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BGH - Entscheidung vom 26.09.2012

5 StR 402/12

Normen:
BtMG § 31

BGH, Beschluss vom 26.09.2012 - Aktenzeichen 5 StR 402/12

DRsp Nr. 2012/21381

Revisionsgerichtliche Überprüfung einer Beweiswürdigung im Zusammenhang mit einer Verurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bautzen vom 15. März 2012 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Normenkette:

BtMG § 31 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet das Verfahren. Die Revision hat bereits mit der Sachrüge Erfolg; auf die Verfahrensrügen kommt es nicht mehr an.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts kaufte und übernahm der Angeklagte am 9. Juli 2010 in seiner Wohnung von dem Zeugen D. 500 g Marihuana guter Qualität zu einem Grammpreis von 5,50 € zum Eigenverbrauch (Fall II.1). Danach kaufte und übernahm der Angeklagte bis zum 22. Oktober 2010 zu den bereits angeführten Konditionen an zwei nicht genau bestimmbaren Tagen jeweils 1.500 g Marihuana, wobei jeweils 500 g zum Eigenkonsum und 1.000 g zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt waren, sowie nochmals 500 g Marihuana zum Eigenkonsum an einem nicht mehr genau bestimmbaren Tag nach dem 16. September 2010 (Fälle II.2 bis 4).

2. Die vom Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der teilgeständige Angeklagte hat lediglich das unter II.1 festgestellte Betäubungsmittelgeschäft vom 9. Juli 2010 insoweit eingeräumt, als er eine kleinere Menge Marihuana für 100 € erworben habe, einen Kontakt zwischen D. und dem Drogeninteressenten L. hergestellt und später einmal zur Unterstützung eines dann nicht zustande gekommenen Betäubungsmittelhandels mit einem Dritten, den er nicht benennen wolle, eine E-Mail an D. gesandt habe. Im Übrigen hat der Angeklagte die Taten bestritten. Das Landgericht stützt die Verurteilung des Angeklagten im Wesentlichen auf den Hauptbelastungszeugen D. , der bereits wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in elf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt worden ist und dem im eigenen Strafverfahren eine Strafmilderung nach § 31 BtMG sowie Zeugenschutz gewährt worden ist.

Der Zeuge D. , der in der Hauptverhandlung die Taten wie festgestellt schilderte und angab, bei seiner ersten Fahrt in den Raum Dresden insgesamt 2 kg Marihuana zum gewinnbringenden Weiterverkauf mitgeführt zu haben, änderte in früheren Vernehmungen mehrfach seine Aussage. Soweit es die Urteilsgründe erkennen lassen, belastete er den Angeklagten mit einer Ende Januar 2011 in Vorbereitung zu seiner ersten Beschuldigtenvernehmung gefertigten handschriftlichen Notiz mit den Worten: "R. Raus (Radeberg) regelmäßig 2 kg alle zwei Wo an Krystal Küche" (UA S. 13), benannte hingegen in den nachfolgenden Beschuldigtenvernehmungen im Februar 2011 den Angeklagten nicht als einen seiner Abnehmer. Nach Mitteilung der Revision berichtete der Zeuge D. erstmals im Juli 2011 von einem Verkauf an den Angeklagten. Dazu verhalten sich die Urteilsgründe nur insofern, als sie die Begründung des Zeugen D. ohne nähere Bewertung als plausibel hinnehmen, wonach dieser sich frühere Angaben aus Januar und Februar 2011 nicht erklären könne, zu dieser Zeit jedoch wegen Drohungen gegen sich und seine Familie verwirrt gewesen sei und sich erst bei seinen späteren Aussagen im Juli 2011 mit dem Sachverhalt habe näher beschäftigen und intensiv auf die Vernehmung vorbereiten können (UA S. 13). Der nähere Inhalt der den Angeklagten belastenden früheren Angaben des Zeugen D. wird nicht mitgeteilt. Weitere Abweichungen im Aussageverhalten finden sich darin, dass der Zeuge D. den Gesamtumfang des von ihm gehandelten Marihuanas "im Laufe der Zeit" mengenmäßig deutlich reduziert habe (UA S. 13) und im Rahmen einer Verständigung im eigenen Strafverfahren angegeben habe, nur 500 g Marihuana - statt wie in diesem Verfahren festgestellt 2 kg Marihuana - bei seiner ersten Fahrt in den Raum Dresden/Radeberg mitgeführt zu haben (UA S. 14). Den Angaben des Zeugen St. , der zwar die Übergabe des Marihuanas an den Angeklagten bei dem Treffen am 9. Juli 2010 nicht mitbekommen haben will, jedoch bekundete, der Angeklagte habe "kein Interesse an größeren Mengen gezeigt", aber "für den Eigenbedarf eine kleine Menge haben wollen" (UA S. 9), und des Zeugen N. , der gesehen haben will, dass der Angeklagte bei diesem Treffen "für etwa 5,00 bis 10,00 Euro eine geringe Menge an Betäubungsmittel gekauft habe" (UA S. 11), folgte die Strafkammer nicht. Obwohl das Landgericht auf die früheren Widersprüche in der Vernehmung des Zeugen D. eingegangen ist und zudem auch erörtert hat, warum die Angaben anderer Zeugen nicht geeignet seien, die Glaubhaftigkeit des Hauptbelastungszeugen zu erschüttern, begegnet die Beweiswürdigung durchgreifenden Bedenken.

3. Bereits die unkonstanten Angaben des Zeugen D. aus den früheren Vernehmungen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. November 2010 - 2 StR 497/10 und vom 17. Januar 2002 - 3 StR 417/01, StV 2011, 524 und 2002, 470 , 471), die das Landgericht über Vorhalte eingeführt hat, hätten ebenso wie die dem Zeugen D. gewährte Strafmilderung Anlass für eine besonders sorgfältige Würdigung seiner Aussage geben müssen. Hinzu kommt, dass in einem Fall, in dem ein Angeklagter zwar nicht allein, aber doch überwiegend durch die Angaben eines selbst tatbeteiligten Zeugen überführt werden soll, die Urteilsgründe erkennen lassen müssen, dass der Tatrichter alle Umstände, die die Entscheidung zu beeinflussen geeignet sind, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Dazu hätte die Strafkammer die Entstehung und den Inhalt der den Angeklagten belastenden Angaben sowie deren Entwicklung näher darlegen und bewerten müssen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Mai 2008 - 2 StR 147/08, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung, unzureichende 19, vom 17. März 2009 - 4 StR 662/08, NStZ-RR 2009, 212 , und vom 4. August 2004 - 5 StR 267/04). Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht gerecht.

a) Es fehlt bereits an einer ausreichenden Darlegung des näheren Verlaufs und der Inhalte früherer Vernehmungen. Es erschließt sich nicht ausreichend klar, in welcher Weise der Zeuge D. den Angeklagten in früheren Vernehmungen belastet hat. Soweit in den Urteilsgründen darüber hinaus Abweichungen in der Menge der gehandelten Betäubungsmittel "im Laufe der Zeit" erwähnt werden, wird nicht näher mitgeteilt, worin diese liegen. Die Urteilsgründe beschränken sich lediglich auf die pauschale Widergabe in den früheren Angaben des Zeugen aufgetretener Widersprüche. Eine Auseinandersetzung mit den - ohnehin nur bruchstückhaft erwähnten - früheren Angaben des Zeugen D. findet nicht statt. Solche Angaben vermögen deshalb weder ein verlässliches Bild über die Person des Hauptbelastungszeugen zu vermitteln noch darüber, ob und inwieweit in Betracht kommt, dass dessen Angaben durch Vorteile im eigenen Strafverfahren, insbesondere denen der Strafmilderung nach § 31 BtMG veranlasst gewesen sein könnten.

b) Auch die Würdigung der Angaben des Zeugen D. greift zu kurz. Sie erschöpft sich in der kritiklos hingenommenen Wiedergabe eigener Erklärungen des Zeugen zu den aufgezeigten Widersprüchen (z. B. "als Zeuge müsse er aber nun die Wahrheit sagen, was er tue" UA S. 14), und in der nicht weiter tatsachenfundierten Wertung, dass er "stimmig und detailreich ohne Belastungstendenz" das Tatgeschehen geschildert habe (UA S. 12) und um eine verlässliche Aussage bemüht gewesen sei (UA S. 13). Die vom Landgericht ausdrücklich vorgenommene "kritische Gesamtwürdigung" (UA S. 14) im Hinblick auf den dem Zeugen D. gewährten Zeugenschutz und die Anwendung des § 31 BtMG lässt nur erkennen, dass sich das Tatgericht der Motivationslage des Zeugen bewusst war; eine tatsächliche Würdigung ist den Urteilsgründen hingegen nur formelhaft zu entnehmen.

c) Der Senat verkennt nicht, dass die eigene Einlassung des Angeklagten, die detailreichen Schilderungen des Zeugen D. zur Tat II.1 sowie eine E-Mail vom 16. September 2009 gewisse objektive Anhaltspunkte für die Glaubwürdigkeit des Zeugen D. darstellen können. Die insgesamt zu knappen Ausführungen zu dem Inhalt seiner Aussagen und ihrer Entstehungsgeschichte im Lichte der dem Zeugen im eigenen Strafverfahren gewährten Vorteile vermögen indes eine lückenlose, hinreichend kritische und für das Revisionsgericht nachvollziehbare Beweiswürdigung nicht wirksam zu gewährleisten.

4. Der Senat weist anhand erhobener Beweisantragsrügen darauf hin, dass Anträge auf Zeugenvernehmung von Vernehmungspersonen über bestimmt behauptete frühere Angaben von Belastungs- und Entlastungszeugen inhaltlich nach Maßgabe des § 244 Abs. 3 Satz 2, Abs. 6 StPO und nicht nach § 244 Abs. 2 StPO zu bescheiden sind.

Vorinstanz: LG Bautzen, vom 15.03.2012