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BGH - Entscheidung vom 20.03.2012

4 StR 20/12

Normen:
StGB § 223 Abs. 1
StGB § 224 Abs. 1 Nr. 2

BGH, Beschluss vom 20.03.2012 - Aktenzeichen 4 StR 20/12

DRsp Nr. 2012/7461

Qualifizierung einer eingesetzten Pumpsprühflasche mit Haushaltsreiniger als gefährliches Werkzeug nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB

1. Ein gefährliches Werkzeug ist jeder Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen.2. Eine Pumpsprühflasche mit Haushaltsreiniger stellt auch bei einem aus kurzer Distanz verübten Sprühstoß in Richtung des Gesichts des Tatopfers nicht ohne weiteres ein gefährliches Werkzeug dar.

Tenor

1.

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 7. November 2011

a)

im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Körperverletzung schuldig ist;

b)

im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht - Strafrichter - Aschersleben zurückverwiesen.

3.

Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Normenkette:

StGB § 223 Abs. 1 ; StGB § 224 Abs. 1 Nr. 2 ;

Gründe

Mit Urteil vom 3. Mai 2010 hatte das Landgericht den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen versuchter sexueller Nötigung zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft hob der Senat dieses Urteil, soweit der Angeklagte verurteilt worden war, auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung zurück. Nunmehr hat das Landgericht den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Hiergegen richtet sich die mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zur Änderung des Schuld- und Aufhebung des Strafausspruchs; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO .

Die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung kann nicht bestehen bleiben, weil die Wertung der Strafkammer, die bei dem tätlichen Angriff des Angeklagten gegen das Tatopfer eingesetzte Pumpsprühflasche mit Haushaltsreiniger sei als gefährliches Werkzeug nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB zu qualifizieren, einer rechtlichen Prüfung nicht standhält.

Ein gefährliches Werkzeug im Sinne dieser Vorschrift ist jeder Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen (st. Rspr., vgl. BGH, Urteile vom 27. Januar 2011 - 4 StR 487/10, NStZ-RR 2011, 275 , 276; vom 27. September 2001 - 4 StR 245/01, NStZ 2002, 86 ). Nach den Feststellungen der Strafkammer nahm der Angeklagte die Pumpsprühflasche mit dem Haushaltsreiniger und sprühte aus kurzer Distanz einen Sprühstoß in Richtung des Gesichts des Tatopfers, das an der rechten Gesichtshälfte getroffen wurde. Der Sprühstoß aus der Flasche konnte "gegebenenfalls eine Reizreaktion" aufgrund der enthaltenen Chemikalien, nicht aber Defekte der Hornhaut des Auges oder der Haut zur Folge haben. Tatsächlich trug das Opfer eine vorübergehende Reizung des rechten Auges davon. Damit ist die für die Annahme eines gefährlichen Werkzeugs nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB erforderliche potentielle Gefährlichkeit der konkreten Benutzung des Werkzeugs (vgl. BGH, Beschluss vom 5. September 2006 - 4 StR 313/06, NStZ 2007, 95 ) nicht belegt. Die bloße Eignung, nicht näher konkretisierte Reizreaktionen auszulösen, reicht hierfür nicht aus. Soweit die Strafkammer in ihrer rechtlichen Würdigung auf mögliche Entzündungen der Bindehäute und Reizungen der Haut verweist, wird dies durch die Urteilsausführungen zur Beweiswürdigung, insbesondere zu den wiedergegebenen Darlegungen des hierzu gehörten rechtsmedizinischen Sachverständigen, nicht getragen.

Der Angeklagte hat sich daher lediglich der vorsätzlichen Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB schuldig gemacht. Der erforderliche Strafantrag des Tatopfers ist form- und fristgerecht gestellt. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend.

Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung der verhängten Freiheitsstrafe. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 3 StPO Gebrauch und verweist die Sache an das Amtsgericht - Strafrichter - Aschersleben zurück, dessen Strafgewalt ausreicht.

Vorinstanz: LG Magdeburg, vom 07.11.2011