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BGH - Entscheidung vom 21.03.2012

1 StR 100/12

Normen:
StGB § 56
StPO § 267 Abs. 3 S. 4

Fundstellen:
NStZ-RR 2012, 201

BGH, Beschluss vom 21.03.2012 - Aktenzeichen 1 StR 100/12

DRsp Nr. 2012/8060

Erforderlichkeit von Ausführungen des Gerichts zur Frage der Aussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung bei Antrag des Verteidigers hierauf

Ein Bewährungsbruch schließt eine günstige Prognose nicht von vorneherein aus.

Tenor

Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München II vom 9. Dezember 2011 aufgehoben, soweit der Angeklagten Strafaussetzung zur Bewährung versagt worden ist, einschließlich der hierzu getroffenen Feststellungen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Der Tenor der schriftlichen Urteilsgründe wird wie folgt ergänzt:

Die Fahrerlaubnis wird der Angeklagten entzogen, ihr Führerschein wird eingezogen, die Verwaltungsbehörde darf ihr vor Ablauf von noch drei Monaten keine neue Fahrerlaubnis erteilen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Normenkette:

StGB § 56 ; StPO § 267 Abs. 3 S. 4;

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Diebstahls und Nötigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt.

Das Rechtsmittel der Angeklagten hat Erfolg, soweit ihr Strafaussetzung zur Bewährung versagt worden ist; im Übrigen ist es im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.

Der Verurteilung lag neben einer Nötigung ein Ladendiebstahl (Waren, insbesondere Katzenfutter, im Wert von 72,46 €) zu Grunde. Die 72-jährige Angeklagte war schon mehrfach wegen vergleichbarer Vorkommnisse mit Geldund Bewährungsfreiheitsstrafen geahndet worden und hat diese Tat innerhalb einer Bewährungszeit begangen. Sie war zuletzt am 25. Februar 2008 wegen zweier Diebstähle aus einem Verbrauchermarkt zu der Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung bis 3. März 2012 zur Bewährung ausgesetzt worden war. Deshalb entspricht die nunmehr für den Diebstahl verhängte Einzelstrafe von einem Jahr und zwei Monaten noch dem Unrechtsund Schuldgehalt der festgestellten Tat. Sie ist nicht unvertretbar hoch und löst sich noch nicht nach oben von ihrer Bestimmung eines gerechten Schuldausgleichs (vgl. BGH, Beschluss vom 26. März 2003 - 2 StR 54/03, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Strafhöhe 18).

Das Landgericht hat die Frage, ob der Vollzug der gegen die Angeklagte verhängten Gesamtfreiheitsstrafe gemäß § 56 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden kann, in den Urteilsgründen nicht erörtert. Dies verstieß schon gegen § 267 Abs. 3 Satz 4 StPO , da der Verteidiger den Antrag gestellt hatte, auf Bewährung zu erkennen. Aus sachlichrechtlichen Gründen sind Urteilsausführungen zur Strafaussetzung erforderlich, wenn eine Erörterung dieser Frage als Grundlage für die revisionsrechtliche Nachprüfung geboten erscheint (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. März 1997 - 2 StR 63/97; vom 6. März 2012 - 1 StR 50/12, Rn. 4). Dies war hier der Fall.

Zwar muss aus materiell-rechtlicher Sicht die Frage der Aussetzung des Vollzugs einer verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung in den Urteilsgründen nicht zwingend ausdrücklich erörtert werden, wenn nach den Feststellungen die Strafaussetzung völlig fern liegt. Eine Straftat während einer Bewährungszeit zeigt schon, dass die frühere Prognose falsch war. Dennoch schließt ein Bewährungsbruch eine günstige Prognose nicht von vorneherein aus. Hat ein Täter etwa erstmals Freiheitsentzug erlitten, kann ihn dies so beeindruckt haben, dass die Prognose deswegen nunmehr günstig ist (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 4. Aufl., Rn. 136, 139 mwN).

In dieser Sache war die Angeklagte vom 11. November 2011 bis zum 9. Dezember 2011 - erstmals - in Haft (§ 230 Abs. 2 StPO ) in der Justizvollzugsanstalt Aichach. Deshalb lag hier eine Aussetzung der Vollstreckung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung nicht so fern, dass auf eine Gesamtwürdigung der wesentlichen Umstände im Hinblick auf die der Angeklagten zu stellende Kriminalprognose (§ 56 Abs. 1 StGB ) und auf das Vorliegen besonderer Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB verzichtet werden konnte.

Der Passus zur Fahrerlaubnisentziehung wurde nicht in den Tenor der schriftlichen Urteilsgründe aufgenommen. Dabei handelt es sich aber lediglich um ein offensichtliches Schreibversehen, wie den Urteilsgründen und dem verkündeten Urteil ausweislich der Sitzungsniederschrift zu entnehmen ist.

Vorinstanz: LG München II, vom 09.12.2011
Fundstellen
NStZ-RR 2012, 201