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BGH - Entscheidung vom 06.09.2012

2 StR 122/12

Normen:
GG Art. 97 Abs. 1
StPO § 26a Abs. 1 Nr. 2

BGH, Beschluss vom 06.09.2012 - Aktenzeichen 2 StR 122/12

DRsp Nr. 2012/19484

Begründetheit des Vorwurfs der Befangenheit aufgrund von Besetzungsfehlern des Gerichts

1. Der zur Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch berufene Spruchkörper darf bei seiner Entscheidung nur diejenigen Gründe berücksichtigen, die in dem Antrag innerhalb des von § 25 StPO vorgegebenen zeitlichen Rahmens geltend gemacht worden sind.2. Befangenheit ist ebenso wie die Unparteilichkeit auf den konkret zu entscheidenden Fall bezogen; sie bezieht sich auf die innere Haltung des Richters zum Verfahrensgang und zum Ausgang des betreffenden Verfahrens.3. Etwaige Besetzungsfehler können als solche nicht den Vorwurf der Befangenheit begründen, sondern allenfalls mit einer Besetzungsrüge beanstandet werden.4. Neue oder bessere Rechtserkenntnis kann für sich eine Befangenheit nicht begründen.

Tenor

1.

Die Befangenheitsanträge des Angeklagten vom 5. Juli 2012 gegen Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann sowie die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Berger und Dr. Eschelbach und Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Ott werden als unzulässig verworfen.

2.

Die Befangenheitsanträge des Angeklagten vom 5. Juli 2012 gegen die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer, Dr. Appl, Prof. Dr. Schmitt und Prof. Dr. Krehl werden als unbegründet zurückgewiesen.

Normenkette:

GG Art. 97 Abs. 1 ; StPO § 26a Abs. 1 Nr. 2 ;

Gründe

Das Landgericht Erfurt hat den Angeklagten mit Urteil vom 2. Dezember 2011 wegen schwerer Brandstiftung und anderem zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und angeordnet, dass vier Monate dieser Strafe als vollstreckt gelten. Gegen das Urteil hat Rechtsanwalt O. als Verteidiger des Angeklagten Revision eingelegt und diese mit der (ausgeführten) Sachrüge begründet. Zur Entscheidung über die Revision ist nach dem Geschäftsverteilungsplan des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs dessen Spruchgruppe 1 berufen, der neben dem Vorsitzenden die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer, Dr. Appl, Prof. Dr. Schmitt und Prof. Dr. Krehl angehören.

In einer auf den 12. Juni 2012 datierten dienstlichen Erklärung gemäß § 30 StPO wies Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl auf "Ereignisse" hin, die nach einer von ihm am 4. April 2012 zu anderen Befangenheitsanträgen abgegebenen dienstlichen Erklärung eingetreten seien und "im Zusammenhang mit der Rechtsprechungsänderung des 2. Strafsenats zum Umgang mit der nicht ordnungsgemäßen Besetzung des Senats" stünden. Ferner fügte er eine von ihm verfasste, auf den 31. Mai 2012 datierte dienstliche Erklärung bei und ergänzte die eingereichten Schreiben mit einer dienstlichen Erklärung vom 26. Juni 2012. Auf diese Erklärungen wird Bezug genommen.

Mit Schriftsatz vom 5. Juli 2012 rügte der Verteidiger des Angeklagten "die vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts hinsichtlich des an der Entscheidung beteiligten Vorsitzenden Richters am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann" und lehnte mit Schriftsatz vom selben Tag neben diesem die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer, Dr. Appl, Prof. Dr. Schmitt, Dr. Berger, Prof. Dr. Krehl und Dr. Eschelbach sowie die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Ott wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Zur Begründung verwies er auf die in den dienstlichen Erklärungen von Prof. Dr. Krehl wiedergegebenen Geschehnisse, "die ein hohes Interesse des Präsidiums des Bundesgerichtshofs sowie auch der Dienstvorgesetzten der an der Entscheidungsfindung im 2. Strafsenat beteiligten Richter daran [dokumentiere], dass die ursprünglich vom Senat vertretene Rechtsansicht zur Besetzung des Senats aufgegeben bzw. zurückgestellt wird und dass an dieser geänderten Rechtsansicht nach den im 08.02.2012 verkündeten Urteil geschehenen Änderungen der Rechtsansicht festgehalten wird. ... Insbesondere der Umstand, dass das Präsidium des Bundesgerichtshofs am 18.01.2012 die Mitglieder des 2. Strafsenats angehört hat und dass nach dieser Anhörung eine Anpassung der Rechtsansicht durch Mitglieder des 2. Strafsenats erfolgte, begründet die Besorgnis der Befangenheit der jeweiligen Richter". Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Verteidigers des Angeklagten vom 5. Juli 2012 Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 4. Juli 2012 stellte der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs zu der dienstlichen Erklärung gemäß § 30 StPO fest, dass kein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl zu rechtfertigen.

Nach Erhebung einer weiteren, auf Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Becker bezogenen Besetzungsrüge lehnte der Verteidiger des Angeklagten nunmehr auch die an dem Beschluss vom 4. Juli 2012 beteiligten Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ab.

Die mit Schriftsatz vom 5. Juli 2012 abgelehnten Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl, Prof. Dr. Schmitt, Dr. Berger, Prof. Dr. Krehl sowie Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Ott haben - nachdem der Senat "keine Bedenken gegen die Zulässigkeit" der Befangenheitsanträge hatte - dienstliche Erklärungen abgegeben; Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer hat in einer Erklärung vom 26. Juli 2012 mitgeteilt, dass er derzeit keine dienstliche Erklärung abgebe, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Eschelbach hat mit einem "Vermerk" seine Antragsschrift an das Dienstgericht des Bundes vom 31. Mai 2012 vorgelegt. Auf diese Erklärungen bzw. den Vermerk (mit Anlage) wird verwiesen.

Der Verteidiger des Angeklagten hat mitgeteilt, dass er keine weitere Stellungnahme abgebe. Der Generalbundesanwalt sieht keinen Grund, der geeignet sein könnte, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der abgelehnten Richter zu rechtfertigen.

1. Die Ablehnungsanträge gegen Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann sowie die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Berger und Dr. Eschelbach sowie die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Ott sind unzulässig.

Die vom Antragsteller besorgte Befangenheit der abgelehnten Richter bezieht sich, wie sich aus der Antragsbegründung und dem zeitlichen Ablauf der von ihm eingereichten Schriftsätze ergibt, auf die anstehende Sachentscheidung des Bundesgerichtshofs, also auf die "Entscheidungsfindung" über die Revision des Angeklagten. An dieser Entscheidung wird Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann infolge Eintritts in den Ruhestand, der

mit Ablauf des 30. Juni 2012 erfolgt ist, nicht mitwirken; insofern besteht auch kein berechtigtes fortwirkendes Interesse an der sachlichen Verbescheidung des Antrags. Richter am Bundesgerichtshof Dr. Berger und Dr. Eschelbach sowie Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Ott gehören der zur Entscheidung über das Rechtsmittel des Angeklagten berufenen Spruchgruppe 1 des 2. Strafsenats nicht an. Hinsichtlich dieser Richter gehen die Ablehnungsgesuche daher ins Leere (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Januar 1994 - 3 ARs 41/93, BGHR StPO § 26a Unzulässigkeit 6; Meyer-Goßner, StPO , 55. Aufl., § 24 Rn. 2 mwN). Die vom Antragsteller vorgebrachten Ablehnungsgründe sind mithin zur Begründung einer Besorgnis der Befangenheit gänzlich ungeeignet; dies führt zur Unzulässigkeit dieser Ablehnungsanträge (vgl. § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO ; BVerfG, Beschluss vom 31. August 2011 - 2 BvR 1979/08; BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2009 - 3 StR 367/09, NStZ 2010, 401 , jeweils mwN).

Die Unzulässigkeit kann auch der nach § 27 StPO zur Entscheidung berufene Spruchkörper feststellen (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2009 - 4 StR 461/08; KK-Fischer, StPO , 6. Aufl., § 27 Rn. 5, 14; Meyer-Goßner aaO, § 27 Rn. 9 jeweils mwN).

2. Auch im Übrigen haben die Ablehnungsanträge keinen Erfolg.

a) Grundlage der Entscheidung des Senats ist der Schriftsatz des Verteidigers des Angeklagten vom 5. Juli 2012.

Der zur Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch berufene Spruchkörper darf bei seiner Entscheidung nur diejenigen Gründe berücksichtigen, die in dem Antrag innerhalb des von § 25 StPO vorgegebenen zeitlichen Rahmens geltend gemacht worden sind (Radtke/Hohmann/Alexander, § 27 StPO Rn. 12; Meyer-Goßner aaO, § 27 Rn. 9 jeweils mwN). Dies belegen § 25 Abs. 1 Satz 2 StPO , wonach der Antragsteller alle Ablehnungsgründe gleichzeitig vorzubringen hat, § 26 Abs. 2 Satz 1 StPO , der deren Glaubhaftmachung fordert, und

insbesondere § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO , nach dem ein Ablehnungsantrag als unzulässig zu verwerfen ist, wenn ein Ablehnungsgrund nicht angegeben ist (vgl. auch KK-Fischer aaO, § 26 Rn. 3; dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14. September 1971 - 5 StR 232/71, JR 1972, 119 m. abl. Anm. Peters, liegt insofern eine besondere, vorliegend nicht gegebene Fallgestaltung zugrunde).

Soweit in den im vorliegenden Verfahren erholten dienstlichen Erklärungen der abgelehnten Richter, der stattdessen von Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer vorgelegten Erklärung sowie dem Vermerk (nebst Anlage) von Richter am Bundesgerichtshof Dr. Eschelbach neue oder andere Umstände vorgebracht wurden, als sie der Antragsteller geltend gemacht hat, müssen sie daher unberücksichtigt bleiben (vgl. auch Peters JR 1972, 119, 121; KK-Fischer aaO, § 26a Rn. 5; Radtke/Hohmann/Alexander, § 26 StPO Rn. 4 mwN).

b) Auf dieser Grundlage sind die Ablehnungsanträge gegen Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer, Dr. Appl, Prof. Dr. Schmitt und Prof. Dr. Krehl - wie auch die bereits unzulässigen Befangenheitsanträge - unbegründet.

aa) Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG garantiert, dass der Rechtsuchende im Einzelfall vor einem Richter steht, der unabhängig und unparteilich ist und der die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet (BVerfG, Beschlüsse vom 13. Mai 2009 - 2 BvR 247/09; vom 26. Juni 2008 - 2 BvR 2067/07 jeweils mwN). Der Gesetzgeber hat deshalb in materieller Hinsicht Vorsorge dafür zu treffen, dass die Richterbank im Einzelfall nicht mit Richtern besetzt ist, die dem zur Entscheidung anstehenden Streitfall nicht mit der erforderlichen professionellen Distanz eines Unbeteiligten und Neutralen gegenüberstehen (BVerfG, Beschluss vom 6. Mai 2010 - 1 BvR 96/10, NZS 2011, 92 mwN). Dem dienen die Regelungen in §§ 22 ff. StPO (vgl. KK-Fischer aaO, § 22 Rn. 1; Meyer-Goßner aaO, Vor § 22 Rn. 1 jeweils mwN).

Befangenheit ist mithin ebenso wie die Unparteilichkeit auf den konkret zu entscheidenden Fall bezogen (vgl. EGMR , Urteile vom 12. Juni 2008 - 26771/03 [E. ./. Deutschland], EuGRZ 2009, 12, 15; vom 10. August 2006 - 75737/01 [Sch. ./. Deutschland], NJW 2007, 3553 , 3554); sie bezieht sich auf die innere Haltung des Richters zum Verfahrensgang und zum Ausgang des betreffenden Verfahrens (vgl. etwa BGH, Urteil vom 12. November 2009 - 4 StR 275/09, NStZ 2010, 342 , mwN; KK-Fischer aaO, § 24 Rn. 3).

bb) Hieraus ergibt sich, dass die Befangenheitsanträge offensichtlich unbegründet sind, soweit mit ihnen auf Entscheidungen des Präsidiums des Bundesgerichtshofs zur Besetzung des 2. Strafsenats abgestellt wird. Etwaige Besetzungsfehler können als solche nicht den Vorwurf der Befangenheit begründen, sondern allenfalls mit einer Besetzungsrüge beanstandet werden.

cc) Völlig ungeeignet zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit sind aber auch Erwägungen, die allein darauf abstellen, dass der 2. Strafsenat seine Rechtsansicht zu seiner ordnungsgemäßen Besetzung bzw. den sich daraus ergebenden Folgen (Aussetzung oder Weiterführung des Verfahrens) geändert hat. Neue oder bessere Rechtserkenntnis kann für sich eine Befangenheit nicht begründen.

dd) Erfolglos sind die Befangenheitsanträge indes ebenfalls, soweit mit ihnen geltend gemacht bzw. in den Raum gestellt wird, die "Anpassung der Rechtsansicht" zur Ordnungsmäßigkeit der Besetzung des 2. Strafsenats bzw. den sich daraus ergebenden Folgen stehe in Zusammenhang mit der Anhörung durch das Präsidium des Bundesgerichtshofs vom 18. Januar 2012 und einem "bedenklichen Umgang mit Richtern, die [zur Ordnungsmäßigkeit der Besetzung bzw. deren Folgen] eine Mindermeinung vertreten" und an ihr festhalten, etwa durch die Einsichtnahme des Präsidenten des Bundesgerichtshofs in ein Senatsheft und damit auch in die in diesem Senatsheft befindlichen dienstlichen Erklärungen abgelehnter Richter am Bundesgerichtshof.

Auch nach den dienstlichen Erklärungen von Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl, auf die der Verteidiger des Angeklagten die Befangenheitsanträge stützt, wurde mit oder während der Anhörung durch das Präsidium des Bundesgerichtshofs am 18. Januar 2012 bzw. nach der Einsichtnahme des Präsidenten des Bundesgerichtshofs in ein Senatsheft kein "Druck" ausgeübt, der sich in irgendeiner Weise auf Entscheidungen des 2. Strafsenats in der Sache, also über den Erfolg oder Misserfolg der Rechtsmittel der bei diesem Senat anhängigen oder anhängig werdenden Verfahren, bezog. Vielmehr ging es - nach diesen dienstlichen Erklärungen - bei der Anhörung durch das Präsidium um den Beschluss des 2. Strafsenats vom 11. Januar 2012, in dem die Revisionshauptverhandlung ausgesetzt worden war, um dem Präsidium Gelegenheit zu geben, die Besetzung dieses Senats mit dem "Doppelvorsitz" zu ändern, und die sich aus dieser Entscheidung ergebenden Folgen. Die vom Antragsteller besorgte "Anpassung der Rechtsansicht" ist im Urteil des 2. Strafsenats vom 8. Februar 2012 ausdrücklich jedoch nicht in Bezug auf die Frage der ordnungsgemäßen Besetzung, sondern allein in Bezug darauf erfolgt, dass mit Rücksicht darauf, dass es andernfalls zu einem partiellen Stillstand der Rechtspflege käme, den beim Senat anhängigen Revisionen Fortgang gegeben werden soll, um dem Gebot der Rechtsschutzgewährung Rechnung zu tragen. Bei einer solchen, den Interessen eines Angeklagten entsprechenden "Anpassung der Rechtsansicht" hat ein vernünftiger Angeklagter - der bei einem von ihm oder für ihn gestellten Ablehnungsantrag den Maßstab für die Prüfung der Besorgnis der Befangenheit setzt - keine Gründe zu besorgen, dass die Richter ihm bei der Entscheidung über seine Revision nicht mit der gebotenen Neutralität und Distanz gegenübertreten. Dies gilt auch, soweit im Urteil vom 8. Februar 2012 weiter ausgeführt ist, dass "die richterliche Unabhängigkeit nach Art. 97 Abs. 1 GG partiell zurückstehen" müsse und der Senat "nach der Entscheidung des Präsidiums gehalten" sei, "in seiner Meinung nach verfassungswidriger Besetzung zu entscheiden". Diese Ausführungen belegen, dass auch nach Ansicht des dortigen Spruchkörpers die richterliche Unabhängigkeit gerade nicht in Bezug auf die Sachentscheidung über das Rechtsmittel des Revisionsführers be-

troffen war, sondern durch eine vermeintlich verfassungswidrige Besetzung aufgrund des Geschäftsverteilungsplans des Bundesgerichtshofs. Eine solche lag indes nicht vor. Vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 23. Mai 2012 ( 2 BvR 610/12 und 625/12, NJW 2012, 2334 ) entschieden, dass die Besetzung des 2. Strafsenats mit Vorsitzendem Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann nicht verfassungswidrig war und dabei auch festgestellt, dass eine unabhängigkeitsbeeinträchtigende Einflussnahme auf die angehörten Richter bei der Anhörung auszuschließen sei.

ee) Hinzu kommt, dass Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl, Prof. Dr. Schmitt und Dr. Berger - wie auch Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer - am 18. Januar 2012 vom Präsidium des Bundesgerichtshofs gar nicht angehört wurden, so dass auf sie dort jedenfalls unmittelbar nicht im Sinne der vom Antragsteller besorgten "Anpassung der Rechtsansicht" eingewirkt worden sein kann. Zudem haben - wie sich ebenfalls aus den dienstlichen Stellungnahmen ergibt - Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl und Prof. Dr. Schmitt weder an der Entscheidung des 2. Strafsenats vom 11. Januar 2012 (zur Aussetzung eines Verfahrens wegen nicht ordnungsgemäßer Besetzung des Senats) noch an der vom 8. Februar 2012 (zur Fortsetzung dieses Verfahrens), Richter am Bundesgerichtshof Dr. Berger lediglich an der Entscheidung vom 8. Februar 2012 (nicht aber an der vom 11. Januar 2012) und Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Ott nur an der vom 11. Januar 2012 (nicht aber an der vom 8. Februar 2012) mitgewirkt, so dass bei diesen die Annahme einer "Anpassung ihrer Rechtsansicht" lediglich eine nicht belegte Spekulation darstellt, mithin zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit ungeeignet ist.

Es liegen daher für einen vernünftig urteilenden Angeklagten keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Besorgnis vor, dass es den abgelehnten Richtern bei der Sachentscheidung über sein am 23. März 2012 beim Bundesgerichtshof eingegangenes Rechtsmittel an der erforderlichen Neutralität und Distanz fehlt.

Vorinstanz: LG Erfurt, vom 02.12.2011