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BGH - Entscheidung vom 05.03.2012

NotZ(Brfg) 10/11

Normen:
BNotO § 111b Abs. 1 S. 1
VwGO § 114 S. 1

BGH, Beschluss vom 05.03.2012 - Aktenzeichen NotZ(Brfg) 10/11

DRsp Nr. 2012/6130

Anwendung eines Punktesystems bei der Bewertung der Teilnahme an notarspezifischen Fortbildungskursen bei Differenzierung des zeitlichen Abstandes zum Bewerbungsverfahren

Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Senats für Notarsachen des Kammergerichts vom 10. Mai 2011 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird auf 50.000 € festgesetzt.

Normenkette:

BNotO § 111b Abs. 1 S. 1; VwGO § 114 S. 1;

Gründe

Der Antrag ist zulässig, insbesondere rechtzeitig eingereicht und begründet worden (§ 124a Abs. 4 VwGO i.V.m. § 111b Abs. 1 Satz 1 BNotO ). Er hat in der Sache allerdings keinen Erfolg, da entgegen der Ansicht der Klägerin ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils nicht bestehen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 111b Abs. 1 Satz 1 BNotO ).

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils bestehen, wenn gegen sie nach summarischer Prüfung gewichtige Gesichtspunkte sprechen (Kopp/Schenke, VwGO , 17. Aufl., § 124 Rn. 7 mwN). Hiervon ist auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden kann (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00, [...] Rn. 15) und sich ohne nähere Prüfung nicht beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (ausführlich hierzu: Kopp/Schenke aaO Rn. 7, 7a-d mwN). Die Entscheidung des Kammergerichts begegnet unter Berücksichtigung des Auswahl- und Ermessensspielraums der Beklagten und der deshalb nach § 114 Satz 1 VwGO i.V.m. § 111b Abs. 1 Satz 1 BNotO eingeschränkten Nachprüfbarkeit der angefochtenen Entscheidung durch die Gerichte solchen Bedenken nicht.

1. Dass das von der Beklagten angewandte Punktesystem bei der Bewertung der Teilnahme an notarspezifischen Fortbildungskursen nicht nach dem zeitlichen Abstand zum Bewerbungsverfahren differenziert, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Das Kammergericht hat sich mit seiner Auffassung an den im Beschluss des Senats vom 14. April 2008 (NotZ 121/07, DNotZ 2008, 868 , [...] Rn. 16 ff. insbesondere 18 und 19) aufgestellten Grundsätzen orientiert. Danach verlieren auch ältere Ausbildungsveranstaltungen nicht notwendig erheblich an Ausbildungswert. Der Klägerin ist darin recht zu geben, dass in zeitnäheren Lehrgängen erworbene Kenntnisse in ihren Einzelheiten eher abrufbar sein können als Wissen, das in früheren Jahren erworben wurde. Auch geben Fortbildungsveranstaltungen, die in kürzerer Zeit vor der Bewerbung stattgefunden haben, regelmäßig die aktuelle Rechtsprechung und Lehre wieder und vermitteln damit den Teilnehmern den neuesten Stand von Praxis und Wissenschaft (Senatsbeschlüsse vom 20. November 2006 - NotZ 4/06, ZNotP 2007, 109, 111, Rn. 16; NotZ 16/06, [...] Rn. 14 und NotZ 22/06, [...] Rn. 13). Andererseits müssen sich trotz gesetzlicher Änderungen die Grundlagen der notariellen Tätigkeit in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht über einen längeren Zeitraum jedenfalls nicht so stark geändert haben, dass länger zurückliegende Fortbildungsveranstaltungen erheblich an Ausbildungswert verlieren müssten. Das erlangte Wissen kann unter Umständen gegenüber raschem kurzfristig erworbenem besser vertieft sein und beherrscht werden, insbesondere, wenn es der Bewerber im Rahmen von Notarvertretungen über einen längeren Zeitraum in der Praxis angewandt hat. Zumal eine längere praktische Tätigkeit als Notarvertreter oder Notariatsverwalter in der Regel nur dann verantwortlich übernommen werden kann, wenn sich der Bewerber zuvor durch den Besuch notarspezifischer Fortbildungskurse die hierfür notwendige Kenntnis verschafft hat. Auf einmal erworbene theoretische und praktische Kenntnisse wird in der juristischen Praxis regelmäßig zurückgegriffen werden. Der Erwerb theoretischer Kenntnisse, die in praktischer Anwendung vertieft worden sind, ist deshalb trotz einer längeren zeitlichen Distanz für die Beurteilung der fachlichen Eignung von Bedeutung.

Der Senat hat es deshalb innerhalb des der einzelnen Landesjustizverwaltung zustehenden Beurteilungsspielraums gesehen, wenn bei der Erstellung des Punktesystems von einer zeitlichen Differenzierung nach dem Besuch der Fortbildungskurse abgesehen wird. Er hat allerdings dann für erforderlich gehalten, dass vor der endgültigen Auswahl bei der der Landesjustizverwaltung ohnehin obliegenden zusätzlichen Prüfung besonderer Umstände, die in dem starren Bewertungssystem keinen Eingang gefunden haben, die aber zur vollständigen Erfassung der Kenntnisse und Fähigkeiten der Bewerber berücksichtigt werden müssen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 23. Juli 2007 - NotZ 2/07, [...] Rn. 27 und vom 24. Juli 2006 - NotZ 3/06, NJW-RR 2007, 63 , 65 Rn. 16), zu fragen ist, ob die einem Bewerber rechnerisch zuzubilligenden Punkte für die Teilnahme an Fortbildungskursen die fachliche Eignung im Vergleich zu seinen Mitbewerbern zutreffend wiedergeben. Dies ist vorliegend der Fall.

Die Klägerin erreichte 71 Punkte und mithin mehr als die maximal mögliche Zahl von 60 Punkten für die von ihr besuchten Fortbildungskurse. Die Qualifikation der Klägerin auf einem "notarnahen Rechtsgebiet" durch ihre Tätigkeit als Fachanwältin hat die Beklagte mit 1,50 Sonderpunkten bewertet. Zutreffend weist das Kammergericht darauf hin, dass auch eine Gutschrift von Sonderpunkten im Übrigen die Differenz der Klägerin von 24,49 Punkten zur Beigeladenen zu 1 mit dem Platz 28, die 180,88 Punkte erreicht hat, nicht zu überbrücken vermag. Dies gilt auch für den Fall, dass die Bewerber mit den Rangstellen 12, 21 und 24 wegfallen sollten. Es verbleibt dann immer noch ein Punkteabstand von 17,76 Punkten zu dem Bewerber auf der Rangstelle 31 mit 174,15 Punkten.

Erweist sich das Urteil des Kammergerichts mithin als richtig, ist der Antrag der Klägerin zurückzuweisen.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 111d Satz 2 BNotO , § 154 Abs. 2 VwGO . Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden der Klägerin nicht auferlegt (vgl. BayVGH, Beschluss vom 11. Oktober 2001 - 8 ZB 01.1789, DVBl 2002, 345, [...] Rn. 10 ff.; Kopp/Schenke aaO § 163 Rn. 23).

Die Wertfestsetzung ergibt sich aus § 111g Abs. 2 Satz 1 BNotO .

Vorinstanz: KG Berlin, vom 10.05.2011 - Vorinstanzaktenzeichen Not 25/10