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BGH - Entscheidung vom 31.07.2012

3 StR 232/12

Normen:
StGB § 249
StGB § 253

Fundstellen:
NStZ-RR 2012, 342

BGH, Beschluss vom 31.07.2012 - Aktenzeichen 3 StR 232/12

DRsp Nr. 2012/17635

Vorliegen eines besonders schweren Raubes bei finaler Verknüpfung zwischen der Drohung mit oder dem Einsatz von Gewalt und der Wegnahme beim Raub

1. Beim Raub muss zwischen der Drohung mit oder dem Einsatz von Gewalt und der Wegnahme beim Raub eine finale Verknüpfung bestehen; Gewalt oder Drohung müssen das Mittel zur Ermöglichung der Wegnahme sein.2. An einer solchen Verknüpfung fehlt es, wenn eine Nötigungshandlung nicht zum Zwecke der Wegnahme vorgenommen wird, der Täter den Entschluss zur Wegnahme vielmehr erst nach Abschluss dieser Handlung fasst.3. Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht seiner Tat einzusehen, erheblich vermindert, so kommt es für die Beurteilung seiner Schuldfähigkeit entscheidend darauf an, ob ihm deswegen diese Einsicht fehlt oder ob er gleichwohl über sie verfügt.4. Hat der Täter nicht die Einsicht in das Unerlaubte seines Handelns und kann ihm dies auch nicht vorgeworfen werden, so handelt er nach § 17 Satz 1 StGB ohne Schuld.

Tenor

1.

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 21. Dezember 2011

a)

soweit es den Angeklagten T. betrifft im Fall 3 der Urteilsgründe mit den zugehörigen Feststellungen und im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben;

b)

soweit es den Angeklagten H. betrifft insgesamt aufgehoben; die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bleiben jedoch bestehen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel und die dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2.

Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.

Normenkette:

StGB § 249 ; StGB § 253 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten T. wegen versuchten schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, wegen räuberischer Erpressung und wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt, den Angeklagten H. wegen räuberischer Erpressung und wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. Dagegen wenden sich die Angeklagten mit ihren auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen; der Angeklagte T. beanstandet zudem das Verfahren. Die Rechtsmittel haben den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO .

1.

Die Verurteilung des Angeklagten T. wegen versuchten schweren Raubes im Fall 3 der Urteilsgründe hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Auf die den Strafausspruch in diesem Fall betreffenden Verfahrensrügen des Angeklagten kommt es danach nicht mehr an.

Die Strafkammer hat festgestellt: Der Angeklagte T. und die beiden Nichtrevidenten Ha. und K. schlugen gemeinsam auf den Nebenkläger ein, der Angeklagte T. verwendete dabei eine Eisenstange oder einen Teleskopschlagstock, mit dem er mehrere Schläge gegen den Kopf des Nebenklägers führte. Ein Bekannter des Nebenklägers, der Zeuge He. , wandte sich nunmehr an den Angeklagten und die Nichtrevidenten und forderte sie auf, von dem Nebenkläger abzulassen. Daraufhin schlug ihn der Angeklagte T. mit dem Schlagwerkzeug einmal unvermittelt auf den Kopf. Anschließend forderte er den Zeugen He. auf, ihm seine Geldbörse herauszugeben; dieser erklärte, keine Geldbörse bei sich zu haben und floh.

Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen versuchten (richtig: "besonders", vgl. BGH, Beschluss vom 5. Mai 2011 - 3 StR 57/11, NStZ 2011, 702 ) schweren Raubes nicht. Nach ständiger Rechtsprechung muss zwischen der Drohung mit oder dem Einsatz von Gewalt und der Wegnahme beim Raub eine finale Verknüpfung bestehen; Gewalt oder Drohung müssen das Mittel zur Ermöglichung der Wegnahme sein (vgl. Fischer, StGB , 59. Aufl., § 249 Rn. 6 mwN). An einer solchen Verknüpfung fehlt es, wenn eine Nötigungshandlung nicht zum Zwecke der Wegnahme vorgenommen wird, der Täter den Entschluss zur Wegnahme vielmehr erst nach Abschluss dieser Handlung fasst (BGH, Beschluss vom 21. März 2006 - 3 StR 3/06, NStZ 2006, 508 mwN). Vorliegend ergeben die Feststellungen weder, dass sich der Angeklagte im Moment des Schlages bereits zur Wegnahme entschlossen hatte, noch, dass er dem Zeugen nach dem geführten Schlag - gegebenenfalls durch schlüssiges Verhalten - mit weiteren Gewalthandlungen drohte, um die Wegnahme zu ermöglichen.

Soweit der neue Tatrichter - was nach dem sich aus der Äußerung des Angeklagten ergebenden Tatbild näher liegen könnte - eine Verurteilung wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in den Blick nehmen sollte, gilt nichts anderes. Zwischen der begehrten Herausgabe der Geldbörse und dem Einsatz von Nötigungsmitteln müsste auch in diesem Fall ein finaler Zusammenhang bestehen (Fischer, aaO, § 253 Rn. 18a).

Die Aufhebung des Schuldspruchs führt zum Wegfall der für diese Tat verhängten Einsatzstrafe und bedingt damit die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs. Die weitergehende Revision dieses Angeklagten hat aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Erfolg.

2.

Die Verurteilung des Angeklagten H. begegnet insgesamt durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

a)

Im Fall 2 der Urteilsgründe hat das Landgericht aufgrund der errechneten maximalen Blutalkoholkonzentration von 2,68 ‰ zur Tatzeit festgestellt, bei dem Angeklagten sei eine erhebliche Verminderung seiner Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit nicht ausgeschlossen. In der Beweiswürdigung hat es dazu ausgeführt, der Sachverständige habe eine erhebliche Minderung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit nicht ausschließen können, und sich dieser Bewertung angeschlossen. Damit trägt das Urteil nicht die Annahme der Strafkammer, der Angeklagte sei bei Begehung dieser Tat schuldfähig gewesen (§ 20 StGB ). Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht seiner Tat einzusehen, erheblich vermindert, so kommt es für die Beurteilung seiner Schuldfähigkeit entscheidend darauf an, ob ihm deswegen diese Einsicht fehlt oder ob er gleichwohl über sie verfügt. Hat der Täter nicht die Einsicht in das Unerlaubte seines Handelns und kann ihm dies auch nicht vorgeworfen werden, so handelt er nach § 17 Satz 1 StGB ohne Schuld (vgl. BGH, Beschluss vom 1. März 2011 - 3 StR 450/10; Fischer, aaO, § 21 Rn. 3 mwN). Das Urteil verhält sich indes nicht dazu, ob der Angeklagte - für den Fall der erheblichen Beeinträchtigung seiner Einsichtsfähigkeit - das Unerlaubte seines Handelns gleichwohl erkannte.

b)

Dieser Rechtsfehler zieht auch die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall 1 der Urteilsgründe nach sich. Diese Tat ging derjenigen in Fall 2 der Urteilsgründe unmittelbar voraus. Insoweit hat das Landgericht - sachverständig beraten - gleichwohl eine erhebliche Verminderung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Angeklagten abgelehnt. Die Beweiswürdigung, mit der es zu dieser Annahme gelangt, ist nicht frei von Rechtsfehlern. Das Landgericht hat ausgeführt, nach den Angaben des Sachverständigen könne sich der Grad der Alkoholisierung innerhalb weniger Augenblicke erweitern, insbesondere, wenn ein weiterer Alkoholkonsum zwischen den Taten nicht auszuschließen sei. Diese Anknüpfungstatsachen werden durch die Feststellungen des Landgerichts jedoch nicht belegt; im Gegenteil spricht die Motivation für den Raub im Fall 1 der Urteilsgründe, die Angeklagten hätten sich weitere Getränke kaufen wollen, hätten dabei aber festgestellt, dass sie kein Geld mehr bei sich führten, sowie der Umstand, dass sich die Tat des Falls 2 der Urteilsgründe unmittelbar an Fall 1 anschloss, gegen einen solchen weiteren Alkoholkonsum zwischen den Taten.

c)

Die rechtlich beanstandungsfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen werden durch die aufgezeigten Rechtsfehler nicht berührt; sie können deshalb bestehen bleiben. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin: Die Begründung, mit der die Strafkammer die Unterbringung des Angeklagten H. in einer Entziehungsanstalt abgelehnt hat, begegnet ebenfalls rechtlichen Bedenken. Nach den Feststellungen zur Person hat der Angeklagte "frühzeitig Auffälligkeiten mit seinem eigenen Alkoholkonsum gezeigt". Die Taten beging er, um sich Geld für weiteren Alkoholkonsum zu beschaffen. Angesichts dessen ist die Auffassung des Landgerichts, es bestehe kein symptomatischer Zusammenhang zwischen seinem Alkoholkonsum und den Taten, nicht tragfähig begründet.

Vorinstanz: LG Rostock, vom 21.12.2011
Fundstellen
NStZ-RR 2012, 342