Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 08.08.2012

XII ZR 97/10

Normen:
BGB § 1570 Abs. 2

Fundstellen:
FamFR 2012, 465
FamRZ 2012, 1624
FuR 2012, 664
MDR 2012, 1164

BGH, Urteil vom 08.08.2012 - Aktenzeichen XII ZR 97/10

DRsp Nr. 2012/17821

Belastung des betreuenden Elternteils durch berufliche Ausbildungs-, Fortbildungs- oder Qualifizierungsmaßnahmen i.R. einer Habilitierung als elternbezogener Grund i.S.d. § 1570 Abs. 2 BGB

Die Belastung des betreuenden Elternteils durch berufliche Ausbildungs-, Fortbildungs- oder Qualifizierungsmaßnahmen (hier: Habilitationsverfahren) stellt keinen elternbezogenen Grund im Sinne des § 1570 Abs. 2 BGB dar.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 11. Zivilsenats - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Koblenz vom 6. Juli 2010 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage für die Zeit ab 13. November 2008 abgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Normenkette:

BGB § 1570 Abs. 2 ;

Tatbestand

Die Parteien sind rechtskräftig geschiedene Eheleute und streiten in einem Abänderungsverfahren um nachehelichen Unterhalt.

Sie schlossen 1997 die Ehe, aus der eine am 19. Dezember 1998 geborene Tochter hervorgegangen ist. Das Kind hat seinen Lebensmittelpunkt im Haushalt der Beklagten. Diese ist promovierte Kunsthistorikerin und arbeitete bis Februar 2010 halbschichtig als Angestellte an der Universität. Seitdem war sie nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts arbeitslos. Bereits vor der Ehe hatte die Beklagte damit begonnen, sich zu habilitieren. Die Habilitationsschrift hat sie im Juni 2010 vorgelegt. Das anschließende Prüfungsverfahren war zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht noch nicht abgeschlossen.

Durch Urteil des Oberlandesgerichts vom 26. Juni 2007 wurde der Kläger unter anderem verurteilt, an die Beklagte vom 1. Juni 2007 bis zum 31. Dezember 2013 Betreuungsunterhalt in Höhe von monatlich 1.173 € und vom 1. Juni 2007 bis 31. Dezember 2011 weiteren Aufstockungsunterhalt in Höhe von monatlich 1.383 € zu zahlen. Dabei wurde ein konkret bemessener Unterhaltsbedarf von rund 4.371 € zugrunde gelegt, auf den ein - zeitweise fiktives - Erwerbseinkommen der Beklagten aus einer halbschichtigen Tätigkeit nach Abzug eines Erwerbstätigenbonus (rund 1.497 €) sowie Zinseinkünfte (318 €) angerechnet wurden, so dass ein offener Bedarf von rund 2.556 € verblieb.

Mit der am 13. November 2008 zugestellten Klage erstrebt der Kläger den Wegfall der Unterhaltspflicht für die Zeit ab 1. Januar 2008. Er vertritt die Auffassung, im Hinblick auf die zu diesem Zeitpunkt in Kraft getretenen Änderungen des Unterhaltsrechts nicht mehr zu Leistungen an die Beklagte verpflichtet zu sein.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision des Klägers, mit der er sein Klagebegehren weiter verfolgt.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist teilweise begründet. Sie führt hinsichtlich des Zeitraums ab 13. November 2008 zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

I.

Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Der Beklagten stehe auch unter Berücksichtigung der zum 1. Januar 2008 erfolgten Rechtsänderung Betreuungsunterhalt in der ausgeurteilten Höhe zu. Allerdings könnten kindbezogene Gründe für eine Verlängerung des Unterhaltsanspruchs gemäß § 1570 BGB nicht festgestellt werden. Die Tochter werde montags bis donnerstags bis 16.00 Uhr in der Schule betreut; außerdem biete die Schule eine Förderung durch sieben zusätzliche Übungsstunden an, durch die die Hausaufgaben ersetzt würden. Darüber hinaus seien Hausaufgaben nur noch ausnahmsweise zu erledigen, so dass sich der Einsatz der Beklagten für die schulischen Belange der Tochter im normalen Bereich halte. Der Umstand, dass die Beklagte bei Ausübung einer Vollzeittätigkeit erst nach 18.00 Uhr nach Hause käme, genüge angesichts des Alters des Kindes nicht für einen kindbezogenen Verlängerungsgrund. Die Tochter habe ihrem Alter entsprechend so selbständig gewirkt, dass sie auch mehrere Stunden allein zu Hause bleiben könne. Wegen ihrer verschiedenen Freizeitaktivitäten sei sie im Übrigen nachmittags weitgehend beschäftigt.

Ein Wegfall des Betreuungsunterhalts bereits ab Januar 2008 komme schon im Hinblick auf § 36 Nr. 1 EGZPO nicht in Betracht, da die Beklagte aufgrund der vorausgegangenen Entscheidung darauf habe vertrauen dürfen, mit ihrer Halbtagstätigkeit ihrer Erwerbsobliegenheit zu genügen. Ab wann dieses Vertrauen nicht mehr schutzwürdig sei, bedürfe keiner Entscheidung. Da die ehelichen Lebensverhältnisse davon geprägt gewesen seien, dass die Beklagte sich habe habilitieren sollen, sei die zusätzliche Belastung durch das Habilitationsverfahren als elternbezogener Grund im Sinne des § 1570 Abs. 2 BGB für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts gegeben. Denn durch diese neben der Betreuung des Kindes und der Haushaltsführung bestehende Belastung sei die Beklagte gehindert gewesen, eine vollschichtige Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Zwar habe sie nach dem Wechsel des Habilitationsthemas bis zur Einreichung der Habilitationsschrift über neun Jahre benötigt. Es sei jedoch zu berücksichtigen, dass sie während eines großen Teils dieses Zeitraums halbtags berufstätig gewesen sei, in einem erheblichen Umfang die Tochter betreut habe und sie durch die vielfältigen, zwischen den Parteien geführten Verfahren belastet gewesen sei, wodurch sich die Fertigstellung der Habilitationsschrift verzögert habe. Diese zusätzliche Belastung werde zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt durch den Abschluss des Habilitationsverfahrens entfallen. Bis dahin könne die Beklagte Betreuungsunterhalt beanspruchen. Da dieser einer Befristung nicht zugänglich sei, könne keine von der vorausgegangenen Entscheidung abweichende Befristung erfolgen.

Auch der Höhe nach ergebe sich hinsichtlich des Betreuungsunterhalts kein Abänderungsgrund. Die Beklagte habe belegt, dass das Nettoeinkommen, das ihr in dem vorausgegangenen Rechtsstreit zugerechnet worden sei, demjenigen einer Dreiviertelstelle entspreche. Dass sie anderweit mehr verdienen könne, sei nicht ersichtlich.

Hinsichtlich des Aufstockungsunterhalts scheide eine Abänderung aus, da sich seit Schluss der mündlichen Verhandlung in dem vorausgegangenen Rechtsstreit die für eine Befristung wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse nicht geändert hätten. Der Aufstockungsunterhalt sei gemäß § 1573 Abs. 5 BGB aF unter Beachtung der vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze befristet worden. Insoweit sei ausgeführt worden, dass die Beklagte durch die Ehe und die Kindererziehung keine ehebedingten Nachteile erfahren habe, sondern sich ihr Lebensstandard gebessert habe. Deshalb sei ihr nach einer Übergangszeit eine Reduzierung ihrer finanziellen Verhältnisse auf den Lebensstandard zuzumuten, den sie vor der Ehe gehabt habe.

II.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

1.

Zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings von der Zulässigkeit der Abänderungsklage ausgegangen.

Auf das im Juli 2008 eingeleitete Verfahren ist nach Art. 111 Abs. 1 Satz 1, 2 FGG-RG das vor dem 1. September 2009 geltende Recht anzuwenden. Die Zulässigkeit der Abänderungsklage ergibt sich aus § 323 ZPO aF, ohne dass es eines Rückgriffs auf die insoweit nur klarstellende Regelung in § 36 Nr. 1 EGZPO bedarf (vgl. Senatsurteil BGHZ 183, 197 = FamRZ 2010, 111 Rn. 16).

Der Kläger hat sich für die Abänderung vor allem auf die gesetzliche Neuregelung des § 1570 BGB berufen. Dass sowohl eine Gesetzesänderung als auch eine Änderung der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung ebenso wie Veränderungen der entscheidungserheblichen Tatsachen zur Abänderung einer rechtskräftigen Unterhaltsentscheidung berechtigen, ist in der Rechtsprechung anerkannt und nunmehr in § 238 Abs. 1 Satz 2 FamFG , § 323 Abs. 1 Satz 2 ZPO nF auch gesetzlich klargestellt worden (vgl. Senatsurteile vom 29. September 2010 - XII ZR 205/08 - FamRZ 2010, 1884 Rn. 16 und vom 29. Juni 2011 - XII ZR 157/09 - FamRZ 2011, 1721 Rn. 17).

2.

Die Abänderungsklage führt jedoch nicht zu einer Herabsetzung des Unterhalts für die Zeit vor dem 13. November 2008. Nach § 323 Abs. 3 Satz 1 ZPO aF darf ein Urteil nur für die Zeit nach Erhebung der Klage abgeändert werden. Soweit § 323 Abs. 3 Satz 2 ZPO aF hiervon Ausnahmen vorsieht und eine rückwirkende Abänderung zulässt, gilt dies nur für Abänderungsbegehren von Unterhaltsgläubigern, nicht dagegen für solche von Unterhaltsschuldnern. Insofern ermöglicht § 323 Abs. 3 ZPO aF deshalb keine rückwirkende Reduzierung der Unterhaltspflicht (Zöller/Vollkommer ZPO 27. Aufl. § 323 Rn. 35; Johannsen/Henrich/Brudermüller Eherecht 4. Aufl. § 323 Rn. 117). Da die Klage erst am 13. November 2008 erhoben worden ist (vgl. § 253 Abs. 1 ZPO ), scheidet eine Abänderung für den davor liegenden Zeitraum aus.

3.

Das Berufungsgericht ist - ebenso wie in der Vorentscheidung - davon ausgegangen, dass sich der Unterhaltsanspruch der Beklagten nicht in vollem Umfang aus § 1570 BGB (Betreuungsunterhalt) sondern zum Teil auch aus § 1573 Abs. 2 BGB (Aufstockungsunterhalt) ergibt. Das steht mit der Rechtsprechung des Senats in Einklang. Da die Beklagte nach Auffassung des Berufungsgerichts durch die Betreuung des Kindes nicht an einer teilschichtigen Erwerbstätigkeit gehindert ist, beruht der Anspruch nur insoweit auf § 1570 BGB , als sie wegen der Kinderbetreuung keiner vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachgehen kann. Der Anspruch im Übrigen ergibt sich aus § 1573 Abs. 2 BGB (vgl. Senatsurteile vom 18. April 2012 - XII ZR 65/10 - FamRZ 2012, 1040 Rn. 15 mwN und vom 21. April 2010 - XII ZR 134/08 - FamRZ 2010, 1050 Rn. 41).

4.

Das Berufungsgericht hat eine Erwerbsobliegenheit der Klägerin im Umfang einer vollschichtigen Tätigkeit auch nach der seit Inkrafttreten des Unterhaltsrechtsänderungsgesetzes vom 21. Dezember 2007 am 1. Januar 2008 geänderten Rechtslage verneint.

a)

Nach der Rechtsprechung des Senats bestimmt sich die Erwerbsobliegenheit des kinderbetreuenden Ehegatten im Rahmen von § 1570 BGB nach folgenden Grundsätzen:

aa)

Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung über eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts über das vollendete dritte Lebensjahr hinaus kann sich der betreuende Elternteil aus kindbezogenen Gründen nach § 1570 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB nicht auf die Notwendigkeit einer persönlichen Betreuung des Kindes berufen, soweit das Kind eine kindgerechte Betreuungseinrichtung besucht oder unter Berücksichtigung der individuellen Umstände besuchen könnte. Im Unterhaltsverfahren ist demnach zunächst der individuelle Umstand zu prüfen, ob und in welchem Umfang die Kinderbetreuung auf andere Weise gesichert ist oder gesichert werden könnte (st. Rspr., vgl. Senatsurteile vom 18. April 2012 - XII ZR 65/10 - FamRZ 2012, 1040 Rn. 18 f. mwN und BGHZ 180, 170 = FamRZ 2009, 770 Rn. 27).

bb)

Soweit die Betreuung des Kindes sichergestellt ist oder dieses im Hinblick auf seine Entwicklung zeitweise sich selbst überlassen werden kann, verlängert sich der Unterhaltsanspruch, wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kindesbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht (§ 1570 Abs. 2 BGB ). Insoweit können einer Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils elternbezogene Gründe entgegenstehen (Senatsurteile BGHZ 180, 170 = FamRZ 2009, 770 Rn. 31 f. und vom 16. Juli 2008 - XII ZR 109/05 - FamRZ 2008, 1739 Rn. 100). Diese Gründe für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts rechtfertigen sich aus der nachehelichen Solidarität. Maßgeblich ist dabei das in der Ehe gewachsene Vertrauen in die vereinbarte und praktizierte Rollenverteilung und die gemeinsame Ausgestaltung der Kinderbetreuung. So kann etwa einem geschiedenen Ehegatten, der im Interesse der Kindererziehung seine Erwerbstätigkeit dauerhaft aufgegeben oder zurückgestellt hat, ein längerer Anspruch auf Betreuungsunterhalt eingeräumt werden als einem Ehegatten, der von vornherein alsbald wieder in den Beruf zurückkehren wollte (BT-Drucks. 16/6980 S. 9). Unter diese Ausprägung des Betreuungsunterhalts fällt nach der Rechtsprechung des Senats auch der Gesichtspunkt, dass die verlangte oder ausgeübte Erwerbstätigkeit neben dem nach der Fremdbetreuung eines Kindes verbleibenden Anteil an Erziehungs- und Betreuungsaufgaben nicht zu einer überobligationsmäßigen Belastung des betreffenden Elternteils führen darf (Senatsurteil BGHZ 180, 170 = FamRZ 2009, 770 Rn. 32).

b)

Diesen Vorgaben trägt die angefochtene Entscheidung nicht in jeder Hinsicht Rechnung.

aa)

Das Berufungsgericht hat das Vorliegen kindbezogener Gründe für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts (§ 1570 Abs. 1 BGB ) allerdings im Hinblick auf die bestehenden und in Anspruch genommenen Fremdbetreuungsmöglichkeiten, auch im Rahmen der umfangreichen Freizeitaktivitäten des Kindes, verneint. Dagegen ist auf der Grundlage der Feststellungen des Oberlandesgerichts aus Rechtsgründen nichts zu erinnern. Auch die Revision nimmt diese ihr günstige Beurteilung hin.

bb)

Soweit das Berufungsgericht angenommen hat, eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts entspreche aus elternbezogenen Gründen der Billigkeit, begegnet dies indessen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die hierfür angeführte zusätzliche Belastung der Beklagten durch das Habilitationsverfahren stellt in diesem Zusammenhang keinen Grund dar, der eine längere Dauer des Betreuungsunterhalts rechtfertigt. Nach dem Wortlaut des Gesetzes muss es sich um Umstände handeln, die unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kindererziehung und Erwerbstätigkeit in der Ehe von Bedeutung sind. Die Gesetzesbegründung weist darauf hin, dass das Vertrauen in die vereinbarte und so auch gehandhabte Rollenverteilung hinsichtlich der Kinderbetreuung geschützt werden soll. Die Beklagte hat von einer weitergehenden Erwerbstätigkeit aber nicht allein im Interesse des Kindes abgesehen, sondern auch um ihre Habilitationsschrift fertig stellen zu können. Der zeitliche Aufwand und der Einsatz, die sie insoweit von einer Erwerbstätigkeit haben absehen lassen, dienten ihren eigenen beruflichen Interessen und nicht denjenigen des Kindes. Deshalb stellen Ausbildungs-, Fortbildungs- oder Qualifizierungsmaßnahmen keinen elternbezogenen Grund im Sinne des § 1570 Abs. 2 BGB dar. Maßgebend können solche Umstände vielmehr für die Frage einer angemessenen Erwerbstätigkeit im Sinne des § 1574 BGB oder für die Gewährung von Ausbildungsunterhalt nach § 1575 BGB sein. Im Zusammenhang mit einer Verlängerung des Betreuungsunterhalts kommt hier auch dem Gesichtspunkt einer überobligationsmäßigen Belastung keine Bedeutung zu. Denn eine solche ergibt sich nach den getroffenen Feststellungen nicht aus Erwerbstätigkeit und Kinderbetreuung, sondern erst aus der Verfolgung der beruflichen Ziele.

Andere Umstände für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts nach § 1570 Abs. 2 BGB hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.

cc)

Soweit das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf § 36 Nr. 1 EGZPO erwogen hat, dass die Beklagte ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand des Unterhaltsanspruchs habe, vermag dies die getroffene Entscheidung zum Betreuungsunterhalt ebenfalls nicht zu rechtfertigen.

Voraussetzung für die Abänderung eines vor dem 1. Januar 2008 rechtskräftig gewordenen Urteils ist gemäß § 36 Nr. 1 EGZPO unter anderem, dass die Änderung dem anderen Teil - hier also der Beklagten - unter Berücksichtigung seines Vertrauens in die getroffene Regelung zumutbar ist. Dieser Gesichtspunkt ist bereits bei der Prüfung der Billigkeit einer Verlängerung nach § 1570 Abs. 1 Satz 2 und 3 , Abs. 2 BGB zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteile vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - FamRZ 2010, 2059 Rn. 38 und vom 8. Juni 2011 - XII ZR 17/09 - FamRZ 2011, 1381 Rn. 23 für § 1578 b BGB ). Dabei geht es entscheidend um die Frage, wie sehr sich der Unterhaltsberechtigte auf den zur Überprüfung gestellten Unterhaltstitel verlassen darf. Insofern ist allerdings zum einen zu beachten, dass ein Unterhaltstitel nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich abänderbar ist. Zum anderen war das neue Unterhaltsrecht schon lange Zeit vor seinem Inkrafttreten bekannt und öffentlich diskutiert worden. Schon deshalb durfte die Beklagte nicht davon ausgehen, dass der Kläger nicht eine Möglichkeit nutzen würde, um die Unterhaltspflicht zu beenden oder herabzusetzen. Dass die Beklagte im Vertrauen auf den Fortbestand des Unterhaltstitels Dispositionen getroffen hätte, die rückgängig zu machen ihr nicht oder nicht zugleich möglich oder zumutbar waren (vgl. Senatsurteile vom 29. Juni 2011 - XII ZR 157/09 - FamRZ 2011, 1721 Rn. 26 und vom 8. Juni 2011 - XII ZR 17/09 - FamRZ 2011, 1381 Rn. 23) ist nicht festgestellt. Das Vertrauen, die zuletzt ausgeübte Halbtagstätigkeit wieder aufnehmen zu dürfen, kann hierzu schon deshalb nicht gerechnet werden, weil nichts dafür ersichtlich ist, dass diese Entscheidung nicht zugunsten einer weitergehenden Beschäftigung hätte geändert werden können.

Da die angestellten Erwägungen die Entscheidung nicht tragen, kann das angefochtene Urteil bezüglich des Betreuungsunterhalts keinen Bestand haben.

5.

Hinsichtlich des der Beklagten in der vorausgegangenen Entscheidung zuerkannten Aufstockungsunterhalts (§ 1573 Abs. 2 BGB ) hängt die Abänderung im Sinne eines Wegfalls der Unterhaltspflicht davon ab, ob die vom Kläger geltend gemachte Änderung der rechtlichen Verhältnisse eingetreten ist. Das ist, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, nicht der Fall.

Eine Rechtsänderung, die den Kläger berechtigen könnte, eine Abänderung in diesem Sinne zu verlangen, ist nicht erfolgt. Die Einführung des § 1578 b BGB durch das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz und die seit der mündlichen Verhandlung im Ausgangsverfahren veröffentlichte Rechtsprechung des Senats haben hinsichtlich des in Rede stehenden Aufstockungsunterhalts die Rechtslage seit dem Vorprozess im Jahr 2007 nicht entscheidend geändert (vgl. Senatsurteil vom 8. Juni 2011 - XII ZR 17/09 - FamRZ 2011, 1381 Rn. 21). Die maßgebliche Änderung seiner Rechtsprechung hat der Senat hinsichtlich der Gewichtung von Ehedauer und ehebedingten Nachteilen im Rahmen der Befristung (§ 1573 Abs. 5 BGB aF) bereits durch sein Urteil vom 12. April 2006 ( XII ZR 240/03 - FamRZ 2006, 1006 ) vollzogen. In dieser Entscheidung hat er im Gegensatz zu seiner vorausgegangenen Rechtsprechung die Ehedauer in ihrer Bedeutung nicht mehr anderen Billigkeitskriterien vorangestellt. Er hat für die Entscheidung über die Befristung das maßgebliche Gewicht auf die mit der Ehe verbundenen (Erwerbs-)Nachteile für den Unterhaltsberechtigten gelegt.

Die Grundsätze der Senatsrechtsprechung hat das Berufungsgericht bei der Entscheidung über die Befristung des Aufstockungsunterhalts herangezogen und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass dieser Unterhalt bis Dezember 2011 zu befristen sei, weil der Beklagten keine ehebedingten Nachteile entstanden seien. Dass sich insoweit eine Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse ergeben hätte, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt, ohne dass die Revision dies mit der Verfahrensrüge angreift. Deshalb kann der Kläger mit seiner Abänderungsklage keinen früheren Wegfall des Aufstockungsunterhalts erreichen.

6. Die Revision beanstandet allerdings zu Recht, dass das Berufungsgericht nicht geprüft hat, ob sich hinsichtlich der Höhe des Aufstockungsunterhalts wesentliche Veränderungen ergeben haben. Der Kläger hat geltend gemacht, dass der bei der konkreten Bedarfsbemessung berücksichtigte Betrag von 100 € für einen Babysitter im Hinblick auf das Alter des Kindes nicht mehr in Ansatz zu bringen sei. Dazu sind Feststellungen nicht getroffen worden.

Darüber hinaus hat der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden, dass bei einer Bedarfsermittlung nach den konkreten Verhältnissen eigenes Erwerbseinkommen des Unterhaltsberechtigten zur Ermittlung der Bedürftigkeit nicht gekürzt um einen Erwerbsbonus, sondern in vollem Umfang auf den Bedarf anzurechnen ist (Senatsurteil vom 10. November 2010 XII ZR 197/08 - FamRZ 2011, 192 Rn. 26 ff.). Insofern ergibt sich jedenfalls eine wesentliche Abweichung vom Rechenwerk der vorausgegangenen Entscheidung, in der zugunsten der Beklagten ein Erwerbstätigenbonus berücksichtigt worden ist. Die Entscheidung zum Aufstockungsunterhalt kann deshalb im Ergebnis ebenfalls keinen Bestand haben.

7. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, da es hierzu weiterer Feststellungen insbesondere zu der Frage bedarf, ob der Beklagten ein Anspruch auf Erwerbslosenunterhalt nach § 1573 Abs. 1 BGB zusteht. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. Dieses wird im weiteren Verfahren gegebenenfalls auch dem Vorbringen der Beklagten nachzugehen haben, die ihr angerechneten Zinseinkünfte in Höhe von 3 % seien nicht mehr erzielbar.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 8. August 2012

Vorinstanz: AG Mainz, vom 16.06.2009 - Vorinstanzaktenzeichen 35 F 242/08
Vorinstanz: OLG Koblenz, vom 06.07.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 11 UF 497/09
Fundstellen
FamFR 2012, 465
FamRZ 2012, 1624
FuR 2012, 664
MDR 2012, 1164