Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 05.07.2011

5 StR 229/11

Normen:
StPO § 349 Abs. 2
StGB § 63

BGH, Beschluss vom 05.07.2011 - Aktenzeichen 5 StR 229/11

DRsp Nr. 2011/13036

Notwendigkeit einer hinreichenden Begründung der zukünftigen Gefährlichkeit eines Angeklagten für eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 2. März 2011 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Braunschweig zurückverwiesen.

Normenkette:

StPO § 349 Abs. 2 ; StGB § 63 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bedrohung in zwei Fällen und versuchter Nötigung unter Einbeziehung einer Freiheitsstrafe von neun Monaten wegen vorsätzlicher Körperverletzung aus dem Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 2. September 2009 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge im Umfang der Aufhebung Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO ).

1.

Während der Schuld- und der Strafausspruch rechtsfehlerfrei sind, hält der Maßregelausspruch der sachlichrechtlichen Prüfung nicht stand.

Die Anordnung einer Maßregel nach § 63 StGB bedarf einer besonders sorgfältigen Begründung, weil sie eine schwerwiegende und gegebenenfalls langfristig in das Leben des Betroffenen eingreifende Maßnahme darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 2008 - 3 StR 450/08, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 30). Den danach zu stellenden Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Das Landgericht hat seine Überzeugung von der zukünftigen Gefährlichkeit des Angeklagten nicht hinreichend begründet.

a)

Nach den Feststellungen leidet der Angeklagte an einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung mit depressiven, phobischen, impulsiven und möglicherweise dissozialen Anteilen, die sich aus seiner Kindheitsgeschichte herleitet. Aufgrund seiner Persönlichkeitsstörung neigt er zu heftigen Affektausbrüchen und impulsiven Reaktionen. Darüber hinaus leidet er unter Verlustängsten und einem geringen Selbstwertgefühl. Er sucht sich deshalb stets eine Beziehung zu einer Partnerin, die er als "Objekt" kontrollieren kann; hierfür hat er sich bisher psychisch labile Frauen ausgesucht. Sobald diese sich eigenständig zeigen, fühlt der Angeklagte sich herabgewürdigt und hat starke Verlustängste. In der Folge greift er zu verbalen Einschüchterungen und körperlichen Aggressionen gegenüber seinen Partnerinnen.

Aufgrund dieser Persönlichkeitsstörung erwartet das Landgericht nicht nur Taten der hier abgeurteilten, eher geringfügigen Art (namentlich Todesdrohungen zum Nachteil einer Bekannten), sondern auch solche, wie sie einer Verurteilung des Angeklagten im Jahre 2001 zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten unter anderem wegen mehrfacher Vergewaltigung und vorsätzlicher und gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil seiner damaligen Ehefrau zugrunde lagen.

b)

Ohne Mitteilung der näheren Umstände dieser Taten ist indes der Schluss des Landgerichts nicht nachvollziehbar, die Taten seien symptomatisch für die beim Angeklagten vorliegende Persönlichkeitsstörung. Aus diesem Grund ist die Vorhersage gerade auch solcher Taten durch das angefochtene Urteil für das Revisionsgericht nicht überprüfbar. Das Urteil teilt auch nicht die Umstände mit, die dazu führten, dass der Angeklagte die damals verhängte Strafe voll verbüßen musste und mit dem Eintritt der Führungsaufsicht in das Programm des LKA Niedersachsen im Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftätern aufgenommen und hier in die Kategorie akut rückfallgefährdet eingestuft wurde.

2.

Angesichts der aufgezeigten Begründungsmängel vermag der Senat die Gefahrenprognose des Landgerichts nicht nachzuvollziehen. Der Maßregelausspruch ist daher mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben.

Das neu berufene Tatgericht wird die Zeit, die der Angeklagte nicht inhaftiert war, zu bewerten und auch Feststellungen zu seinem Beziehungsverhalten seit den verfahrensgegenständlichen Taten zu treffen und in die Gefahrenprognose einzubeziehen haben.

Vorinstanz: LG Braunschweig, vom 02.03.2011