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BGH - Entscheidung vom 24.05.2011

EnVR 14/10

Normen:
EnWG § 73 Abs. 1 S. 1
VwZG § 3 Abs. 2
ZPO § 180

BGH, Beschluss vom 24.05.2011 - Aktenzeichen EnVR 14/10

DRsp Nr. 2011/15289

Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde bei Einlegung per Fax mehr als einen Monat nach Zustellung des angegriffenen Bescheids per Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten

Bei einer Ersatzzustellung gemäß § 73 Abs. 1 S. 1 EnWG i.V.m. § 3 Abs. 2 VwZG i.V.m. § 180 ZPO gilt das Schriftstück mit dem Zeitpunkt der Einlegung in den Briefkasten als zugestellt und zwar auch dann, wenn an dem Tag des Einwurfs eine Kenntnisnahme unwahrscheinlich ist.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss des Kartellsenats des Oberlandesgerichts Brandenburg vom 12. Januar 2010 wird zurückgewiesen.

Die Betroffene trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und die der Landesregulierungsbehörde entstandenen notwendigen Auslagen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 250.000 € festgesetzt.

Normenkette:

EnWG § 73 Abs. 1 S. 1; VwZG § 3 Abs. 2 ; ZPO § 180 ;

Gründe

I.

Die Landesregulierungsbehörde legte mit Bescheid vom 11. Dezember 2008 gegenüber der Betroffenen, die ein Gasverteilernetz betreibt, die Erlösobergrenzen für die erste Regulierungsperiode fest. Mit diesem Bescheid verband die Regulierungsbehörde zugleich einen Auflagenvorbehalt zur Mehrerlösabschöpfung.

Der Bescheid ist der Betroffenen am Samstag, dem 13. Dezember 2008, zugestellt worden. Am 15. Januar 2009 ist beim Oberlandesgericht ein als Beschwerde bezeichneter Schriftsatz per Telefax eingegangen. In dem Schriftsatz werden die Stadtwerke O. GmbH als Beschwerdeführerin bezeichnet, das Aktenzeichen der Regulierungsbehörde mitgeteilt und als Betreff angegeben: "Festlegung Erlösobergrenze Gas". Das Original der Beschwerdeschrift, dem auch eine Vollmacht und der an die Betroffene gerichtete Bescheid in Kopie beigefügt waren, ist erst am 19. Januar 2009 bei dem Gericht eingetroffen. Mit Schriftsatz vom 10. Februar 2009 hat die Betroffene ihre Bezeichnung korrigiert und das Unternehmen richtig benannt. In ihrer Beschwerdebegründung hat sie beantragt, die Regulierungsbehörde zu einer Neubescheidung im Hinblick auf die Erlösobergrenzen zu verpflichten. In der mündlichen Verhandlung hat sie sich zudem gegen den Auflagenvorbehalt gewandt.

Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde als unzulässig verworfen, weil sie unter der richtigen Parteibezeichnung nicht fristgerecht im Sinne des § 78 Abs. 1 EnWG eingelegt worden sei. Hiergegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Betroffenen.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist im Ergebnis unbegründet.

1.

Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Auffassung ausgeführt, dass bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist die Person des Rechtsmittelführers erkennbar sein müsse. Diesen Anforderungen genüge die Beschwerdeschrift nicht. Sie lasse aufgrund der ausdrücklichen Benennung nur den Schluss zu, dass Beschwerdeführerin die Stadtwerke O. seien. Weder das Aktenzeichen noch die Angabe des Verfahrensgegenstandes ("Festlegung Erlösobergrenze Gas") ließen für das Gericht, dem zum Zeitpunkt des Ablaufs der Beschwerdefrist die Verfahrensakten nicht vorgelegen hätten, die Falschbezeichnung erkennbar werden. Die dem Original der Beschwerdeschrift beigefügte Abschrift des angegriffenen Bescheids sei erst am 19. Januar 2009, mithin nach Ablauf der Beschwerdefrist eingegangen.

2.

Diese Begründung des Beschwerdegerichts begegnet jedenfalls schon deswegen Bedenken, weil es nicht bedacht hat, dass im Hinblick auf die Einlegung der Beschwerde ergänzend die Vorschrift des § 82 VwGO anwendbar sein könnte. Diese Regelung erlaubt es, inhaltliche Mängel der Klageschrift nach gerichtlichem Hinweis auch noch nach Ablauf der Frist zur Einlegung der Klage zu beheben (BVerwG, Beschluss vom 5. Mai 1982 VII B 201/81, NvwZ 1983, 29; vgl. auch BFH, Urteil vom 12. Mai 1989 III R 132/85, BFHE 157, 296).

3.

Letztlich braucht diese Frage jedoch nicht entschieden zu werden, weil sich die angefochtene Entscheidung aus anderen Gründen als richtig erweist. Denn bereits die per Telefax am 15. Januar 2009 beim Beschwerdegericht eingegangene Beschwerdeschrift war wie mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung erörtert nicht rechtzeitig. Die angefochtene Entscheidung der Regulierungsbehörde wurde ausweislich der Postzustellungsurkunde der Betroffenen am Samstag, dem 13. Dezember 2008 zugestellt. Da mit Postzustellungsurkunde zugestellt wurde, liegt eine Zustellung im Sinne des § 3 VwZG vor.

Die Zustellung erfolgte gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 EnWG i.V.m. § 3 Abs. 2 VwZG i.V.m. § 180 ZPO als Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten. Bei dieser Form der Ersatzzustellung gilt das Schriftstück mit dem Zeitpunkt der Einlegung in den Briefkasten als zugestellt (§ 180 Satz 2 ZPO ). Dies ist auch dann der Fall, wenn an dem Tag des Einwurfs eine Kenntnisnahme unwahrscheinlich ist, weil die Einlegung in den Briefkasten außerhalb der Geschäftszeit erfolgt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 24. April 2007 AnwZ (B) 93/06, NJW 2007, 2186 ; BVerwG, Beschluss vom 2. August 2007 2 B 20/07, NJW 2007, 3222 ). Die Monatsfrist nach § 78 Abs. 1 EnWG lief deshalb bereits am Dienstag, dem 13. Januar 2009 und nicht erst am Donnerstag, dem 15. Januar 2009 ab.

Verkündet am: 24. Mai 2011

Vorinstanz: OLG Brandenburg, vom 12.01.2010 - Vorinstanzaktenzeichen W 6/09