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BGH - Entscheidung vom 29.02.2012

5 StR 7/12

Normen:
StGB § 22
StGB § 23
StGB § 176a Abs. 2 Nr. 1
StGB § 179 Abs. 5 Nr. 1

BGH, Beschluss vom 29.02.2012 - Aktenzeichen 5 StR 7/12

DRsp Nr. 2012/5488

Beschränkung des Vorwurfs des versuchten schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes ohne nähere Beschreibung der konkreten Handlung eines Täters

Tenor

1.

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 26. September 2011 nach § 349 Abs. 4 StPO

a)

unter Beschränkung der Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 2 StPO im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit versuchtem sexuellem Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person schuldig ist;

b)

im Einzelstrafausspruch zu Fall II.2 der Urteilsgründe und im Gesamtstrafausspruch aufgehoben.

2.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3.

Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Normenkette:

StGB § 22 ; StGB § 23 ; StGB § 176a Abs. 2 Nr. 1 ; StGB § 179 Abs. 5 Nr. 1 ;

G r ü n d e

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen in zwei Fällen, davon in einem Fall (II.2 der Urteilsgründe) in Tateinheit mit versuchtem schwerem sexuellem Missbrauch eines Kindes und mit versuchtem sexuellem Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt und Adhäsionsentscheidungen getroffen. Die Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO .

Der Senat nimmt auf Antrag des Generalbundesanwalts im Fall II.2 der Urteilsgründe den Vorwurf des versuchten schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes (§ 176a Abs. 2 Nr. 1 , §§ 22 , 23 StGB ) von der Verfolgung aus und beschränkt das Verfahren. Die Verurteilung hätte insoweit nicht bestätigt werden können. Denn es ist nicht ersichtlich, wie sich die Jugendschutzkammer ihre Überzeugung von der Absicht des Angeklagten gebildet hat, mit der damals 9-jährigen Nebenklägerin "den Geschlechtsverkehr durchzuführen, wobei er davon ausging, dass sie schläft und dadurch seinen sexuellen Handlungen keinen Widerstand leisten kann" (UA S. 16). Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegten Taten insgesamt bestritten. Die Aussage der Nebenklägerin in der Hauptverhandlung wird nicht wiedergegeben, sondern lediglich in Form eines Verweises auf die Feststellungen im Urteil erwähnt. Diese wiederum erschöpfen sich in dem knappen und abstrakten Beleg der Voraussetzungen der § 176a Abs. 2 Nr. 1 , §§ 22 , 23 StGB , ohne dass das konkrete Handeln des Angeklagten näher beschrieben wird. Der Fall weist nämlich Besonderheiten auf, die gegen eine Absicht des Angeklagten zur Durchführung des Geschlechtsverkehrs mit der sich schlafend stellenden Nebenklägerin sprechen: Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass der Angeklagte entgegen aller Lebenserfahrung annahm, den Geschlechtsverkehr ohne ein Erwachen des Kindes vornehmen zu können; als die Geschädigte so tat, als würde sie wach, ließ er von ihr ab. Angesichts dieser Besonderheiten hätte es einer konkreten Schilderung der Handlungen des Angeklagten bedurft, um aus ihr eine Absicht zur Durchführung des Geschlechtsverkehrs mit der vorgeblich schlafenden Nebenklägerin abzuleiten und zudem einen Rücktritt vom Versuch durch Ablassen von dem vermeintlich gerade erwachten Kind ausschließen zu können.

Die Verfahrensweise nach § 154a Abs. 2 StPO rechtfertigt sich angesichts der Unwahrscheinlichkeit einer erneuten entsprechenden Verurteilung und aus dem Anliegen der Schonung der kindlichen Zeugin. Angesichts des Fortfalls des schwersten Delikts - die Qualifikation des § 179 Abs. 5 Nr. 1 StGB hat das Landgericht versehentlich nicht ausgeurteilt, die Verurteilung wegen eines Versuchs des Grundtatbestandes des § 179 Abs. 1 StGB kann bestehen bleiben - sind die im Fall II.2 der Urteilsgründe verhängte Einsatzstrafe sowie die Gesamtstrafe aufzuheben. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht. Das neue Tatgericht wird Einzelstrafe und Gesamtstrafe auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen, die allenfalls durch neue widerspruchsfreie ergänzt werden können, zu bestimmen haben.

Die Adhäsionsentscheidungen können auch hinsichtlich der Höhe des zuerkannten Schmerzensgeldes angesichts des verbleibenden Unrechtsgehalts der Taten bestehen bleiben.

Vorinstanz: LG Potsdam, vom 26.09.2011