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BGH - Entscheidung vom 20.09.2012

3 StR 367/12

Normen:
StGB § 24 Abs. 1 S.1

Fundstellen:
NStZ-RR 2013, 105

BGH, Beschluss vom 20.09.2012 - Aktenzeichen 3 StR 367/12

DRsp Nr. 2012/20994

Rücktritt von einer versuchten Körperverletzung i.R.e. Festnahme durch den Ladendetektiv

Ein fehlgeschlagener Versuch liegt vor, wenn der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges nicht mehr für möglich hält.

Tenor

1.

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 12. Juni 2012 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

a)

soweit der Angeklagte wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist,

b)

im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Normenkette:

StGB § 24 Abs. 1 S.1;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls und wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg, im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO .

Die Verurteilung wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Nach den Feststellungen wurde der Angeklagte, nachdem er in einem Drogeriemarkt eine Plastikbox mit Rasierklingen entwendet hatte, von dem Ladendetektiv des Geschäfts verfolgt und schließlich gestellt. Da er sich der Festnahme entziehen wollte, griff der Angeklagte den Detektiv mit Schlägen und Tritten an, der indes nicht zurückschlug, sondern versuchte, den Angeklagten durch Haltegriffe zu fixieren. Es entwickelte sich ein Handgemenge, in dessen Verlauf der Angeklagte mehrfach mit einer von ihm mitgeführten, handelsüblichen Nagelfeile mit einer Klingenlänge von sieben Zentimetern nach dem Detektiv stach - einer der Stiche kam dem Gesicht sehr nahe -, ohne diesen jedoch zu treffen. Im weiteren Verlauf gingen beide zu Boden; dem Angeklagten gelang es, sich aus dem Haltegriff zu befreien und er floh, bevor er von der zwischenzeitlich verständigten Polizei festgenommen wurde.

2. Das Landgericht hat nicht geprüft, ob der Angeklagte vom Versuch der gefährlichen Körperverletzung zurückgetreten ist, obwohl sich diese Prüfung nach den Umständen des Falles aufdrängte. Dies ist rechtsfehlerhaft.

Nach den bisherigen Feststellungen bleibt insbesondere die Möglichkeit offen, dass ein unbeendeter Versuch der gefährlichen Körperverletzung vorlag mit der möglichen Folge, dass der Angeklagte davon ohne weiteres Tätigwerden mit strafbefreiender Wirkung zurückgetreten sein könnte (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StGB ). Die Urteilsgründe verhalten sich bereits nicht zu der Frage, ob der Angeklagte im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung im Besitz der Nagelfeile verblieb; die Strafkammer hat lediglich ausgeführt, dass er sie trotz der Aufforderung des Ladendetektivs nicht freiwillig fallen ließ. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass der Angeklagte die Nagelfeile bis zu seiner Festnahme in der Hand behielt und jederzeit wieder damit hätte zustechen können. Für die Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs, der vorliegt, wenn der Zurücktretende den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges nicht mehr für möglich hält (SSW -StGB/Kudlich/Schuhr, 1. Aufl., § 24 Rn. 16 mwN), ist unter dieser Voraussetzung kein Raum. Ebensowenig zwingt der Umstand, dass der Angeklagte die Nagelfeile nicht freiwillig fallen ließ, zu dem Schluss, er habe nicht freiwillig von weiteren Stichen gegen den Ladendetektiv abgesehen. Schließlich ist ein strafbefreiender Rücktritt auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Angeklagte zwischenzeitlich sein außertatbestandliches Ziel, sich aus dem Griff des Ladendetektivs zu lösen, erreicht hatte (BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 - GSSt 1/93, BGHSt 39, 221 ).

3. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung bedingt auch die Aufhebung der von dem Rechtsfehler nicht betroffenen Verurteilung wegen der tateinheitlich dazu begangenen (einfachen) Körperverletzung. Die damit verbundene Aufhebung der für diese Tat verhängten Einzelstrafe entzieht auch dem Gesamtstrafenausspruch seine Grundlage. Um dem neuen Tatrichter eine Beurteilung auf widerspruchsfreier Grundlage zu ermöglichen, hat der Senat auch die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen aufgehoben.

Vorinstanz: LG Düsseldorf, vom 12.06.2012
Fundstellen
NStZ-RR 2013, 105