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BVerwG - Entscheidung vom 24.01.2011

4 B 44.10

Normen:
BauNVO § 1 Abs. 5
BauNVO § 1 Abs. 9

BVerwG, Beschluss vom 24.01.2011 - Aktenzeichen 4 B 44.10

DRsp Nr. 2011/2840

Notwendigkeit eines allgemeinen Konzepts der Gemeinde zum Ausschluss von Beherbergungsbetrieben in Gewerbe- und Industriegebieten

Eine Gemeinde hat über den Ausschluss bestimmter Arten von Nutzungen für jeden Bebauungsplan auf der Grundlage der jeweiligen Besonderheiten einschließlich der mit den Festsetzungen verfolgten städtebaulichen Zielsetzungen zu entscheiden. Dabei bleibt es ihr überlassen, ob sie sich auf ein allgemeines Konzept stützt oder ihre Festsetzungen im jeweiligen Bebauungsplanverfahren eingehend begründet. Sie ist auch nicht verpflichtet, alle Industrie- oder sonstigen Gebiete schematisch gleich zu behandeln.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 28. Juli 2010 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die nicht erstattungsfähig sind.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 144 000 EUR festgesetzt.

Normenkette:

BauNVO § 1 Abs. 5 ; BauNVO § 1 Abs. 9 ;

Gründe

Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.

1.

Das Beschwerdevorbringen ergibt nicht, dass die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen wäre.

Die Beschwerde wirft (unter 5.) die Frage auf:

Bedarf es eines allgemeinen Konzepts der Gemeinde, um Beherbergungsbetriebe in Gewerbe- und Industriegebieten allgemein auszuschließen und muss der entsprechende Ausschluss auch in anderen Bebauungsplänen der Gemeinde verwirklicht sein? Muss sich die Gemeinde an ein einmal beschlossenes Konzept, welches Grundlage für die Ablehnung einer Bauanfrage war, in jedem Fall auch für andere Bauanfragen in anderen Industriegebieten halten? 

Diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung, denn sie lässt sich ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten. Über den Ausschluss bestimmter Arten von Nutzungen (§ 1 Abs. 5 und 9 BauNVO ) hat die Gemeinde für jeden Bebauungsplan auf der Grundlage der jeweiligen Besonderheiten einschließlich der mit den Festsetzungen verfolgten städtebaulichen Zielsetzungen zu entscheiden. Ob sie sich dabei auf ein allgemeines Konzept stützt oder ihre Festsetzungen im jeweiligen Bebauungsplanverfahren eingehend begründet (vgl. hierzu Urteil vom 29. Januar 2009 - BVerwG 4 C 16.07 - BVerwGE 133, 98 Rn. 25 ff. zu einem Einzelhandelskonzept) bleibt ihr überlassen. Eine schematische Gleichbehandlung beispielsweise aller Industriegebiete einer Gemeinde gebietet das Baugesetzbuch nicht. Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht vorliegend nicht festgestellt, dass die Beigeladene sich durch ein der Bauleitplanung übergeordnetes "einmal beschlossenes Konzept" hat binden wollen; daher kommt es auf die im zweiten Satz der Fragestellung aufgeworfene Problematik nicht an.

2.

Soweit die Beschwerde das Berufungsurteil als willkürlich rügt (1.) und sich auf die Grundsätze der Gleichbehandlung und den Schutz des Eigentums (2.), sowie eine unzulässige Negativplanung (3.) beruft, legt sie keinen Grund für die Zulassung der Revision dar, sondern kritisiert das Urteil nach Art einer Berufungsbegründung. In diesem Zusammenhang verkennt die Beschwerde im Übrigen die rechtliche Bedeutung von Festsetzungen in einem Bebauungsplan und die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten - und vom Oberverwaltungsgericht wiedergegebenen - engen Voraussetzungen, unter denen derartige Festsetzungen unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Funktionslosigkeit unwirksam sein können. Dass sachwidrige Motive sich aus den Planungsunterlagen ergeben, hat das Oberverwaltungsgericht ausdrücklich verneint (UA S. 10).

3.

Die Divergenzrügen führen nicht zur Zulassung der Revision.

Die unter 3. auf Seite 7 der Beschwerdebegründung erhobene Divergenzrüge genügt nicht den Darlegungsanforderungen. Auch unter Berücksichtigung des vorangegangenen Vortrags zeigt die Beschwerde keinen Rechtssatzwiderspruch auf.

Auch die unter 4. der Beschwerdebegründung zu den Anwendungsvoraussetzungen für § 1 Abs. 9 BauNVO erhobene Divergenzrüge bleibt ohne Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht geht, wie seine den Beschluss über die Zulassung der Berufung wiedergebenden Ausführungen auf Seite 4 - 6 des Urteils deutlich machen, ausdrücklich von dem in der Beschwerde herangezogenen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Mai 1987 - BVerwG 4 C 77.84 - (BVerwGE 77, 317 ) aus und hebt hervor, dass für die Regelung in § 1 Abs. 9 BauNVO spezielle städtebauliche Gründe gerade für die gegenüber § 1 Abs. 5 BauNVO noch feinere Ausdifferenzierung der zulässigen Nutzung erforderlich, aber auch ausreichend sind. Die Beschwerde legt nicht dar, dass das Oberverwaltungsgericht einen von diesen Grundsätzen abweichenden Rechtsgrundsatz aufgestellt hätte. Sie rügt vielmehr die Rechtsanwendung im Einzelfall; dies kann einer Divergenzrüge nicht zum Erfolg verhelfen.

Entsprechendes gilt für die unter 6. und 7. der Beschwerdebegründung angesprochenen Fragen der Funktionslosigkeit des Bebauungsplans und einer Verletzung des Abwägungsgebots. Auch insoweit legt die Beschwerde lediglich dar, dass das Oberverwaltungsgericht in Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen müssen.

4.

Auch die unter 8. der Beschwerdebegründung erhobene Verfahrensrüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs bleibt ohne Erfolg. Die Beschwerde bezieht sich dabei auf Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts (UA S. 12), wonach sich im Industriegebiet der "stark expandierende" Betrieb C. befinde. Dabei verweist das Gericht auf die eigene Darstellung dieses Betriebs im Internet.

Die Existenz dieses Betriebs als solche ist vielfach Gegenstand der Akten. Bereits im Urteil des Verwaltungsgerichts (UA S. 10) ist von einer expandierenden Großbäckerei die Rede. In der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht hat der Bürgermeister der Beigeladenen vorgetragen, die Firma hege noch immer "Erweiterungsinteressen und -absichten" (Sitzungsniederschrift S. 5). Daher konnte der Kläger nur insoweit überrascht worden sein, als das Oberverwaltungsgericht bestimmte Einzelheiten des Betriebs C. dem Internet entnommen hat. Die Beschwerde legt jedoch nicht - wie es für den Erfolg einer Gehörsrüge geboten ist - dar, was der Kläger vorgetragen hätte, wenn er - beispielsweise in der mündlichen Verhandlung - auf die Informationen aus dem Internet hingewiesen worden und ihm Gelegenheit gegeben worden wäre, sich hierzu zu äußern, und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab, da sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 , § 162 Abs. 3 VwGO , die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3 , § 52 Abs. 1 GKG .

Vorinstanz: OVG Niedersachsen, vom 28.07.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 1 LB 282/07