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BGH - Entscheidung vom 08.02.2011

4 StR 612/10

Normen:
StPO § 206a Abs. 1
StPO § 266 Abs. 1
StPO § 349 Abs. 2

Fundstellen:
NStZ-RR 2014, 136

BGH, Beschluss vom 08.02.2011 - Aktenzeichen 4 StR 612/10

DRsp Nr. 2011/4288

Vorliegen eines Prozesshindernisses im Falle des Fehlens eines wirksamen Einbeziehungsbeschlusses für die zu Grunde liegenden Taten; Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge

Bei Unterlassen des Einziehungsbeschlusses für eine Nachtragsanklage fehlt es an einer von Amts wegen zu beachtenden Verfahrensvoraussetzung, was zur Einstellung des Verfahrens führt, indessen der Erhebung einer neuen Anklage nicht entgegen steht.

1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 9. Juli 2010 wird

a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge am 12./13. Mai 2009 (Fall II. 1 der Urteilsgründe) und am 19. Juni 2009 (Fall II. 2 der Urteilsgründe) verurteilt worden ist. Insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen;

b) das vorbezeichnete Urteil dahin geändert, dass der Angeklagte wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II. 3 der Urteilsgründe) zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und zwei Monaten verurteilt ist und die Anordnung des Wertersatzverfalls in Höhe von 16.000 Euro entfällt.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3. Der Angeklagte hat die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Normenkette:

StPO § 206a Abs. 1 ; StPO § 266 Abs. 1 ; StPO § 349 Abs. 2 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt und Wertersatzverfall in Höhe von 16.000 Euro angeordnet.

Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 13. Januar 2011 unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO .

1.

Soweit der Angeklagte wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge am 12./13. Mai 2009 (Fall II. 1 der Urteilsgründe) und am 19. Juni 2009 (Fall II. 2 der Urteilsgründe) verurteilt worden ist, ist das Verfahren wegen eines Prozesshindernisses einzustellen. Es fehlt für die zu Grunde liegenden Taten an einem wirksamen Einbeziehungsbeschluss gemäß § 266 Abs. 1 StPO . Die Staatsanwaltschaft hatte bezüglich dieser Taten in der Hauptverhandlung am 26. Mai 2010 Nachtragsanklage erhoben. Ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls wurde die Nachtragsanklage nicht durch Beschluss in das Verfahren einbezogen, aber über die in der Nachtragsanklage erhobenen Tatvorwürfe verhandelt.

Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Antragsschrift u.a. Folgendes ausgeführt:

"Auf die Verkündung des Einziehungsbeschlusses in der Hauptverhandlung und dessen Aufnahme in das Hauptverhandlungsprotokoll kann grundsätzlich nicht verzichtet werden, weil es sonst an einer schlüssigen und eindeutigen Willenserklärung des Gerichts mangelt, dass es die Nachtragsanklage zum Gegenstand der Hauptverhandlung macht (Senat, 4 StR 279/95). Da im vorliegenden Fall ein solcher Einziehungsbeschluss nicht ergangen ist, fehlt es an einer von Amts wegen zu beachtenden Verfahrensvoraussetzung, was zur Einstellung des Verfahrens führen muss, indessen der Erhebung einer neuen Anklage nicht entgegen steht (vgl. BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 3). Ein Fall, in dem das Fehlen des Einziehungsbeschlusses ausnahmsweise als unschädlich angesehen werden kann, weil das Gericht in anderer Weise klar zu erkennen gegeben hat, dass es die Nachtragsanklage zum Gegenstand der Verhandlungsentscheidung machen wollte (vgl. Senat NJW 1990, 1055 ), ist hier nicht gegeben. Es sind zwar die Staatsanwaltschaft, der Angeklagte und sein Verteidiger von der Einbeziehung der weiteren Taten ausgegangen und es ist insoweit auch zur Sache verhandelt worden, nichts desto weniger fehlt es aber an einer deutlichen Willensäußerung des Gerichts".

Dem schließt sich der Senat an.

2.

Die Einstellung des Verfahrens hinsichtlich der Fälle II. 1 und II. 2 der Urteilsgründe hat den Wegfall der insoweit verhängten Einzelstrafen und der Gesamtfreiheitsstrafe zur Folge. Ferner kann die Anordnung von Wertersatzverfall nicht bestehen bleiben, weil sie an die von der Einstellung betroffenen Taten und die daraus erlangten Erlöse anknüpft. Der Senat hat den Tenor des angefochtenen Urteils aus Gründen der Klarstellung entsprechend geändert.

Vorinstanz: LG Paderborn, vom 09.07.2010
Fundstellen
NStZ-RR 2014, 136