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BGH - Entscheidung vom 14.02.2012

X ZR 121/10

BGH, Urteil vom 14.02.2012 - Aktenzeichen X ZR 121/10

DRsp Nr. 2012/9387

Neuheit einer Vorrichtung zur Reinigung der Abgase eines Verbrennungsmotors

Tenor

Die Berufung gegen das am 22. April 2010 verkündete Urteil des 10. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des am 13. Dezember 1999 angemeldeten deutschen Patents 199 59 955 (Streitpatents), das eine Unionspriorität vom 14. Dezember 1998 in Anspruch nimmt und eine Vorrichtung zur Reinigung der Abgase eines Verbrennungsmotors sowie die Verwendung einer solchen Vorrichtung betrifft. Das Streitpatent umfasst zehn Vorrichtungsansprüche, von denen die Patentansprüche 2 bis 10 auf Patentanspruch 1 rückbezogen sind, sowie einen Verwendungsanspruch 11. Die Patentansprüche 1 und 11 lauten in der erteilten Fassung wie folgt:

"1.

Vorrichtung zur Reinigung der Abgase eines Verbrennungsmotors in aufeinanderfolgenden Filtrations und Regenerationsphasen, der Art, die einen Auspufftopf (12) umfasst, der nacheinander eine katalytische Reinigungsvorrichtung (18) und einen Partikelfilter (20) umfasst, der geeignet ist, während der Filtrationsphasen an seiner vorderen Seite Rußpartikel aufzufangen und zu erlauben, dass die Rußpartikel während der Regenerationsphasen verbrannt werden, um Asche zu bilden, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass der Auspufftopf (12) Vorrichtungen zum Zugang zur vorderen Seite des Partikelfilters (20) umfasst, welche Zugangsvorrichtungen einen ausreichenden Querschnitt haben, um eine Reinigung des Partikelfilters (20) durch Entfernen der an der vorderen Seite des Filters aufgefangenen Asche zu ermöglichen.

11.

Verwendung eines Auspufftopfes (12) in einer Reinigungsvorrichtung für die Abgase eines Verbrennungsmotors mit aufeinanderfolgenden Filtrations und Regenerationsphasen, welcher Auspufftopf umfasst: in Serie geschaltet eine katalytische Reinigungsvorrichtung (18) und einen Partikelfilter (20), wobei der Partikelfilter geeignet ist, während der Filtrationsphasen an seiner vorderen Seite Rußpartikel zurückzuhalten und während der Regenerationsphasen an seiner hinteren Seite eine Verbrennung der Rußpartikel in Asche zu erlauben, und Vorrichtungen (36; 60) zum Zugang zur vorderen Seite des Partikelfilters (20), wobei diese Zugangsvorrichtungen einen Querschnitt aufweisen, der für eine Reinigung des Partikelfilters geeignet ist, um den Abzug der an der vorderen Seite des Partikelfilters zurückgehaltenen Asche zu ermöglichen."

Die Klägerin hat u.a. geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei weder neu noch beruhe er auf erfinderischer Tätigkeit. Sie hat sich dazu auf zahlreiche Entgegenhaltungen, insbesondere auf den Artikel von P. Hawker et al., Experience with the new particulate trap technology in Europe, SAE Technical Paper Series No. 970 182 (NK4, Übersetzung NK4a) und die europäische Patentanmeldung 405 310 (NK6), die bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt wurde, gestützt.

Die Beklagte hat das Streitpatent hilfsweise mit den Antragsfassungen III bis V verteidigt, wegen deren Wortlauts auf das angegriffene Urteil Bezug genommen wird.

Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung, mit der sie das Streitpatent in erster Linie in der erteilten Fassung, sodann mit den drei in erster Instanz hilfsweise geltend gemachten Antragssätzen und hilfsweise mit einem weiteren Antragssatz verteidigt. Nach dem weiteren Hilfsantrag VI (Hilfsantrag BGH 1) lautet Patentanspruch 1 wie folgt (Änderungen aus den bisherigen Hilfsanträgen einfach unterstrichen, weitere Merkmale doppelt unterstrichen):

"1. Vorrichtungen zur Reinigung der Abgase eines mit katalytischem Additiv enthaltendem Kraftstoff betriebenen Verbrennungsmotors in aufeinanderfolgenden Filtrations- und Regenerationsphasen, der Art, die einen Auspufftopf (12) umfasst, der nacheinander eine katalytische Reinigungsvorrichtung (18) und einen Partikelfilter (20) umfasst, der geeignet ist, während der Filtrationsphasen an seiner vorderen Seite Rußpartikel mit von dem katalytischen Additiv stammenden Oxyden aufzufangen und zu erlauben, dass die Rußpartikel während der Regenerationsphasen vollständig und/oderbis zur Wiederherstellung der ursprünglichen Eigenschaften des Partikelfilters (20) verbrannt werden, um Asche zu bilden, dadurch gekennzeichnet, dass der Auspufftopf eine äußere Hülle mit einer zylindrischen Wand (24), ein divergierendes Ende (26), das ein Eingangsrohr (28) mit der zylindrischen Wand (24) verbindet, sowie ein konvergierendes Ende (30), das in ein Ausgangsrohr (30) mündet aufweist, und Vorrichtungen (12) zum Zugang zur vorderen Seite des Partikelfilters (20) umfasst, welche Zugangsvorrichtungen entweder

a) eine Öffnung (36, 42), die gegenüber der entsprechenden Fläche des Partikelfilters (20) zu öffnen ist, sowie einen abnehmbaren Verschlussstopfen (40, 46) umfasst,

oder

b) eine transversale Unterbrechung der äußeren Hülle an ihrem ganzen Umfang umfasst, welche Unterbrechung die äußere Hülle in zwei aufeinanderfolgende Teilstücke trennt, zwischen denen eine Dichtung vorgesehen ist, wobei

b1) der Verbindung der Teilstücke dienende Flansche, die gemeinsam einen Nockenwirkung bereitstellenden Kegelstumpf bilden, daran endseitig angeschweißt sind,

b2) die einander gegenüberliegenden Enden der Teilstücke radial nach außen verformt sind, um der Verbindung der Teilstücke dienende Kragen zu bilden, an denen mittels Spannbolzen beaufschlagbare Flansche aufliegen,

b3) der Verbindung der Teilstücke dienende mittels Spannbolzen beaufschlagbare Flansche daran einseitig angeschweißt sind, oder

b4) die aufeinander gegenüberliegenden Enden der Teilstücke radial nach außen verformt sind, um der Verbindung der Teilstücke dienende peripherische Verformungen zu bilden, wobei zumindest eines der gegenüberliegenden Enden einen in das andere Ende einführbaren der koaxialen Positionierung der Teilstücke dienenden Fortsatz aufweist, und/oder die der Verbindung der Teilstücke dienende peripherische Verformungen, gemeinsam einen Nockenwirkung bereitstellenden Kegelstumpf bilden,

wobei die Zugangsvorrichtungen einen ausreichenden Querschnitt habenund dazu vorgesehen sind, eine Reinigung des Partikelfilters (20) durch Entfernen der an der vorderen Seite des Filters aufgefangenen Asche durch Eintauchen in eine oder durch Einspritzen einer Flüssigkeit zu ermöglichen."

Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel auch soweit es sich auf Hilfsantrag VI stützt entgegen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Gegenstand des Streitpatents in den hauptsächlich und hilfsweise beanspruchten Anspruchsfassungen ist durch den Stand der Technik nahegelegt (§ 22 Abs. 1 , § 21 Abs. 1 Nr. 1 , § 4 Satz 1 PatG ).

I. Das Streitpatent betrifft nach seinem Patentanspruch 1 eine Vorrichtung zur Reinigung der Abgase eines Verbrennungsmotors und nach Patentanspruch 11 die Verwendung eines Auspufftopfs in einer solchen Reinigungsvorrichtung.

1. Nach der Patentbeschreibung werden derartige Vorrichtungen insbesondere zur Verringerung des Schadstoffausstoßes von Kraftfahrzeugdieselmotoren eingesetzt und sind etwa in der europäischen Patentschrift 405 310 (NK6) beschrieben. Sie bestehen aus einem Katalysator, der zur Behandlung der gasförmigen Schadstoffemissionen dient, und einem Partikelfilter, der zum Auffangen der von dem Motor ausgestoßenen Rußpartikel vorgesehen ist. Der Partikelfilter arbeite, so erläutert die Patentschrift weiter, in einer Folge von Filtrations und Regenerationsphasen. In den Filtrationsphasen schlügen sich die vom Motor ausgestoßenen Rußpartikel an der Vorderseite des Filters nieder, während sie in der Regenerationsphase an der Vorderseite des Filters verbrannt würden, wobei zur Erreichung einer adiabatischen Endtemperatur für den Verbrennungsvorgang eine dosierte Menge an verdampften Brennstoff in den Einströmstutzen des Auspufftopfes eingespeist werde (Streitpatent Abs. 2).

Die Patentbeschreibung gibt weiter an, dass dem Kraftstoff zur Unterstützung der Regeneration des Partikelfilters ein katalytisches Additiv beigefügt werden könne, das die Verbrennungstemperatur des Rußes herabsetze und organischmetallische Verbindungen enthalte (Abs. 3). Während der Regenerationsphase des Partikelfilters würden aus der Verbrennung entstehende Metalloxidreste als Asche an der Vorderseite des Filters zurückgehalten. Die Anhäufung der Asche beeinträchtige bei längerem Betrieb die Eigenschaften des Partikelfilters und dessen Regenerationsvermögen, was den Austausch der kompletten Reinigungsvorrichtung erfordere (Abs. 4, 5).

2. Durch das Streitpatent soll deshalb eine Vorrichtung zur Verfügung gestellt werden, die die Unterhalts und Wartungskosten verringert und gleichzeitig einen zufriedenstellenden Betrieb des darin enthaltenen Partikelfilters über lange Zeit gewährleistet (Abs. 6).

3. Hierzu wird in Patentanspruch 1 eine Vorrichtung zur Reinigung der Abgase eines Verbrennungsmotors mit folgenden Merkmalen vorgeschlagen (Gliederung des Patentgerichts in eckigen Klammern):

1. Die Vorrichtung [M1] umfasst einen Auspufftopf (12) [M3], der aufweist

1.1 eine katalytische Reinigungsvorrichtung (18) [M4] und

1.2 nachfolgend einen Partikelfilter (20) [M5].

2. Die Vorrichtung dient zur Reinigung der Abgase in aufeinanderfolgenden Filtrations- und Regenerationsphasen [M2].

3. Der Partikelfilter (20)

3.1 ist geeignet, während der Filtrationsphasen an seiner Vorderseite Rußpartikel aufzufangen, [M5] und

3.2 erlaubt es, die Rußpartikel während der Regenerationsphasen zu Asche zu verbrennen [M6].

4. Es sind Vorrichtungen zum Zugang zur vorderen Seite des Partikelfilters (20) vorgesehen [M7], die

4.1 einen ausreichenden Querschnitt haben, um eine Reinigung des Partikelfilters (20) durch Entfernen der an seiner Vorderseite aufgefangenen Asche zu ermöglichen [M8].

Die nachfolgend dargestellte Figur 1 des Streitpatents zeigt eine derartige Abgasreinigungsvorrichtung im Längsschnitt.

4. Bei dem Betrieb von Dieselmotoren bleiben Partikel, die möglicherweise krebserregend sind, im Dieselabgas zurück. Sie können mit Hilfe von Filtertechniken entfernt werden, wobei die Filter nach der Abscheidung der Partikel regeneriert werden müssen. Eine Selbstregeneration ist wegen der hohen Zündtemperatur von Dieselruß, die im Allgemeinen bei 500-650°C liegt, und der niedrigeren Abgastemperatur nicht möglich. Daher werden eine externe Energiezufuhr oder sonstige externe Maßnahmen zur Beseitigung der eingefangenen Partikel benötigt. Regeneration ist möglich durch Erhöhung der Abgastemperatur oder durch Reduzierung der Rußzündtemperatur (vgl. die von den Parteien nicht in Frage gestellte Darstellung des Stands der Technik in der Studie von Jianxin Ma et. al., Abatement of Particulate Emissions from Diesel-Powered Engines - a Review, Research Centre, Hong Kong University of Science and Technology, April 1994, NK22, Übersetzung NK22a, Punkt 4.1.4.2 Regeneration of Particulate Filters). Den ersten Fall erwähnt die Patentbeschreibung bei der Darstellung des Stands der Technik in Absatz 2 mit Blick auf die europäische Patentanmeldung 405 310 (NK6). Daran anschließend wird der zweite Fall die Herabsetzung der Verbrennungstemperatur des Rußes durch Hinzufügung eines katalytischen Additivs erörtert. Die Herabsetzung der Verbrennungstemperatur kann auch durch das Beschichten des Filters mit einem Rußverbrennungskatalysator erreicht werden. Nach der letztgenannten Methode funktioniert das CRT-Verfahren (Continuously Regulating Trap) als passives Reinigungsverfahren, bei dem der entstehende Ruß kontinuierlich bei relativ niedrigen Temperaturen durch Oxidation verbrannt wird. Das letztgenannte Verfahren wird im Streitpatent nicht ausdrücklich erwähnt. In den Patentansprüchen ist auch kein Schutz für eines dieser Verfahren beansprucht, sondern für eine Vorrichtung, deren Auspufftopf Zugangsvorrichtungen zur Vorderseite des Partikelfilters enthält, die mit einem ausreichenden Querschnitt eine Reinigung des Partikelfilters ermöglichen sollen (Abs. 7).

II. Das Patentgericht hat angenommen, der Gegenstand der Erfindung beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit. In dem Aufsatz "Experience with the new particulate trap technology in Europe" von Hawker et al. (NK4) sei eine Vorrichtung zur Reinigung der Abgase eines Verbrennungsmotors beschrieben, die mit Ausnahme des Merkmals 2 (aufeinanderfolgende Filtrationsphasen und die Regenerationsphasen) alle Merkmale des Patentanspruchs 1 aufweise. Dies gelte insbesondere auch für Zugangsvorrichtungen im Sinne der Merkmale 4 und 4.1 [M7 und M8], da der bekannte Auspufftopf aus Modulen bestehe, die mittels V-Bandschellen miteinander verbind- und lösbar seien und damit Zugänge mit ausreichendem Querschnitt bereitstelle, die einen Austausch des Partikelfilters und seine Reinigung ermöglichten. Der Fachmann, ein in der Motorenentwicklung tätiger Maschinenbauingenieur mit einschlägigen Kenntnissen und Erfahrungen auf dem Gebiet der Abgasnachbehandlung, insbesondere mit Rußpartikelfiltern, messe der Arbeitsweise der Reinigungsvorrichtung (Merkmal 2) zur Lösung der Aufgabe, die Kosten zu verringern und die Filterstandzeit zu erhöhen, keine besondere Bedeutung bei. Ihm sei geläufig, dass unabhängig von den möglichen Verfahrensabläufen der Filtration und Regeneration bei jeder Art von Rußabbrand Asche entstehe, die bei Ascheanhäufung zu entfernen sei. Daher ziehe der Fachmann gerade die Entgegenhaltung NK4 näher in Betracht, da sie auch Hinweise auf die Entfernung von beim Rußabbrand entstandener Asche gebe und dafür geeignete Zugangsvorrichtungen zur vorderen Partikelfilterseite bereitstelle. Auch die Gegenstände der Hilfsanträge seien, wie das Patentgericht näher ausgeführt hat, durch den Stand der Technik nahegelegt.

III. Dies hält den Angriffen der Berufung stand.

1. Die nach der erteilten Fassung des Streitpatents beanspruchte Vorrichtung beruht ebenso wie die beanspruchte Verwendung nicht auf erfinderischer Tätigkeit, da sie sich für den Fachmann zum Prioritätszeitpunkt in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergaben (§ 22 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 1 Nr. 1 , § 4 PatG ).

a) Das Fachgebiet, zu dem die Lehre des Streitpatents gehört, ist die Entwicklung von (Diesel )Motoren, mit der, wie das Patentgericht zutreffend festgestellt hat, Maschinenbauingenieure befasst sind. Dies stellt auch die Beklagte nicht grundsätzlich in Abrede. Sie meint allerdings, die Erkenntnis des Streitpatents, dass die im Brennstoff enthaltene Additiv-Verbrennung zu unverhältnismäßiger Aschebildung führe, sei chemischen Ursprungs. Auch seien die Dokumente NK4 und NK6 von Chemikern verfasst und richteten sich an chemisch ausgebildete Leser und nicht an Maschinenbauer.

Das Streitpatent befasst sich mit dem Problem, einen Austausch der kompletten Reinigungsvorrichtung (oder zumindest von Teilen) zu vermeiden, deren Funktionalität durch die aus dem Verbrennungsprozess entstehenden Aschepartikel beeinträchtigt wird. Das Problem wird nicht mit chemischen, sondern mit mechanischen Mitteln, nämlich dadurch gelöst, dass ein Zugang zu dem Partikelfilter bereitgestellt wird, der dessen "mechanische" Reinigung ermöglicht. Hierzu ist der Maschinenbauingenieur berufen.

Im Übrigen wird der mit der Funktionalität der Reinigungsvorrichtung befasste Maschinenbauer stets alle technischen und damit auch die chemischen Wirkungen im Blick haben, die die Kraftstoffverbrennung verursacht, sei es die Temperaturentwicklung, sei es den Schadstoffausstoß oder den Umfang der durch die Rußverbrennung angefallenen Asche. Der Ingenieur, der bei einem Motorenhersteller mit Abgasreinigungsvorrichtungen befasst ist, wird deshalb entweder über eigene Kenntnisse der in Frage kommenden chemischen Prozesse verfügen oder sich bei einem Chemieingenieur, der zum Entwicklungsteam gehört, kundig machen. Ein derartig vorgebildeter Fachmann wird die Entgegenhaltungen NK4, die eine "neue Partikelfiltertechnologie (New Particulate Trap Technology)" offenbart, und NK6, die ein Verfahren zur Regeneration von Rußfiltern und damit sowohl die notwendigen Maschinenelemente als auch die ablaufenden chemischen Prozesse betrifft, heranziehen. Der Einwand der Beklagten, die Abhandlung NK4 betreffe das passive und kontinuierliche Reinigungsverfahren und werde deshalb vom Fachmann, der beim Streitpatent von einer aktiven Reinigung ausgehe, nicht berücksichtigt, verfängt nicht. Entscheidend ist, dass der Fachmann unabhängig von Einzelheiten der Verfahrensführung mit ähnlichen Fragestellungen und Problemen zur Konstruktion und Funktionalität von Katalysator und Partikelfilter, wie hier dem Problem der Ascheansammlung und ihrer Bewältigung, konfrontiert ist. Im Übrigen belegt die bereits erwähnte Veröffentlichung von Jianxin Ma et. al. (NK22), dass im Stand der Technik eine Kombination der einzelnen Methoden erwogen worden ist, um eine hinreichend zuverlässige Regeneration zu erreichen (NK22 unter 4.1.4.2.4 "...any sing le measure will not satisfactorily provide reliable regeneration under common driving conditions. Instead, a combination of the methods mentioned above is needed"). Wenn der Fachmann aber eine Kombination der einzelnen Methoden erwog, hatte er Anlass, zur Weiterentwicklung von entsprechenden Vorrichtungen und deren Verwendung den Stand der Technik zu Abgasreinigungsvorrichtungen unterschiedlicher Art heranzuziehen.

b) Die europäische Patentanmeldung 405 310 (NK6), die in Absatz 2 des Streitpatents als zum Stand der Technik gehörend erwähnt ist, betrifft ein Verfahren zur Regeneration von Rußfiltern an Dieselmotoren. Bei dem Verfahren nach dieser Entgegenhaltung wird in dem Auspufftopf das Motorabgas einem dem Rußfilter vorgeschalteten Katalysator (Oxidationskatalysator 5, Fig. 1 der NK6) zugeführt. Die Rußpartikel schlagen sich an der Vorderseite des Rußfilters 6 (Fig. 1 der NK6) nieder und werden bei Belegung des Filters in der darauffolgenden Regenerationsphase verbrannt. Dies entspricht den Merkmalen 1.1, 1.2, 2 und 3.1 des Streitpatents. In der Entgegenhaltung NK6 ist nicht ausdrücklich erwähnt, dass sich beim Abbrand des Rußes Asche bildet, die die Eigenschaften des Partikelfilters beeinträchtigt. Wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat und auch das Streitpatent zugrunde legt, ist dem Fachmann jedoch bekannt, dass unabhängig von dem Ablauf des Reinigungsverfahrens und der Arbeitsweise des Partikelfilters bei jeder Verbrennung von Rußpartikeln Asche entsteht und diese je nach Umfang des Ascheanfalls nach gewisser Zeit das Regenerationsvermögen des Filters verschlechtert. Diese Erkenntnis ist für den Fachmann angesichts eines Verbrennungsvorgangs selbstverständlich; jedenfalls kann er aber auf diese Erkenntnis durch naheliegende Überlegungen stoßen. Entgegen der Ansicht der Berufung ist es anders als bei der Neuheitsprüfung (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 X ZR 89/07, BGHZ 179, 168 Olanzapin) bei der Prüfung erfinderischer Tätigkeit nicht zulässig, eine Entgegenhaltung nur unter dem Gesichtspunkt zu betrachten, was ihr unmittelbar und eindeutig als offenbart zu entnehmen ist. Für die Beurteilung der Frage, ob der Stand der Technik dem Fachmann den Gegenstand der Erfindung nahegelegt hat, ist die ausdrückliche Offenbarung einer einen möglichen Ausgangspunkt für naheliegende Überlegungen des Fachmanns bildenden Schrift und dasjenige, was dieser dort als selbstverständlich mitliest, ebenso heranzuziehen, wie die Schlussfolgerungen, die ihm die unmittelbare Offenbarung aufdrängt oder die zu ziehen er jedenfalls vernünftigen Grund hat. Der Fachmann kann insoweit die Offenbarung durch sein Fachwissen ergänzen und in diesem Rahmen auch weiterführende Überlegungen hinsichtlich der technischen Wirkungen des offenbarten Gegenstands anstellen. Im Streitfall musste der Fachmann danach mit Blick auf die Offenbarung der NK6 auch die Folgen der dort angesprochenen Rußverbrennung und der hierdurch verursachten Aschebildung erwägen.

c) Wie das Patentgericht zutreffend angenommen hat, findet der Fachmann, der bestrebt ist, das Problem zu lösen, einen Austausch der kompletten Vorrichtung wegen der Aschebildung zu vermeiden, in der Abhandlung NK4 hierfür die erfindungsgemäßen Lösungsmittel, nämlich die Schaffung von Zugangsvorrichtungen vor, die eine Reinigung des Partikelfilters durch Entfernen der Asche ermöglichen (Merkmale 4 und 4.1). Die Entgegenhaltung NK4 befasst sich, wie ausgeführt, mit Partikelfiltertechnologie, und zwar nicht nur mit den bei der Kraftstoffverbrennung anfallenden chemischen Reaktionen, sondern auch mit einer entsprechenden Vorrichtung. Es ist sowohl die chemische Funktion des Konzepts (chemical function of the concept, unter 2) als auch die Systementwicklung oder auch Systemkonstruktion (System design, unter 3) beschrieben, wobei die Ausführungen zu der Vorrichtung durch die Figuren 3.1 und 3.2 unterstützt werden, die ein Baukastensystem (modular system) und ein isoliertes System mit Schalldämpfer-Aufbau (insulated system with silencer design) zeigen. Unter "3. System Design" (S. 44 unten) ist ein Auspufftopf (silencer, in der Übersetzung NK4a mit Schalldämpfer bezeichnet) beschrieben, der einen Oxidationskatalysator (oxidation catalyst) und einen Partikelfilter (particulate trap) enthält, wobei der Filter nach dem Katalysator angeordnet ist (to position the trap directly downstream the oxidation catalyst). Der Katalysator ist ausgelegt, um genügend Stickstoffdioxid (NO2) für die Rußverbrennung zu produzieren (the size and the coating of the catalyst ist optimised to produce sufficient NO2 for soot oxidation, S. 43/44). In der NK4 ist auch angesprochen, dass sich vor dem Partikelfilter Asche ansammelt, die hauptsächlich aus anorganischen Resten von Motorschmieröl-Additiven stammt ("...the ash build up from the particulate trap... ", S. 44 re. Sp.).

Die NK4 zeigt weiter Zugangsvorrichtungen zur vorderen Seite des Partikelfilters (Merkmale 4 und 4.1 des Streitpatents). Auf Seite 44 ist eine modulare Ausführung angesprochen, bei der die Katalysator- und Partikelfilterelemente mit V-Bandschellen (vee clamps) verbunden sind. Dadurch soll im Falle eines Defekts der Austausch einzelner Teile auf einfache Weise möglich sein. Auch in der Figur 3.1 der NK4 sind die V-Bandschellen zeichnerisch angedeutet. Wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, stellen die durch die Bandschellen verbundenen und lösbaren Teile der Vorrichtung aus fachmännischer Sicht nicht nur ein Baukastensystem dar, sondern stellen gleichzeitig eine Möglichkeit des Zugangs zur vorderen Seite des Partikelfilters zur Verfügung, um die angefallene Asche entfernen zu können. Dass eine Entfernung der Asche erforderlich ist, um die Vorrichtung funktionsfähig zu halten, wird dem Fachmann in der NK4 im Anschluss an die Erwähnung der vee clamps und des Baukastensystems durch den Hinweis verdeutlicht, das dieses das einfache Ausblasen der Asche erlaube, die sich vor dem Partikelfilter angesammelt hat (this also allows easy blow out of the ash build up from the particulate trap..., S. 44). Der Fachmann wird dabei die Zugangsvorrichtung so dimensionieren, dass die aufgefangene Asche entfernt werden kann. Dass ihr Querschnitt ausreichend groß sein muss, um die Reinigung zu ermöglichen, ergibt sich aus der Gestaltung der NK4 mit den am Außenumfang umlaufenden Bandschellen. Dadurch werden eine Öffnung des Auspufftopfes und ein Zugang in der Größe seines Querschnitts ermöglicht.

d) Patentanspruch 11 betrifft die Verwendung eines Auspufftopfes mit Katalysator und Partikelfilter sowie den in Patentanspruch 1 angegebenen Zugangseinrichtungen zur Ascheentfernung in einer Reinigungsvorrichtung. Dies bezeichnet lediglich die bestimmungsgemäße Verwendung eines nach den Ausführungen zu Patentanspruch 1 nahegelegten Gegenstands und ist daher ebenso wie dieser nahegelegt. Die weitere Angabe, dass der Partikelfilter dazu geeignet sein soll, dass Rußpartikel an seiner hinteren Seite verbrannt werden können, betrifft den Ablauf des Verbrennungsprozesses. Inwiefern dieser für die räumlichkörperliche Ausgestaltung und das Naheliegen einer mit erfindungsgemäßen Zugangseinrichtungen versehenen Reinigungsvorrichtung und die Verwendung eines hierfür geeigneten Auspufftopfs von Bedeutung sein könnte, ist nicht erkennbar und wird auch von der Beklagten nicht dargelegt. Wie ausgeführt, ist jedenfalls auch insoweit maßgeblich, dass der Fachmann unabhängig von Einzelheiten der Verfahrensführung Anlass hat, Einrichtungen vorzusehen, die es erlauben, Asche aus der Vorrichtung dort zu entfernen, wo sie sich ansammelt und die Funktionsfähigkeit der Vorrichtung beeinträchtigt oder zu beeinträchtigen droht.

2. Die Gegenstände der Patentansprüche nach den Hilfsanträgen III bis V hat das Patentgericht rechtsfehlerfrei ebenfalls als nahegelegt angesehen. Der Senat macht sich die diesbezüglichen Ausführungen des angefochtenen Urteils, gegen die die Berufung keine substantiierten Angriffe führt, zu eigen.

3. Schließlich ist auch die Patentfähigkeit der Gegenstände der unabhängigen Patentansprüche nach Hilfsantrag VI nicht anders zu beurteilen.

Nach diesem Hilfsantrag sollen die Patentansprüche zum einen um weitere Einzelheiten des Verbrennungsvorgangs ergänzt werden ("mit katalytischem Additiv enthaltendem Kraftstoff", Rußpartikel "mit von dem katalytischen Additiv stammenden Oxiden"). Zum anderen soll Patentanspruch 1 hinzugefügt werden, dass die Zugangsvorrichtungen "dazu vorgesehen" seien, eine Reinigung des Filters "durch Eintauchen in eine oder durch Einspritzen einer Flüssigkeit" zu ermöglichen. In Patentanspruch 2 soll schließlich durch ein zusätzliches Merkmal die zwischen den Teilstücken des Auspufftopfs vorhandene Dichtung (Patentanspruch 10) dahin weitergebildet werden, dass sie an ihrem inneren Umfang sich parallel zu den Wänden der Teilstücke erstreckende Laschen aufweist.

Für die Einzelheiten des Verbrennungsvorgangs gilt das vorstehend zu 1 d Ausgeführte. Sie haben keinen Einfluss auf die erfindungsgemäße Ausgestaltung der Reinigungsvorrichtung und können daher zu keiner anderen Beurteilung der Patentfähigkeit führen. Soweit der Reinigungsvorgang näher beschrieben wird, gilt Entsprechendes. Inwiefern die Zugangsvorrichtungen dadurch weitergebildet werden sollen, ist nicht erkennbar: Da eine Ausgestaltung nahegelegt war, die eine Entnahme des Partikelfilters erlaubt, kann die Reinigung des Filters sodann in jeder beliebigen Weise erfolgen. Ob die Reinigung durch Eintauchen in eine Flüssigkeit bekannt oder als solche nahegelegt war, ist unerheblich. Schließlich fügt die im handwerklichen Können des Fachmanns liegende Ausgestaltung und Anordnung der Dichtung dem Gegenstand des Patentanspruchs 2 nach Hilfsantrag VI ebenfalls nichts Erfinderisches hinzu.

4. Hinsichtlich der Gegenstände der Unteransprüche ist, soweit sie nicht im Hinblick auf die Hilfsanträge bereits erörtert worden sind, eine eigene erfinderische Leistung weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich (BGH, Urteil vom 29. September 2011 - X ZR 109/08, GRUR 2012, 149 Sensoranordnung).

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 97 Abs. 1 ZPO .

Von Rechts wegen

Verkündet am: 14. Februar 2012

Vorinstanz: BPatG, vom 22.04.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 10 Ni 6/09