revisionsrechtszugs zu tragen.

Normenkette:

BKleingG § 20a;

Tatbestand

Die Parteien streiten um ein von der Klägerin geltend gemachtes Besitzrecht an einer Kleingartenparzelle.

Die Beklagten sind seit 1998 (in Gesellschaft bürgerlichen Rechts) Eigentümer eines im Jahre 1986 parzellierten Grundstücks in G. , auf dem sich, wie im Verhältnis zwischen den Parteien rechtskräftig festgestellt worden ist (Teil- und Schlussurteil des Amtsgerichts P. vom 1. September 2004 - 20 C 475/03), Kleingärten im Sinne des Bundeskleingartengesetzes befinden. Die Klägerin nutzt die Parzelle 22 dieses Grundstücks. Für diese Parzelle schloss sie am 20. Dezember 1996 einen "Kleingarten-Pachtvertrag" mit dem Verband der Garten- und Siedlerfreunde e.V. Kreisvorstand P. (im Folgenden: VGS), der indes, wie zwischen den Parteien ebenfalls rechtskräftig festgestellt worden ist (Teilurteil des Amtsgerichts P. vom 9. Juni 2004 - 20 C 475/03), für die Beklagten nicht verpflichtend ist. Im September 2010 ließen die Beklagten auf ihrem Grundstück neue Elektroleitungen verlegen und im Zuge dieser Maßnahme auf der von der Klägerin genutzten Parzelle einen Teil des Maschendrahtzauns und der Ligusterhecke entfernen, um an dieser Stelle einen Stromkasten aufzustellen.

Die Klägerin verlangt von den Beklagten die Entfernung des Stromkastens, die Wiederanpflanzung der Hecke und die Wiederherstellung des Zauns. Sie stützt sich auf ein vertragliches Besitz- und Nutzungsrecht und hat dieses (zuletzt) aus einem "Nutzungsvertrag für Wochenendsiedlergärten in Wochenendsiedlungen des VKSK" mit dem Verband der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter, Kreisvorstand P. (im Folgenden: VKSK) vom 23. November 1988 hergeleitet. Die Beklagten begehren im Wege der Widerklage die Räumung und Herausgabe der Parzelle. Sie haben die Wirksamkeit des Nutzungsvertrags bestritten und sich hilfsweise auf eine am 27. Mai 2010 ausgesprochene fristlose Kündigung dieses Vertrags wegen Zahlungsverzugs der Klägerin berufen.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Das Landgericht hat das Ersturteil auf die Berufung der Klägerin abgeändert, der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstreben die Beklagten die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin könne wegen verbotener Eigenmacht der Beklagten die Beseitigung der Besitzstörung verlangen. Ein Räumungs- und Herausgabeanspruch stehe den Beklagten nicht zu, weil die Klägerin aufgrund des Nutzungsvertrags vom 23. November 1988 in Verbindung mit § 20a BKleingG zum Besitz und zur Nutzung der Kleingartenparzelle berechtigt sei. Nach der Aussage des Zeugen N. stehe fest, dass der Nutzungsvertrag vom 23. November 1988 zwischen der Klägerin und dem VKSK wirksam abgeschlossen worden sei. Soweit die Beklagten die Echtheit dieses Vertrags bestreiten, sei dies "ins Blaue hinein" erfolgt und mithin unbeachtlich. Der Nutzungsvertrag sei gemäß § 20a BKleingG in den Geltungsbereich des Bundeskleingartengesetzes übergeleitet und nicht durch den Pachtvertrag zwischen der Klägerin und dem VGS vom 20. Dezember 1996 ersetzt worden. Mangels Identität der Vertragsparteien sowie in Anbetracht des Vertragsinhalts liege keine Umgestaltung des alten Schuldverhältnisses durch eine Novation vor. Das sonach bestehende Vertragsverhältnis sei auch nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten beendet worden, da es an einem Zahlungsverzug der Klägerin fehle. Die Klägerin habe die Pachtzinsen über die von ihr Bevollmächtigten - E. und den VGS - mit Erfüllungswirkung geleistet. Die Beklagten seien zur Zurückweisung dieser Zahlungen nicht berechtigt gewesen. Die Zuordnung der zusammengefassten Pachtzahlungen zu den einzelnen Pächtern sei den Beklagten offengelegt und für diese erkennbar gewesen. Ihnen sei auch bekannt gewesen, dass die Klägerin über einen "Altvertrag" verfüge.

II.

Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision stand.

1. Die Würdigung des Berufungsgerichts, der Nutzungsvertrag vom 23. November 1988 sei wirksam zustande gekommen und durch den Pachtvertrag vom 20. Dezember 1996 nicht in Wegfall geraten, begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

a) Gestützt auf die Aussage des Zeugen N. , des damaligen Sekretärs des Kreisverbands des VKSK, hat das Berufungsgericht die Überzeugung von der Echtheit des vorgelegten Nutzungsvertrags gewonnen.

Die in diesem Zusammenhang von der Revision erhobene Rüge der Verletzung des § 286 ZPO hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.

b) Der Nutzungsvertrag vom 23. November 1988 ist auch nicht im Wege der Schuldumschaffung (Novation) durch den Pachtvertrag vom 20. Dezember 1996 in Wegfall geraten.

aa) Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass der VGS schon nicht befugt gewesen ist, durch Vereinbarung mit der Klägerin den Nutzungsvertrag vom 23. November 1988 aufzuheben und durch einen anderen Vertrag zu ersetzen, weil er unstreitig nicht Rechtsnachfolger des VKSK (als bisherige Vertragspartei) ist (vgl. hierzu Senatsurteil vom 16. Dezember 2004 - III ZR 179/04, NZM 2005, 475 f).

bb) Unbeschadet dessen lässt die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung des Pachtvertrags vom 20. Dezember 1996 als bloße (freilich: mangels Sachbefugnis des VGS fehlgeschlagene) Änderung des Nutzungsvertrags vom 23. November 1988 (im Sinne einer Anpassung an die Vorschriften des Bundeskleingartengesetzes ) einen Rechtsfehler nicht erkennen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei der Abgrenzung zwischen einer Vertragsänderung und einer Novation durch Auslegung zu ermitteln, was die Parteien im Einzelfall gewollt haben. Bei dieser Auslegung ist die anerkannte Auslegungsregel zu beachten, dass bei der Feststellung des Willens der Parteien, das alte Schuldverhältnis aufzuheben und durch ein neu begründetes Rechtsverhältnis zu ersetzen, im Hinblick auf die damit verbundenen einschneidenden Folgen große Vorsicht geboten ist und von einer Novation nur ausnahmsweise ausgegangen werden darf, sofern die Parteien einen solchen Willen unzweifelhaft zum Ausdruck bringen; im Zweifel ist daher nur von einer Vertragsänderung auszugehen (s. zu alldem etwa Senatsurteil vom 14. November 1985 - III ZR 80/84, NJW 1986, 1490 ; BGH, Urteil vom 1. Oktober 2002 - IX ZR 443/00, NJW 2003, 59 ; Beschluss vom 22. Juni 2010 - VIII ZR 192/09, BeckRS 2010, 19644 Rn. 12; Urteile vom 5. Oktober 2010 - VI ZR 159/09, BGHZ 187, 156 , 165 Rn. 21; vom 26. Oktober 2010 - XI ZR 367/07, NJW-RR 2011, 403 , 405 Rn. 28 und vom 21. November 2012 - VIII ZR 50/12, BeckRS 2013, 00692 Rn. 20).

Diese Maßgaben hat das Berufungsgericht beachtet und seiner Auslegung zu Grunde gelegt. Einen Rechtsfehler zeigt die Revision insoweit nicht auf. Sie möchte lediglich - in revisionsrechtlich unzulässiger Weise - ihre eigene Auslegung an die Stelle der Auslegung des Berufungsgerichts setzen.

2. Nicht zu beanstanden ist schließlich auch die Auffassung des Berufungsgerichts, dass der Nutzungsvertrag nicht wirksam gemäß § 8 Nr. 1 BKleingG gekündigt worden sei, weil kein Zahlungsverzug der Klägerin vorgelegen habe.

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, welche die Revision als solche nicht in Zweifel zieht, hat die Klägerin die Pachtzinszahlungen über Bevollmächtigte, nämlich E. und den VGS, im Rahmen von Sammelüberweisungen - gemeinsam mit anderen Nutzern der Kleingartenanlage - an die Beklagten geleistet.

Entgegen der Ansicht der Revision waren die Beklagten nicht zur Zurückweisung dieser Zahlungen berechtigt. Für die Beklagten war ohne weiteres erkennbar, dass es sich bei diesen Zahlungen um Entgelte für die Nutzung der Kleingartenparzelle(n) handelte. Ihnen war zuvor mitgeteilt worden, dass der VGS bei der Vornahme der Überweisungen als (Unter-)Bevollmächtigter der Kleingartennutzer, insbesondere auch der Klägerin, handelte und welche Zahlungsanteile auf die einzelnen Pächter entfielen. Zudem war den Beklagten seit dem Jahre 2003 bekannt, dass die Klägerin ihr Besitz- und Nutzungsrecht an dem Kleingarten - auch - auf einen "Altvertrag", nämlich den Nutzungsvertrag mit dem VKSK vom 23. November 1988, stützte.

Das Berufungsgericht ist daher zu Recht zu dem Schluss gekommen, dass die Pachtzinsforderungen der Beklagten gegen die Klägerin mit Gutschrift der Überweisungen auf dem Konto der Beklagten durch Erfüllung erloschen sind (vgl. dazu BGH, Urteil vom 28. Oktober 1998 - VIII ZR 157/97, NJW 1999, 210 mwN).

Im Übrigen wäre die Klägerin auch dann nicht in Schuldnerverzug gekommen, wenn die Erfüllungswirkung infolge der Rücküberweisung der Pachtzinszahlungen - mangels Annahme der Zahlungen durch die Beklagten - gehindert worden sein sollte. Denn durch die Ablehnung der angebotenen Zahlungen wären die Beklagten ihrerseits in Annahmeverzug geraten (§§ 293 , 294 BGB ), der einen Schuldnerverzug entfallen lässt (vgl. BGH, Urteile vom 3. April 2007 - X ZR 104/04, NJW 2007, 2761 , 2762 Rn. 7 und vom 15. März 2012 - IX ZR 34/11, BeckRS 2012, 07964 Rn. 7).

3. Mangels wirksamer Kündigung besteht zwischen den Parteien nach wie vor ein Kleingartennutzungsverhältnis. Dies bedeutet nicht nur, dass den Beklagten kein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Parzelle zusteht (Widerklage), sondern zugleich, dass die eigenmächtige Beseitigung eines Teils der Ligusterhecke und des vorhandenen Maschendrahtzauns eine schuldhafte Vertragspflichtverletzung (§ 280 Abs. 1 BGB ) darstellte. Es kann deshalb dahinstehen, ob es insoweit (Wiederherstellung des vorherigen Zustands) - wie das Berufungsgericht gemeint hat - (noch) um die Beseitigung einer (Besitz-) Störung oder aber um Schadensersatz geht.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 14. März 2013

Vorinstanz: AG Potsdam, vom 17.08.2011 - Vorinstanzaktenzeichen 33 C 244/10
Vorinstanz: LG Potsdam, vom 15.06.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 1 S 26/11
Fundstellen
NZM 2013, 545