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BVerwG - Entscheidung vom 12.09.2011

8 B 39.11

Normen:
SchfG § 37 Abs. 3 S. 2 Nr. 4
SchfG § 37 Abs. 4
SchfG § 42

BVerwG, Beschluss vom 12.09.2011 - Aktenzeichen 8 B 39.11

DRsp Nr. 2011/17179

Reichweite der Aufsicht aus § 42, 37 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 i.V.m. § 37 Abs. 4 SchfG im Fall der Festlegung der Höhe der Beiträge

1. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt, dass und inwieweit die höchstrichterliche Beantwortung einer bestimmten Rechtsfrage des Bundesrechts zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist. 2. Eine für die Zukunft geltende Klärung kann ein auf auslaufendes Recht bezogenes Revisionsverfahren nur ausnahmsweise dann herbeiführen, wenn sich bei der gesetzlichen Bestimmung, die der außer Kraft getretenen Vorschrift nachfolgt, die streitigen Fragen in gleicher Weise stellen.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 150 000 € festgesetzt.

Normenkette:

SchfG § 37 Abs. 3 S. 2 Nr. 4; SchfG § 37 Abs. 4; SchfG § 42;

Gründe

I

Die Klägerin begehrt die Genehmigung eines Beschlusses ihrer Vertreterversammlung, mit dem die Beitragshöhe ab dem 1. Januar 2009 deutlich gesenkt werden sollte. Die Beklagte verweigerte die Genehmigung mit der Begründung, dass die beabsichtigte Absenkung der Beitragshöhe bereits kurzfristig durch Entnahmen aus einem Reservefonds finanziert werden müsste. Dies wäre eine zweckfremde Verwendung des Reservefonds, der gebildet worden sei, um künftig steigende Rentenbelastungen zu finanzieren. Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben, weil der Beklagten nur die Rechtsaufsicht zustehe. Die Voraussetzungen einer allenfalls eingeschränkt bestehenden Fachaufsicht der Beklagten über die Klägerin lägen nicht vor. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Schon der Wortlaut des § 37 Abs. 4 Schornsteinfegergesetz - SchfG - spreche für ein Recht auf inhaltliche Überprüfung des Beschlusses durch die Aufsichtsbehörde. Anderenfalls wäre es nicht erforderlich, die Herbeiführung des Einvernehmens bzw. Benehmens verschiedener Bundesministerien vorzuschreiben. Die Ablehnung der Genehmigung halte sich in dem gesetzlich eröffneten Überprüfungsrahmen.

II

Die Beschwerde ist nicht begründet. Der Rechtssache kommt die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht zu.

Die Klägerin wirft folgende Fragen zur Reichweite der Aufsicht und zum Verbot der Auflösung des Reservefonds auf:

1.

Welche Reichweite hat die in §§ 42, 37 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 i.V.m. § 37 Abs. 4 SchfG normierte Aufsicht der Beklagten über die Klägerin im Fall der Festlegung der Höhe der Beiträge? oder: Kann aus Normen, die ohne weitere Konkretisierung von "Aufsicht" sprechen, aber zum Teil einen Genehmigungsvorbehalt vorsehen, die vom Berufungsgericht angenommene Kontrolldichte abgeleitet werden?

2.

Besteht ohne Vorhandensein einer Rechtsgrundlage eine Pflicht der Klägerin zur Bewahrung der Rücklagen ("Reservefonds") in der momentan vorhandenen Höhe? oder: Darf die Klägerin ihren Reservefonds im Hinblick auf die Belastung ihrer Mitglieder im Rahmen des ihr gesetzlich zustehenden Selbstverwaltungsrechts abschmelzen?

Diese Fragen rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht. Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache nur, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO ) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt, das heißt näher ausgeführt werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ), dass und inwieweit die höchstrichterliche Beantwortung einer bestimmten Rechtsfrage des Bundesrechts zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (vgl. Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18). Daran fehlt es hier.

Die als rechtsgrundsätzlich bedeutsam bezeichneten Fragen nach der Reichweite der Aufsicht der Beklagten über die Klägerin beantworten sich zwar nach revisiblem Recht. § 37 Abs. 4, § 42 SchfG in der hier zugrunde zu legenden Fassung des Art. 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Schornsteinfegerwesens vom 26. November 2008 (BGBl I S. 2242) sind - noch bis zum 31. Dezember 2012 - geltendes Bundesrecht. Die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen verleihen der Rechtssache aber deshalb keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie sich auf auslaufendes Recht beziehen.

Die für den vorliegenden Rechtsstreit maßgebliche Fassung des Schornsteinfegergesetzes tritt gemäß Art. 4 Abs. 4 des Gesetzes zur Neuregelung des Schornsteinfegerwesens vom 26. November 2008 mit Ablauf des 31. Dezember 2012 außer Kraft. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Rechtsfragen bei auslaufendem Recht regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung, da die Zulassungsvorschrift des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur eine für die Zukunft geltende Klärung herbeiführen soll (vgl. etwa Beschlüsse vom 9. Dezember 1994 - BVerwG 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4 und vom 13. Juli 2007 - BVerwG 3 B 16.07 - Buchholz 451.511 § 6 MOG Nr. 9).

Diese Aufgabe kann ein auf auslaufendes Recht bezogenes Revisionsverfahren nur ausnahmsweise dann erfüllen, wenn sich bei der gesetzlichen Bestimmung, die der außer Kraft getretenen Vorschrift nachfolgt, die streitigen Fragen in gleicher Weise stellen. Trotz des Auslaufens des alten Rechts ist dann eine richtungsweisende Klärung zu erwarten, wie die neue Vorschrift anzuwenden ist (vgl. Beschlüsse vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9 und vom 26. Juli 2005 - BVerwG 6 B 24.05 - Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 129). Eine solche Fallgestaltung liegt hier aber nicht vor. Zwar sehen die §§ 27 ff. des Gesetzes über das Berufsrecht und die Versorgung im Schornsteinfegerhandwerk (Schornsteinfeger-Handwerksgesetz - SchfHwG -, erlassen als Art. 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Schornsteinfegerwesens vom 26. November 2008), die am 1. Januar 2013 in Kraft treten und die Versorgung der bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger regeln, in § 29 ebenfalls vor, dass die danach zu bildende Vertreterversammlung über die Festsetzung der Höhe der Beiträge beschließt. Auch die Regelung des § 29 Abs. 4, dass dieser Beschluss für seine Rechtsgültigkeit der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde bedarf, entspricht der bisherigen Regelung des § 37 SchfG. Der Zusatz in § 37 Abs. 4 Satz 2 SchfG, dass die Entscheidung über die Genehmigung eines Beschlusses über die Festsetzung der Höhe der Beiträge im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und darüber hinaus im Benehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu treffen ist, fehlt bei § 29 Abs. 4 SchfHwG jedoch. Auf diese Regelung des § 37 Abs. 4 Satz 2 SchfG hat das Berufungsgericht aber seine Rechtsauffassung, dass es sich bei der Erteilung der Genehmigung um eine Frage der Fachaufsicht handelt, maßgeblich gestützt. § 29 Abs. 4 SchfHwG verweist für die Zuständigkeit zur Genehmigung stattdessen auf § 34 SchfHwG, der dem Bundesversicherungsamt die Aufsicht zuweist. In Fragen der Aufsicht ist das Bundesversicherungsamt nach § 34 Abs. 1 Satz 2 SchfHwG i.V.m. § 94 Abs. 2 Satz 3 SGB IV nur - aber immerhin - an allgemeine Weisungen des zuständigen Bundesministeriums gebunden. Die Gesetzesbegründung (BTDrucks 16/9237 S. 21 f. zu Nr. 18) bezeichnet sie als Fachaufsicht, im Gegensatz zur Rechtsaufsicht, die im Zuge der Änderung der staatlichen Aufsicht über das Zusatzversorgungssystem dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales übertragen wird. Im Hinblick auf diese rechtliche Neuordnung muss sich die Frage der Reichweite der Aufsicht und des konkreten Genehmigungsmaßstabes zukünftig nicht zwangsläufig in gleicher Weise stellen.

Eine weitere Ausnahme von der Regel, dass Fragen des auslaufenden Rechts die Zulassung der Grundsatzrevision nicht rechtfertigen, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dann anerkannt, wenn die Klärung der Rechtsfragen für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft weiterhin von Bedeutung ist. Es müssen Anhaltspunkte für eine erhebliche Zahl von Altfällen dargetan und ersichtlich sein (vgl. Beschluss vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - a.a.O.). Davon kann keine Rede sein. Die von der Klägerin erstrebte Genehmigung kennt keinen Parallelfall. Die Klägerin weist zwar darauf hin, dass über 7 000 Bezirksschornsteinfegermeister von der Höhe der von ihnen aufzubringenden Beiträge betroffen sind. Das ist aber nur eine mittelbare Auswirkung, die der Frage des Umfangs und der Reichweite der Aufsicht der Beklagten über die Klägerin keine grundsätzliche Bedeutung verschaffen kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO , die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 , § 52 Abs. 1 GKG .

Vorinstanz: OVG Berlin-Brandenburg, vom 14.12.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 1 B 33.09