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BGH - Entscheidung vom 27.09.2012

NotZ(Brfg) 2/12

Normen:
GG Art. 103 Abs. 1

BGH, Beschluss vom 27.09.2012 - Aktenzeichen NotZ(Brfg) 2/12

DRsp Nr. 2012/20576

Gewährung rechtlichen Gehörs i.R. einer gerichtlichen Überprüfung der Zurückweisung des Zulassungsantrags wegen rechtmäßigen Abbruchs des Stellenbesetzungsverfahrens

Tenor

Die Anhörungsrüge des Klägers gegen den Senatsbeschluss vom 23. Juli 2012 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rügeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Normenkette:

GG Art. 103 Abs. 1 ;

Gründe

Die zulässige Anhörungsrüge hat in der Sache keinen Erfolg. Der Beschluss des Senats vom 23. Juli 2012 verletzt das Recht des Klägers auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG nicht.

a) Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Verfahrensbeteiligten, dass sie Gelegenheit erhalten, sich vor Erlass einer gerichtlichen Entscheidung zu dem dieser zugrundeliegenden Sachverhalt zu äußern und dadurch die Willensbildung des Gerichts zu beeinflussen. Eine dem verfassungsrechtlichen Anspruch genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt voraus, dass die Verfahrensbeteiligten bei Anwendung der von ihnen zu verlangenden Sorgfalt zu erkennen vermögen, auf welchen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Zwar ergibt sich aus Art. 103 Abs. 1 GG keine allgemeine Frage - und Aufklärungspflicht des Richters. Ein Gericht verstößt aber dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG , wenn es ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt oder auf rechtliche Gesichtspunkte abstellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (vgl. BVerfGE 84, 188 , 189 f.; BVerfGK 7, 350, 354; BVerfG, Beschluss vom 15. Februar 2012 - 1 BvR 980/10, NVwZ-RR 2011, 460 Rn. 13).

b) Gemessen an diesen Maßstäben verletzt der angegriffene Senatsbeschluss den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nicht. Der Senat war nicht zu dem Hinweis verpflichtet, dass er beabsichtige, den Zulassungsantrag mit der Begründung zurückzuweisen, der Beschluss des Oberlandesgerichts München erweise sich aus anderen als den vom Oberlandesgericht angenommenen Gründen als richtig. Denn ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter musste nach dem bisherigen Prozessverlauf damit rechnen, dass der Zulassungsantrag wegen rechtmäßigen Abbruchs des Stellenbesetzungsverfahrens zurückgewiesen werden könnte. Beide Parteien haben von Anfang an über die Frage gestritten, ob der Beklagte nach Ausschreibung der streitgegenständlichen Stelle berechtigt war, von ihrer Besetzung abzusehen. Sowohl in der Klageschrift als auch im Schriftsatz vom 23. November 2011 hat der Kläger seine Auffassung, das Organisationsermessen des Beklagten habe mit Beginn der Ausschreibung geendet, weshalb der Beklagte zu einer "Reduzierung der ausgeschriebenen Stellen" nicht berechtigt gewesen, sondern verpflichtet sei, alle ausgeschriebenen Stellen zu besetzen, ausführlich und unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts begründet. In beiden Schriftsätzen hatte er insbesondere - wie nun auch in der Anhörungsrüge - darauf hingewiesen, dass die "Reduzierung der ausgeschriebenen Stellen" eine unzulässige Einflussnahme auf die Zusammensetzung des Bewerberkreises darstelle.

Entgegen der Auffassung des Klägers hat der Senat zur Ablehnung des Zulassungsgrundes auch keine Erwägungen herangezogen, die ihrerseits grundsätzliche Bedeutung haben. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Stellenbesetzungsverfahren abgebrochen werden kann, ist durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts hinreichend geklärt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. September 2002 - BNotZ 2002, 891; BVerfG, Beschluss vom 12. Juli 2011 - 1 BvR 1616/11, IÖD 2011, 242 Rn. 24; BVerwG NVwZ-RR 2000, 172 Rn. 25 f.; Urteil vom 26. Januar 2012 - 2 A 7/09, [...]; mwN).

c) Eine etwaige Verletzung des Anspruchs des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs wäre jedenfalls nicht entscheidungserheblich. Der Beklagte hat das Stellenbesetzungsverfahren aus sachlichen Gründen abgebrochen, weil der Kläger als einzig verbliebener Bewerber mit dem von ihm in der zweiten juristischen Staatsprüfung erzielten Ergebnis von 5,9 Punkten nicht dem Qualitätsanspruch des bayerischen Notariats gerecht werde. Damit wurde der Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens unter Qualitätsgesichtspunkten nachvollziehbar begründet (vgl. BVerfG, DNotZ 2002, 891 unter II. 1. a)). Anhaltspunkte für eine willkürliche Einflussnahme auf den Bewerberkreis (vgl. dazu BVerfGE 73, 280 unter IV 3.) sind weder ersichtlich noch dargetan.

Vorinstanz: OLG München, vom 01.12.2011 - Vorinstanzaktenzeichen Not 3/11