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BGH - Entscheidung vom 27.06.2011

IV ZR 143/09

Normen:
GG Art. 103 Abs. 1
StGB § 246
StGB § 266

BGH, Beschluss vom 27.06.2011 - Aktenzeichen IV ZR 143/09

DRsp Nr. 2011/13209

Zurückweisung einer Beschwerde wegen mittlerweile geklärter Rechtsfrage i.R.d. Reichweite des Versicherungsschutzes hinsichtlich typischen Transportrisiken bei Werttransporten; Reichweite des Versicherungsschutzes bei typischen Transportrisiken von Werttransporten insbesondere hinsichtlich der Differenzierung zwischen Bargeld und Buchgeld oder Giralgeld

1. Eine Nichtzulassungsbeschwerde hat im Ergebnis keinen Erfolg, wenn die von ihr aufgeworfenen grundsätzlichen Fragen zur Reichweite eines Versicherungsschutzes und der damit in Zusammenhang stehenden Verteilung der Darlegungs- und Beweislast durch ein zwischenzeitlich erlassenes und veröffentlichtes Senatsurteil (Urteil vom 25. 05. 2011 - IV ZR 117/09) in einer Rechtssache geklärt ist, der derselbe Versicherungsvertrag zugrunde lag.2. Danach ist nur Bargeld - nicht hingegen Buch- oder Giralgeld - gegen typische Transportrisiken bei und während des Werttransports bis zu dessen Abschluss versichert. Eingeschlossen werden zwar Verluste und Schäden, die aus einer Unterschlagung (§ 246 I StGB ) oder einer veruntreuenden Unterschlagung (§ 246 II StGB ) folgen. Nicht versichert sind dagegen Schäden, die lediglich aus einer Untreue nach § 266 StGB resultieren. Ebenso wenig ist die vertragliche Haftung für den gesamten Transportbetrieb eines Versicherungsnehmers im Sinne einer Haftpflichtversicherung vom Versicherungsschutz umfasst. Anderes folgt auch nicht daraus, dass sich der Gegenstand der Versicherung auf sämtliche Transporte, Lagerungen, Bearbeitungen und sonstige von einem Versicherungsnehmer vertraglich übernommene Tätigkeiten erstreckt.3. Demgemäß setzt bei einer Überweisung der Versicherungsschutz nicht bereits mit der Überweisung auf ein Konto eines Versicherungsnehmers ein, sondern erst nach der Umwandlung des betreffenden Guthabens in Bargeld und dessen körperlicher Übernahme durch den Versicherungsnehmer.4. Soweit ein Verlust erst dadurch eingetreten ist, dass anstehende Überweisungen auf Konten des Versicherungsnehmers pflichtwidrig unterblieben sind, liegt darin kein stofflicher Zugriff auf transportiertes Bargeld, sondern lediglich ein treuwidriger Umgang mit nach Ende des Versicherungsschutzes nicht mehr versichertem Buchgeld.

Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Ce lle vom 27. Mai 2009 wird zurückgewiesen.

Von den gerichtlichen Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens und den der Beklagten darin entstandenen notwendigen Kosten trägt die Klägerin zu 1 ) 96%, die Klägerin zu 2) 4% (§ 100 Abs. 2 ZPO ).

Streitwert: bis 1.500.000 €

Normenkette:

GG Art. 103 Abs. 1 ; StGB § 246 ; StGB § 266 ;

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat im Ergebnis keinen Erfolg.

1.

Die von ihr aufgeworfenen grundsätzlichen Fragen zur Reichweite des Versicherungsschutzes und der damit in Zusammenhang stehenden Verteilung der Darlegungs- und Beweislast sind durch das Senatsurteil vom 25. Mai 2011 ( IV ZR 117/09, veröffentlicht in [...]), dem derselbe Versicherungsvertrag zugrunde lag, geklärt.

Danach ist nur Bargeld - nicht hingegen Buch- oder Giralgeld - gegen typische Transportrisiken bei und während des Werttransports bis zu dessen Abschluss versichert. Eingeschlossen werden zw ar Verluste und Schäden, die aus einer Unterschlagung i .S. von § 246 Abs. 1 StGB oder einer Veruntreuung i.S. von § 246 Abs. 2 StGB (veruntreuende Unterschlagung) folgen. Nicht versichert sind dagegen Schäden, die lediglich aus einer Untreue nach § 266 StGB resultieren. Ebenso wenig ist die vertragliche Haftung für den gesamten Transportbetrieb der Versicherungsnehmerin im Sinne einer Haftpflichtversicherung vom Versicherungsschutz umfasst (Senatsurteil vom 25. Mai 2011 aaO Rn. 31 ff., 35 ff.). Anderes folgt auch nicht daraus, dass sich der Gegenstand der Versicherung auf sämtliche Transporte, Lagerungen, Bearbeitungen und sonstige von der Versicherungsnehmerin vertraglich übernommene Tätigkeiten erstreckt (vgl. dazu Senatsurteil vom 25. Mai 2011 aaO Rn. 29). Das vorliegende Verfahren gibt insofern keinen Anlass für Abweichungen oder Ergänzungen.

2.

Da die Revision im Zeitpunkt der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde mit Blick auf die vom Senat erst danach geklärten Rechtsfragen noch hätte zugelassen werden müssen, waren die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Revision auch im Übrigen zu prüfen (vg l. dazu Senatsbeschluss vom 27. Oktober 2004 - IV ZR 386/02, VersR 2005, 809 unter II 2 m.w.N.), jedoch zu verneinen, weil das angefochtene Berufungsurteil keinen Rechtsfehler zu Lasten der Klägerinnen enthält.

a)

Das Beschwerdevorbringen zur Reichweite des Versicherungsschutzes und zur Verteilung der Darlegungs - und Beweislast kann aus den im Senatsurteil vom 25. Mai 2011 ( IV ZR 117/09 aaO Rn. 21 f., 41 ff.) genannten Gründen keinen Erfolg haben. Verfahrensgrundrechte der Beschwerdeführerinnen (insbesondere aus Art. 103 Abs. 1 GG ) hat das Berufungsgericht insoweit nicht verletzt.

b)

Einen Bargeldverlust im versicherten Zeitraum (vgl. dazu Senatsurteil vom 25. Mai 2011 aaO Rn. 50) haben die Klägerinnen nicht nachgewiesen. Das gilt, wie das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler dargelegt hat, auch hinsichtlich der von der Klägerin zu 1 nach ihrer Behauptung zum Zweck der Bargeldversorgung an die Versicher ungsnehmerin überwiesenen 218.250 €. Der Versicherungsschutz setzte nicht bereits mit der Überweisung des genannten Betrages auf ein Konto der Versicherungsnehmerin ein, sondern erst nach der Umwandlung des betreffenden Guthabens in Bargeld und dessen körp erlicher Übernahme durch die Versicherungsnehmerin. Dazu hat die Klägerin zu 1 nicht ausreichend vorgetragen.

aa)

Der Behauptung der Beklagten, das transportierte Bargeld sei auftragsgemäß bei einer Filiale der Deutschen Bundesbank abgeliefert und dort auf ein für die Versicherungsnehmerin geführtes Konto eingezahlt worden, haben die Klägerinnen nicht substantiiert widersprochen. Sie haben nur dargelegt, das betreffende Bargeld sei der Versicherungsnehmerin zum Transport übergeben worden, und sich im Üb rigen darauf beschränkt, den Vortrag der Beklagten zum weiteren Ablauf - zum Teil mit Nichtwissen - zu bestreiten. Insoweit haben die Klägerinnen lediglich nicht ausschließen können, dass es zu einem Bargeldverlust gekommen sei. Damit haben sie ihrer Darlegungslast nicht genügt.

bb)

Ein den Versicherungsfall begründender Verlust des Transportguts lässt sich nicht feststellen.

Ebenso wie in der durch das Senatsurteil vom 25. Mai 2011 entschiedenen Sache ergibt auch die vom Berufungsgericht ohne Rechtsfehler vorgenommene Auslegung der hier maßgeblichen Bedingungen des Transportvertrages zwischen den Klägerinnen und der Versicherungsnehmerin, dass es Letzterer nicht untersagt war, transportiertes Geld im so genannten kontogebundenen Überweisungsverfahre n (Pooling-Verfahren) zunächst auf ein für sie bei der Deutschen Bundesbank eingerichtetes Konto verbuchen zu lassen.

Der von den Klägerinnen behauptete Verlust ist erst dadurch eingetreten, dass nachfolgend anstehende Überweisungen auf ihre Konten pflichtwidrig unterblieben sind. Darin liegt aber kein stofflicher Zugriff auf transportiertes Bargeld, sondern lediglich ein treuwidriger Umgang mit -nach Ende des Versicherungsschutzes nicht mehr versichertem -Buchgeld.

cc)

Ob ein Versicherungsfall auch deshalb zu verneinen gewesen wäre, weil nach der Behauptung der Beklagten das von der Versicherungsnehmerin praktizierte Pooling-Verfahren von den Klägerinnen über eine längere Zeit hingenommen wurde, kann offen bleiben.

c)

Der geltend gemachte Anspruch steht den Klägerinnen auch nicht aufgrund von der Beklagten abgegebener Versicherungsbestätigungen zu (vgl. dazu Senatsurteil vom 25. Mai 2011 aaO Rn. 68).

d)

Einen eigenständigen Schadensersatzanspruch der Klägerinnen hat das Berufungsgericht unter Würdigung der besonderen Umstände des Einzelfalles, insbesondere der von der Beklagten ausgestellten Versicherungsbestätigungen, mit vertretbarer Begründung abgelehnt. Anhaltspunkte für eine willkürlich (Art. 3 Abs. 1 GG ) oder unter Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG ) getroffenen Entscheidung bestehen nicht.

e)

Auf die von der Beklagten erklärte Arglistanfechtung kommt es nach allem nicht mehr an.

Vorinstanz: LG Hannover, vom 14.08.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 8 O 101/07
Vorinstanz: OLG Celle, vom 27.05.2009 - Vorinstanzaktenzeichen 8 U 180/08