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BGH - Entscheidung vom 16.04.2013

3 StR 67/13

Fundstellen:
StV 2014, 587

BGH, Beschluss vom 16.04.2013 - Aktenzeichen 3 StR 67/13

DRsp Nr. 2013/15550

Beweiswürdigung des Gerichts aufgrund der Übereinstimmung von DNA-Merkmalen des bei einem aus einer Speichelprobe gewonnenen DNA-Identifizierungsmusters wegen Vergewaltigung

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 21. November 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung unter Einbeziehung der Strafen aus zwei vorangegangenen Verurteilungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und acht Monaten verurteilt. Dagegen richtet sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Beschwerdeführers. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

1. Die Strafkammer hat sich von der Täterschaft des Angeklagten allein aufgrund der Übereinstimmung von DNA-Merkmalen des bei ihm aus einer Speichelprobe gewonnenen DNA-Identifizierungsmusters mit denen von bei der Nebenklägerin gesicherten Tatspuren überzeugt. Die Nebenklägerin hat den Angeklagten weder in einer polizeilichen Gegenüberstellung noch in der Hauptverhandlung als Täter identifizieren können. Der Angeklagte hat sich zum Tatvorwurf nicht eingelassen; sein Verteidiger hat in der Hauptverhandlung erklärt, der Angeklagte sei nicht am Tatort gewesen und habe keinen Kontakt zu der Nebenklägerin gehabt. Auch zu dieser Erklärung hat sich der Angeklagte nicht geäußert.

2. Die Beweiswürdigung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Allerdings ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Strafkammer ihre Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten allein aufgrund der Übereinstimmung von DNA-Merkmalen gewonnen hat. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts, das zu seiner Überzeugungsbildung auch allein ein Beweisanzeichen heranziehen und daraus Schlussfolgerungen ziehen kann, wobei von gesicherten Tatsachenfeststellungen ausgehende statistische Wahrscheinlichkeitsrechnungen - wie sie bei DNA-Vergleichsgutachten vorgenommen werden - zu den Mitteln der logischen Schlussfolgerung zählen, welche dem Tatrichter grundsätzlich offenstehen. Es ist bei Anlegung dieser Maßstäbe vorrangig Sache des Tatgerichts, ob es sich allein aufgrund einer Merkmalübereinstimmung, die mit einer biostatistischen Wahrscheinlichkeit auf den Angeklagten hinweist, von dessen Täterschaft zu überzeugen vermag, ohne dass dies grundsätzlichen revisionsrechtlichen Bedenken begegnet (BGH, Urteil vom 21. März 2013 - 3 StR 247/12 mwN).

b) Das Urteil des Landgerichts leidet in der Beweiswürdigung jedoch an durchgreifenden Darlegungsmängeln.

aa) Das Tatgericht hat in den Fällen, in denen es dem Gutachten eines Sachverständigen folgt, die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des Gutachters so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und ob die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen, den Erkenntnissen der Wissenschaft und den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens möglich sind. Für die Überprüfung durch das Revisionsgericht, ob das Ergebnis einer auf einer DNA-Untersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung plausibel ist, bedeutet dies, dass das Tatgericht jedenfalls mitteilen muss, wie viele Systeme untersucht wurden, ob diese unabhängig voneinander vererbbar sind (und mithin die Produktregel anwendbar ist), ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben haben und mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalkombination bei einer weiteren Person zu erwarten ist. Sofern der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört, ist zudem darzulegen, inwieweit dies bei der Auswahl der Vergleichspopulation von Bedeutung war (BGH, aaO mwN).

bb) Diesen Anforderungen genügen die Darlegungen der Strafkammer, mit denen sie die Ausführungen der Sachverständigen wiedergegeben hat, nicht: Es wird schon nicht mitgeteilt, ob die untersuchten Merkmale unabhängig voneinander vererbbar sind, wie viele der aus der Speichelprobe des Angeklagten gewonnenen 16 Merkmalssysteme sich in der Tatspur fanden und inwieweit diese übereinstimmten. Im Urteil heißt es nur, dass sich die Mischspur vollständig mit den Merkmalen der Nebenklägerin und des Angeklagten erklären lasse, ohne dass deutlich wird, wie viele Systeme darin untersucht werden konnten. Fünf weitere Tatspuren seien Abstriche, in denen nur mannspezifische DYS-Merkmale festgestellt worden seien, die sich auch in der Stammlinie des Angeklagten fänden. Indes wird weiter ausgeführt, dass sich in zwei Spuren bei jeweils einem unterschiedlichen DYS-System ein zusätzliches Merkmal gefunden habe, das sich für einen Vergleich nicht eigne; näher erläutert wird dies nicht. Zur Frage der Vergleichspopulation verhält sich das Urteil ebenfalls nicht, obwohl es bei dem dunkelhäutigen, aus dem Sudan stammenden Angeklagten nahe liegt, dass er einer fremden Ethnie angehört.

Angesichts dieser lückenhaften Angaben ist der Senat nicht in der Lage zu überprüfen, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht, mithin die von der Sachverständigen vorgenommene Wahrscheinlichkeitsberechnung plausibel ist. Dies gilt auch eingedenk der mitgeteilten außerordentlich niedrigen Wahrscheinlichkeitswerte für die Existenz eines anderen Spurenlegers, weil gerade die Schlüssigkeit des Berechnungsergebnisses nicht nachvollzogen werden kann.

Vorinstanz: LG Oldenburg, vom 21.11.2012
Fundstellen
StV 2014, 587