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BGH - Entscheidung vom 22.08.2012

EnVR 54/10

Normen:
ARegV § 34 Abs. 3

BGH, Beschluss vom 22.08.2012 - Aktenzeichen EnVR 54/10

DRsp Nr. 2012/18466

Bestimmung des Ausgangsniveaus sowie Berücksichtigung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors und eines pauschalierten Investitionszuschlags bei der Festsetzung der Erlösobergrenzen durch die Bundesnetzagentur

1. Bei der Ermittlung des Ausgangsniveaus zur Bestimmung der Erlösobergrenzen gemäß § 34 Abs. 3 ARegV hat die Bundesnetzagentur in Bezug auf die Verzinsung des die zugelassene Eigenkapitalquote übersteigenden Anteils des Eigenkapitals (sog. EK II) bei den dafür maßgeblichen Fremdkapitalzinsen einen Risikozuschlag (siehe hierzu BGH, Beschluss vom 14. August 2008 - KVR 42/07, WuW/E DE-R 2395 Rn. 54 ff. - Rheinhessische Energie) zu berücksichtigen. 2. § 21a Abs. 4 Satz 7, Abs. 6 Satz 2 Nr. 5 EnWG n.F. stellt mit Rückwirkung zum 1. Januar 2009 eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Einbeziehung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors in die Erlösobergrenzen dar. 3. § 25 ARegV findet im vereinfachten Verfahren nach § 24 ARegV keine Anwendung.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Bundesnetzagentur und die Anschlussrechtsbeschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss des Kartellsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 25. März 2010 werden zurückgewiesen.

Die Kosten und Auslagen des Rechtsbeschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 311.600 € festgesetzt.

Normenkette:

ARegV § 34 Abs. 3;

Gründe

I.

Die Betroffene betreibt ein Gasverteilernetz. Mit Bescheid vom 13. März 2007 erhielt sie eine auf den Daten des Geschäftsjahres 2004 beruhende und später bis zum 31. Dezember 2008 verlängerte Genehmigung der Entgelte für den Netzzugang gemäß § 23a EnWG . Für die Folgezeit wurde der Betroffenen die Teilnahme am vereinfachten Verfahren der Anreizregulierung gemäß § 24 ARegV genehmigt.

Mit Beschluss vom 26. November 2008 legte die Bundesnetzagentur die einzelnen Erlösobergrenzen für die Jahre 2009 bis 2012 niedriger als von der Betroffenen begehrt fest. Sie begründete dies im Rahmen der Ermittlung des Ausgangsniveaus nach § 34 Abs. 3 ARegV unter anderem mit einer Kürzung bei der Eigenkapitalverzinsung und mit der Einrechnung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors nach § 9 ARegV. Den Antrag auf Berücksichtigung des pauschalierten Investitionszuschlags lehnte die Bundesnetzagentur ab. Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde der Betroffenen hat das Beschwerdegericht den Beschluss aufgehoben und die Bundesnetzagentur verpflichtet, die Erlösobergrenzen unter Berücksichtigung seiner Rechtsauffassung neu zu bestimmen. Die weitergehende Beschwerde der Betroffenen hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen.

Hiergegen richten sich die -vom Beschwerdegericht zugelassene -Rechtsbeschwerde der Bundesnetzagentur und die Anschlussrechtsbeschwerde der Betroffenen. Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

II.

Die Rechtsbeschwerde der Bundesnetzagentur und die Anschlussrechtsbeschwerde der Betroffenen haben keinen Erfolg.

1. Bestimmung des Ausgangsniveaus der Erlösobergrenzen (§ 34 Abs. 3 ARegV)

Die Rechtsbeschwerde der Bundesnetzagentur ist unbegründet.

a) Das Beschwerdegericht hat angenommen, dass die Bundesnetzagentur für die Bestimmung des Ausgangsniveaus der Erlösobergrenzen für die erste Regulierungsperiode nicht an das Ergebnis der Kostenprüfung der letzten - bestandskräftigen - Entgeltgenehmigung gebunden war. Vielmehr hätte sie im Rahmen der § 6 Abs. 2, § 34 Abs. 3 ARegV Vorgaben, die überholt seien oder deren Unrichtigkeit zwischenzeitlich erkannt worden sei, ändern müssen. Dies gebiete unter anderem das Konzept der energiewirtschaftlichen Regulierung, wonach die Bedingungen und Entgelte wettbewerblich und angemessen sein müssten. Dementsprechend hätte die Bundesnetzagentur hinsichtlich der Verzinsung des die zugelassene Eigenkapitalquote übersteigenden Anteils des Eigenkapitals (sog. EK II) bei den dafür maßgeblichen Fremdkapitalzinsen einen Risikozuschlag vornehmen müssen.

b) Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand.

Wie der Senat mit Beschluss vom 18. Oktober 2011 (EnVR 13/10, N&R 2012, 94 Rn. 7 f. - PVU Energienetze GmbH) entschieden und im Einzelnen begründet hat, ist - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - bei der Ermittlung des Ausgangsniveaus zur Bestimmung der Erlösobergrenzen nach § 34 Abs. 3 ARegV die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Auslegung und Anwendung der Strom- bzw. Gasnetzentgeltverordnung zu berücksichtigen. Die unveränderte Übernahme des Ergebnisses der Kostenprüfung der letzten - bestandskräftigen - Entgeltgenehmigung ist rechtsfehlerhaft, soweit diese zu jener Rechtsprechung in Widerspruch steht. Aufgrund dessen hätte die Bundesnetzagentur bei der Ermittlung des Ausgangsniveaus zur Bestimmung der Erlösobergrenzen gemäß § 34 Abs. 3 ARegV in Bezug auf die Verzinsung des die zugelassene Eigenkapitalquote übersteigenden Anteils des Eigenkapitals (sog. EK II) bei den dafür maßgeblichen Fremdkapitalzinsen einen Risikozuschlag (siehe hierzu BGH, Beschluss vom 14. August 2008 - KVR 42/07, WuW/E DE-R 2395 Rn. 54 ff. - Rheinhessische Energie) berücksichtigen müssen. Dies wird sie - wie das Beschwerdegericht zu Recht erkannt hat - nachzuholen haben.

2. Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor (§ 9 ARegV)

Die Anschlussrechtsbeschwerde der Betroffenen hat insoweit keinen Erfolg.

a) Das Beschwerdegericht hat angenommen, die Bundesnetzagentur habe bei der Ermittlung der Erlösobergrenzen zu Recht den generellen sektoralen Produktivitätsfaktor nach § 9 ARegV berücksichtigt. § 21a Abs. 6 Satz 2 bzw. § 21a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 EnWG stellten insoweit eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage dar. Die Bundesnetzagentur habe den generellen sektoralen Produktivitätsfaktor auch rechnerisch richtig umgesetzt.

b) Diese Beurteilung hält den Angriffen der Anschlussrechtsbeschwerde im Ergebnis stand.

aa) Der Senat hat zwar mit Beschluss vom 28. Juni 2011 (EnVR 48/10, RdE 2011, 308 Rn. 36 ff. - EnBW Regional AG) entschieden, dass § 21a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 EnWG i.V.m. § 21a Abs. 6 Satz 2 Nr. 5 EnWG aF nicht dazu ermächtigt hat, einen generellen sektoralen Produktivitätsfaktor - wie in § 9 Abs. 1 ARegV aF vorgegeben - unter Berücksichtigung der Abweichung des netzwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritts vom gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritt zu ermitteln. Diese Rechtsprechung ist aber - wie der Senat mit Beschluss vom 31. Januar 2012 (EnVR 16/10, RdE 2012, 203 Rn. 18 ff. - Gemeindewerke Schutterwald) im Einzelnen begründet hat - durch das Zweite Gesetz zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I S. 3034) gegenstandslos geworden, weil der Gesetzgeber darin mit § 21a Abs. 4 Satz 7, Abs. 6 Satz 2 Nr. 5 EnWG nF mit Rückwirkung zum 1. Januar 2009 eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Einbeziehung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors in die Erlösobergrenzen geschaffen und § 9 ARegV neu gefasst hat.

bb) Die konkrete Festlegung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors in § 9 Abs. 2 ARegV und dessen konkrete Berechnung durch die Bundesnetzagentur für die einzelnen Jahre der Regulierungsperiode sind - wie der Senat ebenfalls mit Beschluss vom 31. Januar 2012 (EnVR 16/10, RdE 2012, 203 Rn. 26 ff. - Gemeindewerke Schutterwald) im Einzelnen begründet hat - ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Anschlussrechtsbeschwerde bringt keine Argumente vor, die dem Senat Anlass für eine Änderung seiner Rechtsprechung geben könnten.

3. Pauschalierter Investitionszuschlag (§ 25 ARegV)

Die Anschlussrechtsbeschwerde der Betroffenen hat auch insoweit keinen Erfolg.

a) Das Beschwerdegericht hat angenommen, dass § 25 ARegV im vereinfachten Verfahren nach § 24 ARegV keine Anwendung finde. Dies folge daraus, dass der pauschalierte Investitionszuschlag gemäß § 25 Abs. 2 und 3 ARegV in Abhängigkeit von den nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 ARegV bestimmten Kapitalkosten zu ermitteln, diese Vorschrift jedoch im vereinfachten Verfahren nicht anwendbar sei. Dies habe der Verordnungsgeber durch die am 12. April 2008 in Kraft getretene Neufassung des § 24 Abs. 3 ARegV (lediglich) klargestellt. Der Ausschluss von § 25 ARegV im vereinfachten Verfahren verstoße auch nicht gegen das Willkürverbot des Art. 3 GG . Das Regelverfahren, in dem § 25 ARegV gelte, und das vereinfachte Verfahren stellten unterschiedliche Regelungssysteme für die Bestimmung der Erlösobergrenzen dar.

b) Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Das Beschwerdegericht hat - wie der Senat mit Beschluss vom 18. Oktober 2011 (EnVR 13/10, N&R 2012, 94 Rn. 16 ff. - PVU Energienetze GmbH) entschieden und im Einzelnen begründet hat - zu Recht die Anwendbarkeit des § 25 ARegV im Rahmen des vereinfachten Verfahrens nach § 24 ARegV verneint.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Satz 1 EnWG .

Der Streitwert des Rechtsbeschwerdeverfahrens richtet sich gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GKG i.V.m. § 3 ZPO nach dem wirtschaftlichen Interesse der Betroffenen an einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Dies bemisst sich grundsätzlich nach der Differenz zwischen den nach der - im Rechtsbeschwerdeverfahren vertretenen - Auffassung der Betroffenen anzusetzenden Erlösobergrenzen und den von der Regulierungsbehörde festgesetzten Erlösobergrenzen für sämtliche Jahre der Regulierungsperiode (vgl. Senat, Beschlüsse vom 7. April 2009 - EnVR 6/08, RdE 2010, 25 Rn. 54 - Verteilnetzbetreiber Rhein-Main-Neckar und vom 30. März 2011 - EnVR 51/10, [...], Rn. 2).

Vorinstanz: OLG Schleswig, vom 25.03.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 16 Kart 34/09