Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 17.04.2012

XI ZB 4/11

BGH, Beschluss vom 17.04.2012 - Aktenzeichen XI ZB 4/11

DRsp Nr. 2012/9277

Überprüfung einer gerichtlichen Entscheidung hinsichtlich der Nichtwahrung einer fristwahrenden Übermittlung einer Berufungsbegründung per Telefax

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 7. Februar 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert beträgt 47.946,70 €.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die beklagte Bank auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Erwerb von Wertpapieren in Anspruch.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 20. September 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger fristgerecht Berufung eingelegt. Die vom 22. November 2010, einem Montag, datierende zwölfseitige Berufungsbegründung übermittelte der Klägervertreter vorab mittels Telefax an das Berufungsgericht. Der bei den Gerichtsakten befindliche Faxausdruck trägt Aufdrucke des Absendegerätes mit dem Datum des 23. November 2010 sowie Uhrzeitangaben von 00:49 Uhr (Seite 1) bis 00:51 Uhr (Seite 12). Datums- und Uhrzeitaufdrucke des Empfangsgeräts des Berufungsgerichts weist die Faxkopie wegen einer ab dem 22. November 2010 bestehenden mehrtägigen Störung dieses Geräts nicht auf. Das Original der Berufungsbegründung ging am 24. November 2010 bei Gericht ein.

Mit Verfügung vom 24. November 2010 hat das Berufungsgericht den Kläger darauf hingewiesen, dass die Berufungsbegründung am 23. November 2010 per Telefax eingegangen sei, und mit Verfügung vom 13. Dezember 2010 ergänzend mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Der Kläger hat demgegenüber geltend gemacht, die Berufungsbegründung sei am 22. November 2010 vor 24:00 Uhr und daher rechtzeitig bei dem Berufungsgericht eingegangen. Hierzu hat er vorgetragen, der seinem Prozessbevollmächtigten vorliegende Sendebericht weise zwar als Eingang des Telefaxes bei dem Berufungsgericht ebenfalls den 23. November 2010, 00:49 Uhr, aus. Sein Prozessbevollmächtigter sei sich aber sicher, dass die Faxübertragung am 22. November 2010 vor 24:00 Uhr beendet gewesen sei, weil ihm noch vor 24:00 Uhr der Sendebericht vorgelegen habe. Nach dem Ausdruck des Sendeberichtes habe der Prozessbevollmächtigte auf die schräg gegenüber dem Faxgerät in etwa 1,50 m Entfernung an der Wand hängende und bequem einzusehende Funkuhr geschaut; danach sei es deutlich vor 24:00 Uhr gewesen. Die Funkuhr habe seit Jahren keine Ungenauigkeiten gezeigt und ein nach dem hier streitigen Vorfall über das Internet durchgeführter Abgleich der Funkuhr mit der Atomuhr habe eine sekundengenaue Übereinstimmung beider Uhren ergeben. Um 00:49 Uhr sei der Prozessbevollmächtigte bereits zu Hause gewesen.

Nach Bekanntwerden des Vorgangs in der Kanzlei habe eine Mitarbeiterin erklärt, am 24. November 2010 festgestellt zu haben, dass das Faxgerät eine falsche Uhrzeit angebe. Sie habe daraufhin die Uhr des Faxgeräts - in Orientierung an der Funkuhr - um 53 Minuten zurückgestellt. Die Übermittlung der Berufungsbegründung per Telefax sei deshalb tatsächlich 53 Minuten früher erfolgt als Sendebericht und Faxaufdruck dies auswiesen. Die Vorlage eines entsprechenden Einzelverbindungsnachweises sei nach der - zu den Gerichtsakten gereichten - schriftlichen Auskunft des zuständigen Providers für Verbindungen zu einer Festnetznummer wie derjenigen des Berufungsgerichts nicht möglich, weil bei der von der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten gewählten Flatrate solche Verbindungen nicht registriert würden. Als Erklärung der falschen Uhrzeitangabe im Faxgerät könne nur darauf verwiesen werden, dass die Zeitumstellung am 31. Oktober 2010 nicht mit vollzogen worden sei, so dass die Uhr am 22. November 2010 noch immer die Sommerzeit angezeigt habe. Wegen der Differenz von 7 Minuten zum einstündigen Unterschied zwischen Sommer- und Winterzeit sei auf die "normale" Ungenauigkeit, mit der bei einer Faxuhr immer gerechnet werden müsse, zu verweisen.

Hilfsweise hat der Kläger die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt.

Zur Glaubhaftmachung seines Vorbringens hat er sich auf die anwaltliche Versicherung seines Prozessbevollmächtigten und die eidesstattliche Versicherung einer Mitarbeiterin der Anwaltskanzlei bezogen sowie in verschiedener Hinsicht Zeugen- bzw. Sachverständigenbeweis angetreten.

Das Berufungsgericht hat die Berufung unter gleichzeitiger Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die fristwahrende Übermittlung der Berufungsbegründung lasse sich nicht feststellen. Der Vorgang könne nicht weiter aufgeklärt werden, da insbesondere ein Empfangsprotokoll des gerichtlichen Faxgeräts nicht vorliege. Dies müsse zu Lasten des für die Fristwahrung beweisbelasteten Klägers gehen, in dessen Sorgfalts- und Nachweisbereich die Ungewissheit der rechtzeitigen Übermittlung falle.

Auf das Empfangsjournal könne der Kläger sich nicht beziehen, da das Telefaxgerät des Oberlandesgerichts an dem fraglichen Tag gestört gewesen sei. Der rechtzeitige Zugang könne auch nicht durch einen Einzelverbindungsnachweis des gerichtlichen Telekommunikationsdienstleisters nachgewiesen werden. Das Berufungsgericht habe sich hierum bemüht, jedoch die Auskunft der zuständigen Staatszentrale erhalten, dass ein Zeitnachweis für eingehende Nachrichten nicht möglich sei.

Der Uhrzeitaufdruck des Sendegeräts weise als Sendezeit Dienstag, den 23. November 2010, 00:49 Uhr, aus. Demnach sei der Empfang der Faxnachricht erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist erfolgt.

Ohne Erfolg mache der Kläger geltend, dass das Faxgerät seines Prozessbevollmächtigten zum maßgeblichen Zeitpunkt 53 Minuten vorgegangen sei. Der Berufungssenat vermöge aus den eidesstattlichen Versicherungen des Prozessbevollmächtigten und der Kanzleimitarbeiterin nicht die vom Kläger gewünschte Schlussfolgerung zu ziehen. Der Nachweis des Eingangs bei Gericht noch am 22. November 2010 sei damit nicht geführt.

Dass die Uhrzeitanzeige des Faxgeräts noch am 22. November 2010 den Stand vor der am 31. Oktober 2010 erfolgten Zeitumstellung ausgewiesen haben solle, setze voraus, dass das Kanzleipersonal über drei Wochen die Zeitdifferenz nicht bemerkt habe. Das erscheine ausgeschlossen. Die auf dem Display ersichtliche falsche Uhrzeit müsse schon viel früher aufgefallen sein. Dabei könne durchaus davon ausgegangen werden, dass die betreffende Kanzleimitarbeiterin am 24. November 2010 die falsche Zeitangabe bemerkt und unverzüglich korrigiert habe. Die Möglichkeit einer Manipulation an der Uhrzeitangabe des Sendegeräts sei nach dem Ablauf der Dinge nicht ausgeräumt. Nach den kanzleiinternen Vorgängen erscheine es möglich, dass ein Kanzleimitarbeiter im fraglichen Zeitraum in Kenntnis der Fristüberschreitung die Uhr im Faxgerät wieder vorgestellt habe und dies alsbald von der Mitarbeiterin bemerkt worden sei.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei unbegründet.

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers, mit der er sich lediglich dagegen wendet, dass das Berufungsgericht den Nachweis der Fristwahrung nicht als geführt angesehen hat.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

1.

Die kraft Gesetzes (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 , § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO ) statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ), weil der angefochtene Beschluss den Kläger in seinem Verfahrensgrundrecht auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) sowie in seinem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG ) verletzt.

2.

Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Jedenfalls aufgrund der bislang getroffenen Feststellungen durfte das Berufungsgericht die Berufung des Klägers nicht mit der Begründung nach § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig verwerfen, die Berufungsbegründung sei nicht bis zum Ablauf des 22. November 2010 - und damit verspätet - eingereicht worden.

a)

Das Berufungsgericht hat nach § 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Bei der Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Rechtsmittels gilt, auch soweit es um die Rechtzeitigkeit der Begründung geht, der so genannte Freibeweis. Danach ist das Gericht weder von einem Beweisantritt der Parteien abhängig noch auf die gesetzlichen Beweismittel beschränkt. Im Rahmen des Freibeweises können deshalb grundsätzlich auch eidesstattliche Versicherungen berücksichtigt werden. Eine eidesstattliche Versicherung reicht allerdings für sich genommen regelmäßig nicht zum Nachweis der Fristwahrung aus, da sie lediglich auf Glaubhaftmachung angelegt ist, für die schon eine überwiegende Wahrscheinlichkeit des behaupteten Geschehensablaufs genügt. Die Rechtzeitigkeit des Eingangs der Berufungsbegründung muss indessen - wie auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Rechtsmittels - zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen werden; an die Überzeugungsbildung werden insoweit keine geringeren oder höheren Anforderungen gestellt als sonst (BGH, Beschlüsse vom 16. Januar 2007 - VIII ZB 75/06, NJW 2007, 1457 Rn. 8 ff. mwN und vom 15. September 2005 - III ZB 81/04, NJW 2005, 3501 ). Hiernach etwa verbleibende Zweifel gehen zu Lasten des Rechtsmittelführers, der zu beweisen hat, dass er die Berufung rechtzeitig begründet hat (BGH, Beschluss vom 24. Juli 2003 - VII ZB 8/03, NJW 2003, 3487 ; Senatsbeschluss vom 15. September 2009 - XI ZB 29/08, [...] Rn. 12).

b)

Für die Rechtzeitigkeit des Eingangs eines per Telefax übersandten Schriftsatzes kommt es allein darauf an, ob die gesendeten Signale bei Ablauf des letzten Tages der Frist - hier also am 22. November 2010 bis 24:00 Uhr - vom Telefaxgerät des Gerichts vollständig empfangen, d.h. gespeichert worden sind (BGH, Beschlüsse vom 25. April 2006 - IV ZB 20/05, BGHZ 167, 214 Rn. 18, vom 8. Mai 2007 - VI ZB 74/06, NJW 2007, 2045 Rn. 12, vom 15. September 2009 - XI ZB 29/08, [...] Rn. 16 und vom 18. November 2010 - I ZB 62/10, [...] Rn. 5). Die Eingangszeit ist dabei nach der gesetzlichen Zeit gemäß § 4 i.V.m. § 6 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes über die Einheiten im Messwesen und die Zeitbestimmung (Einheiten- und Zeitgesetz - EinhZeitG) i.d.F. durch Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes vom 3. Juli 2008 (BGBl. I S. 1185), das mit Wirkung vom 12. Juli 2008 an die Stelle des früheren Gesetzes über die Zeitbestimmung (Zeitgesetz) getreten ist, zu beurteilen, wofür grundsätzlich den Auskünften des Telekommunikationsunternehmens aus den Aufzeichnungen über die Dauer zeitabhängiger Verbindungen wesentliche Bedeutung zukommt (Senatsbeschluss vom 15. September 2009 - XI ZB 29/08, [...] Rn. 12).

c)

Hiernach erweist sich die Annahme des Berufungsgerichts, eine fristwahrende Übermittlung der Berufungsbegründung vom 22. November 2010 an das Oberlandesgericht lasse sich nicht feststellen, zumindest aufgrund der bislang erfolgten Sachaufklärung als nicht tragfähig.

aa)

Für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist davon auszugehen, dass weder für das Absendegerät des Prozessbevollmächtigten des Klägers noch für das gerichtliche Empfangsgerät Einzelverbindungsnachweise zur Verfügung stehen und wegen einer im fraglichen Zeitraum bestehenden Störung dieses Geräts auch kein automatischer Uhrzeitaufdruck der Empfangszeit auf dem Faxausdruck erfolgt ist. Nicht zweifelsfrei geklärt erscheint hiernach freilich, ob die betreffende Störung des Empfangsgeräts lediglich den Aufdruck der Eingangsdaten auf dem Faxaufdruck als solchen oder auch schon die interne Speicherung dieser Daten im Gerät betraf, so dass auch deren "Auslesen" - etwa durch Ausdruck eines sämtliche Eingangsdaten eines bestimmten Zeitraums zusammenfassenden Faxjournals oder auf andere Weise - nicht erfolgte bzw. nicht möglich war. Insbesondere die bei den Gerichtsakten befindliche E-Mail betreffend eine telefonische Auskunft der Staatszentrale enthält hierzu keine Erkenntnisse.

bb)

Die Rechtsbeschwerde macht geltend, die auf eine mögliche Manipulation der Uhrzeitanzeige des Sendegeräts abstellende Schlussfolgerung des Berufungsgerichts - das seiner Entscheidung zufolge von einer zwischen dem 31. Oktober und dem 22. November 2010 bereits erfolgten Umstellung von Sommer- auf Winterzeit an dem Sendegerät ausgegangen sei - sei derart spekulativ und verwickelt, dass sie nicht Grundlage einer ordnungsgemäßen Würdigung des klägerischen Sachvortrags sein könne. Das Berufungsgericht habe bereits übersehen, dass bei einer unterstellten Absendung des Telefaxes nach Mitternacht die "einfachste" Manipulation darin bestanden habe, die Uhrzeitanzeige des Sendegerätes vor der Übermittlung des Schriftsatzes an das Gericht um eine Stunde zurückzusetzen, so dass in der Kopfzeile des Ausdrucks das Datum des 22. November 2010 erschienen wäre. Gegen die stattdessen vom Berufungsgericht für möglich gehaltene Manipulation erst im Nachhinein spreche entscheidend, dass der Absender zu diesem Zeitpunkt nicht habe wissen können, dass das Empfangsgerät die Eingangszeit nicht aufdruckte und von den beteiligten Telekommunikationsdienstleistern auch keine Einzelverbindungsnachweise zu erlangen waren. Ein Vorstellen der Sendezeit nach Absendung des Telefaxes, damit der betreffende Fehler am übernächsten Morgen - nach dem Klägervortrag am 24. November 2010 - einer Sekretärin auffalle, die sodann eine bislang unterbliebene Zeitumstellung auf die Winterzeit bezeugen solle, erscheine ex ante nicht als erfolgversprechender Manipulationsversuch.

Zudem habe das Berufungsgericht im Rahmen der von Amts wegen gebotenen Prüfung den Inhalt der Gerichtsakten nicht vollständig zur Kenntnis genommen. Insbesondere habe es übersehen, dass bei der gleichfalls mittels Telefax erfolgten Übersendung der Berufungsschrift am 20. Oktober 2010 (Sendezeit: 17:25 Uhr, Empfangszeit: 17:30 Uhr) die Sommerzeit annähernd richtig eingestellt gewesen sei und sich hieran bei der Telefax-Übermittlung eines Empfangsbekenntnisses an das Landgericht am 2. November 2010 (Sendezeit: 16:53 Uhr, Empfangszeit: 16:02 Uhr) fehlerhafter Weise noch nichts geändert gehabt habe.

cc)

Ob diese Ausführungen - einschließlich der im Rechtsbeschwerdeverfahren ergänzend vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen aller in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Klägers tätigen Rechtsanwälte und Mitarbeiterinnen zur Frage einer etwa vor dem 24. November 2010 erfolgten Umstellung des Faxgeräts von Sommer- auf Winterzeit - geeignet sind, die in tatrichterlicher Würdigung des Streitstoffs gewonnene Annahme des Berufungsgerichts, eine (nachträgliche) Manipulation des Sendegerätes sei nicht auszuschließen, durchgreifend in Zweifel zu ziehen, kann im Ergebnis auf sich beruhen. Denn die betreffende Annahme vermag die Verwerfung der Berufung jedenfalls aus einem anderen Grunde zumindest derzeit nicht zu rechtfertigen:

(1)

Der Kläger hat auf die Hinweise des Berufungsgerichts zur Verfristung der Berufungsbegründung mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2010 auch vorgetragen, sein Prozessbevollmächtigter sei sich "ganz sicher", dass die Telefax-Übertragung noch am 22. November 2010 vor 24:00 Uhr beendet gewesen sei, weil vor diesem Zeitpunkt bereits der Sendebericht vorgelegen habe. Nach dem Ausdruck des Sendeberichtes habe der Prozessbevollmächtigte auf die in dem betreffenden Büroraum befindliche Funkuhr geschaut, wonach es "deutlich" vor 24:00 Uhr gewesen sei. Ein aufgrund der gerichtlichen Hinweise in dieser Sache erfolgter Abgleich der Funkuhr mit der Atomuhr habe eine sekundengenaue Übereinstimmung ergeben. Die Richtigkeit dieser Sachdarstellung hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers anwaltlich versichert.

(2)

Dieser Sachverhalt ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen mit der vom Berufungsgericht für nicht ausgeräumt erachteten Möglichkeit einer nachträglichen Manipulation der Uhrzeitanzeige des Sendegeräts nicht in Einklang zu bringen. Wenn bei Ausdruck des Sendeberichts, d.h. also nach Abschluss des Sendevorgangs, die Funkuhr die - mangels gegenteiliger Anhaltspunkte - zutreffende tatsächliche Uhrzeit "deutlich" vor 24:00 Uhr anzeigte, dann kann jedenfalls nach derzeitigem Sach- und Streitstand nicht ausgeschlossen werden, dass die vom Sendegerät der Prozessbevollmächtigten des Klägers versendeten Signale auch bereits vor 24:00 Uhr vom Empfangsgerät des Berufungsgerichts vollständig empfangen (gespeichert) waren. In diesem Falle wäre für die vom Berufungsgericht auf der Grundlage des übrigen Klägervortrags für möglich erachtete nachträgliche Manipulation der Zeitangabe kein Raum.

Anders als die Rechtsbeschwerdeerwiderung meint, steht dem nicht von vornherein entgegen, dass die von der Rechtsbeschwerde an anderer Stelle in Bezug genommene Telefax-Übermittlung eines Empfangsbekenntnisses von der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten des Klägers an das Landgericht für den 2. November 2010 einen Zeitunterschied von lediglich 51 Minuten (Sendezeit: 16:53 Uhr, Empfangszeit: 16:02 Uhr) belegt, so dass - da der Faxausdruck der letzten Seite der Berufungsbegründung vom 22. November 2010 die Sendezeit "00:51 Uhr" ausweist - die vollständige Begründungsschrift nicht vor dem 23. November 2010, 0:00 Uhr, bei Gericht eingegangen sein könne, was schon verspätet sei (vgl. insoweit BGH, Beschluss vom 8. Mai 2007 - VI ZB 74/06, NJW 2007, 2045 Rn. 12). Denn nach dem durch das Zeugnis einer Kanzleimitarbeiterin unter Beweis gestellten Vortrag des Klägers ging die Uhr des Sendegeräts an dem auf den 22. November 2010 folgenden übernächsten Tag, am 24. November 2010, im Abgleich mit der Funkuhr um 53 Minuten vor. Bei einer solchen Zeitdifferenz ist die noch fristgerechte Übermittlung grundsätzlich möglich.

(3)

Die angefochtene Entscheidung lässt - wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt - nicht erkennen, dass das Berufungsgericht den vorstehenden Sachvortrag in seine Erwägungen einbezogen bzw. aus welchen Gründen es ihn ggf. für unbeachtlich gehalten hat (Art. 103 Abs. 1 GG ). Sofern die Formulierung in der angefochtenen Entscheidung, das Berufungsgericht vermöge "aus den eidesstattlich versicherten Darstellungen des Prozessbevollmächtigten und der Mitarbeiterin H. nicht die vom Kläger gewünschte Schlussfolgerung zu ziehen", auch in dem Sinne gemeint sein sollte, dass allein die bloße anwaltliche Versicherung des betreffenden Geschehens nicht geeignet sei, um den vollen Beweis für die fristgerechte Einreichung der Berufungsbegründung zu erbringen, hätte das Berufungsgericht darin auch ein Angebot zur Vernehmung des Anwalts als Zeugen sehen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Dezember 2011 - VII ZB 35/11 Rn. 10 mwN, zur Veröffentlichung vorgesehen), jedenfalls die Parteien darauf hinweisen und ihnen Gelegenheit geben müssen, Zeugenbeweis anzutreten oder auf andere Beweismittel zurückzugreifen (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 16. Januar 2007 - VIII ZB 75/06, NJW 2007, 1457 Rn. 11 mwN). Im vorliegenden Falle wäre nach Lage der Dinge vor allem eine zeugenschaftliche Benennung des vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers in Betracht zu ziehen gewesen (vgl. BGH aaO), den der Kläger - wie die Rechtsbeschwerde ausdrücklich geltend macht - im Falle eines gerichtlichen Hinweises auch zu den in Rede stehenden Umständen benannt hätte.

(4)

Entgegen der Rechtsbeschwerdeerwiderung war ein entsprechender Hinweis hier nicht allein schon deshalb entbehrlich, weil das Berufungsgericht dem Kläger mit Verfügung vom 12. Januar 2011 aufgegeben hatte, "durch Vorlage eines Einzelverbindungsnachweises bezüglich des in Rede stehenden Faxschreibens seinen Vortrag weiter zu belegen und zum Grund des falschen Uhrzeitaufdrucks (Uhrzeit des Sendegeräts) näher vorzutragen". Der Kläger - der der gerichtlichen Auflage durch Vorlage des Schreibens der Kundenbetreuung vom 15. Januar 2011 sowie durch den Vortrag, die Zeitdifferenz sei nur durch den unterbliebenen Vollzug der Zeitumstellung zu erklären, nachgekommen ist - musste aufgrund dieses Hinweises, in dem ausdrücklich von einem "falschen Uhrzeitaufdruck[s]" die Rede war, nicht damit rechnen, das Berufungsgericht werde sodann seiner Entscheidung - gerade umgekehrt - zugrunde legen, der Uhrzeitaufdruck des Sendegeräts sei zutreffend. Er hatte deshalb keine Veranlassung, seinen zum Zeitpunkt des gerichtlichen Hinweises vom 12. Januar 2011 bereits erfolgten Sachvortrag betreffend den Blick auf die Funkuhr und deren späteren Abgleich mit der Atomuhr, dessen Richtigkeit sein Prozessbevollmächtigter ebenfalls schon anwaltlich versichert hatte, für unzureichend, geschweige denn insoweit über diese Versicherung hinaus den Antritt des Zeugenbeweises für erforderlich zu halten.

3.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts kann nach alledem keinen Bestand haben. Da es noch weiterer tatsächlicher Aufklärung bedarf, ist die Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO ).

Die weitere Sachaufklärung gibt insbesondere auch Gelegenheit, der Frage nachzugehen, ob in anderen Verfahren als dem vorliegenden unmittelbar vor dem 22. November 2010 - als die Störung des gerichtlichen Empfangsgeräts betreffend den Aufdruck der Eingangszeit noch nicht bestand - bei dem Berufungsgericht Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten des Klägers eingegangen sind, die die hier in Rede stehende zeitliche Divergenz zum Sendezeitpunkt aufweisen; auf der Grundlage des Klägervortrags müsste dies der Fall sein. Da die Prozessbevollmächtigten des Klägers in L. ansässig sind, liegt die Annahme zumindest nicht fern, dass sie zum fraglichen Zeitpunkt auch in weiteren Verfahren bei dem Berufungsgericht tätig waren und Schriftsätze (mittels Telefax) eingereicht haben.

In seine abschließende Würdigung wird das Berufungsgericht auch den erklärungsbedürftigen Umstand einzubeziehen haben, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers, der nach dem Klägervortrag einerseits einen - bislang nicht bei den Gerichtsakten befindlichen - Sendebericht erhalten hat, wonach der Eingang des Telefaxes bei dem Berufungsgericht eindeutig verspätet erfolgte, andererseits bei Ausdruck eben dieses Berichts gesehen haben will, dass die Funkuhr eine hiervon abweichende Uhrzeit "deutlich" vor Mitternacht anzeigte, dieser Divergenz offenbar seinerzeit keinerlei Bedeutung beigemessen hat.

Die umfassende Ausschöpfung der dem Berufungsgericht zu Gebote stehenden Erkenntnismöglichkeiten erscheint hier nicht zuletzt auch deshalb unerlässlich, weil - ungeachtet der grundsätzlich den Kläger treffenden Beweislast - die bestehende Unsicherheit hinsichtlich der zutreffenden Eingangsdaten zumindest auch auf einem Defekt des gerichtlichen Empfangsgeräts beruht.

Vorinstanz: OLG Karlsruhe, vom 07.02.2011 - Vorinstanzaktenzeichen 17 U 213/10
Vorinstanz: LG Mannheim, vom 07.09.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 11 O 339/09