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BGH - Entscheidung vom 16.03.2011

VIII ZR 121/10

Normen:
II. WoBauG § 87a Abs. 1
WoBindG § 10 Abs. 1

BGH, Urteil vom 16.03.2011 - Aktenzeichen VIII ZR 121/10

DRsp Nr. 2011/6811

Erfordernis einer Vereinbarung der Mietvertragsparteien hinsichtlich der gesonderten Tragung der Betriebskosten

Einem Vermieter preisgebundenen Wohnraums kann die Miete erhöhen, wenn der Mieter nur zur Entrichtung eines geringeren als des nach dem Gesetz zulässigen Entgelts verpflichtet ist. Der Vermieter kann daher auch Betriebskosten, deren Umlage bisher nicht im Mietvertrag vereinbart war, generell durch Erklärung nach § 10 Abs. 1 WoBindG für die Zukunft auf den Mieter umlegen. Dafür genügt die Übermittlung einer formell ordnungsgemäßen Betriebskostenabrechnung in einer Zeit, in der die Wohnungsbindung bestanden hat.

Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 8. April 2010 aufgehoben sowie das Urteil des Amtsgerichts Wiesbaden vom 9. Juni 2009 teilweise abgeändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen

Normenkette:

II. WoBauG § 87a Abs. 1 ; WoBindG § 10 Abs. 1 ;

Tatbestand

Die Kläger mieteten im Jahre 1975 von der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine in W. gelegene preisgebundene Wohnung. Der Mietvertrag, der den Zusatz "Wohnungsfürsorge für Bundesbedienstete" trägt, sah eine monatliche Miete von 456,22 DM vor, die sich aufgrund der Absenkung der Zinsen des Bundesdarlehens während der Dauer der Vergünstigung auf 260,95 DM ermäßigen sollte. Daneben waren an Vorauszahlungen 26,50 DM für Kaltwasser und 56,50 DM für Heizung vorgesehen. Der Vermietung war eine Wohnungszuteilung der Standortverwaltung M. vorausgegangen, in der die Wohnung als eine "mit Wohnungsfürsorgemitteln des Bundes geförderte Mietwohnung (Bundesdarlehenswohnung)" bezeichnet war. Außerdem war hierin angegeben worden, dass die Miete monatlich rund 280 DM "o.NK" betrage und die üblichen Nebenkosten hinzukämen.

Die Kläger sind der Auffassung, dass es sich bei der von ihnen nach dem Mietvertrag geschuldeten Miete um eine Teilinklusivmiete handle, von der lediglich die Kosten für Kaltwasser und Heizung ausgenommen seien, und dass sie eine Erstattung von darüber hinausgehenden Nebenkosten nicht schuldeten. Ihre Klage auf Rückzahlung der im Jahre 2006 geleisteten und um die Kosten für Heizung, Kaltwasser und Winterdienst bereinigten Nebenkostenvorauszahlungen in Höhe von 1.211,74 € zuzüglich Zinsen und angefallener Rechtsverfolgungskosten hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

Mit Ausnahme der Kosten für Kaltwasser und Heizung enthalte der Mietvertrag selbst keine Regelung hinsichtlich der Umlage von Nebenkosten. Daran ändere das Formular über die Wohnungszuteilung nichts, weil die darin enthaltene Angabe, dass zur Miete die "üblichen Nebenkosten" kämen, nicht zur vertraglichen Begründung der Umlage sämtlicher Nebenkosten tauge. Das gelte schon deshalb, weil die Wohnungszuteilung von der Standortverwaltung M. als einem Dritten vorgenommen worden sei und nicht zu einer Bindung der Vertragsparteien geführt habe. Zudem hätten die Parteien die in dem Formular offen gebliebene Bezeichnung der Nebenkosten in dem anschließend geschlossenen Mietvertrag konkretisiert.

Die Parteien hätten auch nicht nachträglich vereinbart, dass die Kläger die im Streit stehenden Nebenkosten zu tragen hätten. Die Beklagte habe ihre pauschale Behauptung, es sei schon immer, jedenfalls aber in den letzten Jahren so abgerechnet worden, nicht substantiieren können, so dass es nicht möglich sei nachzuprüfen, ob gegebenenfalls irgendwann im Laufe des jahrzehntelangen Mietverhältnisses eine - möglicherweise konkludente - Vertragsänderung vereinbart worden sei. Allein die Tatsache, dass Abrechnungen der Beklagten einige Jahre kommentarlos von den Klägern akzeptiert worden seien, genüge für eine Vertragsänderung nicht, zumal sich aus den Abrechnungen unstreitig immer Guthaben zugunsten der Kläger ergeben hätten. Ebenso wenig habe der pauschale Vortrag der Beklagten die Prüfung ermöglicht, ob die Kläger ihre Rechte verwirkt hätten.

II.

Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.

Das Berufungsgericht hat sich bei seiner Beurteilung rechtsfehlerhaft auf die Prüfung der Frage beschränkt, ob die Parteien eine nach seiner Auffassung im ursprünglichen Mietvertrag noch nicht vorgesehene Umlage von über die Kosten für Kaltwasser und Heizung hinausgehenden Nebenkosten nachträglich vereinbart haben. Dabei hat es - wie die Revision mit Recht rügt - übersehen, dass es sich nach dem Mietvertrag und der ihm zugrunde liegenden Wohnungszuteilung bei der vermieteten Wohnung um eine öffentlich geförderte Wohnung im Sinne von § 87a Abs. 1 II. WoBauG gehandelt hat, für die § 10 Abs. 1 WoBindG dem Vermieter die Möglichkeit einer Änderung der zu zahlenden Entgelte einschließlich einer Änderung der ursprünglichen Mietstruktur durch einseitige Erklärung eröffnet hat.

Der Vermieter konnte nach der bei Vertragsschluss geltenden Rechtslage die Betriebskosten in die Durchschnittsmiete einrechnen. Diese Möglichkeit ist auf Grund der am 1. Mai 1984 in Kraft getretenen Änderung des § 20 NMV mit Ablauf der Übergangsfrist des § 25b NMV (31. Dezember 1985) entfallen. Der Vermieter preisgebundenen Wohnraums kann Betriebskosten seither nur als gesondert abzurechnende Kosten auf den Mieter abwälzen. Insoweit kann die bisherige Mietstruktur für die Zukunft vom Vermieter durch einseitige Erklärung nach § 10 WoBindG geändert werden, indem er die bisher in der Grundmiete enthaltenen Betriebskosten herausrechnet und diesen Betrag als Vorauszahlung auf die nunmehr zwingend abzurechnenden Betriebskosten erhebt (Senatsurteil vom 14. April 2010 - VIII ZR 120/09, NJW 2010, 1744 Rn. 14 mwN).

Einem Vermieter preisgebundenen Wohnraums ist danach generell die Möglichkeit zur Erhöhung der Miete eröffnet, wenn der Mieter nur zur Entrichtung eines geringeren als des nach dem Gesetz zulässigen Entgelts verpflichtet ist. Dies schließt die Möglichkeit ein, Betriebskosten, deren Umlage im Mietvertrag nicht vereinbart ist, generell durch Erklärung nach § 10 Abs. 1 WoBindG für die Zukunft auf den Mieter umzulegen. Hierzu genügt die Übermittlung einer formell ordnungsgemäßen Betriebskostenabrechnung. Denn aus einer solchen Erklärung kann der Mieter ersehen, welche Betriebskosten der Vermieter nunmehr geltend macht und mit welchen Kosten er insoweit für die Zukunft rechnen muss (Senatsurteil vom 14. April 2010 - VIII ZR 120/09, aaO Rn. 15 mwN).

Zur Umstellung der Mietstruktur dahin, dass die Kläger die Betriebskosten im Sinne von § 27 II. BV gesondert zu tragen haben, bedurfte es deshalb entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht notwendig einer entsprechenden Vereinbarung der Mietvertragsparteien. Vielmehr konnte die Umstellung, da die Übergangsregelung des § 25b NMV mit keiner Ausschlussfrist verbunden war, auch schon dadurch erfolgen, dass die Beklagte oder deren Rechtsvorgängerin im Zusammenhang mit einer Erklärung über die Änderung der Miethöhe den Klägern unter Bezugnahme auf die Anlage 3 zu § 27 II. BV den Umfang der umzulegenden Betriebskosten und die Höhe der ungefähr zu erwartenden Kosten durch den Gesamtbetrag der geforderten Vorauszahlungen mitteilt (vgl. Senatsbeschluss vom 23. Februar 2010 - VIII ZR 199/09, WuM 2010, 294 Rn. 5). Hierzu reichte es aus, dass die Beklagte diese Kosten abweichend von der im Mietvertrag ursprünglich getroffenen Vereinbarung in einer Zeit, in der die Wohnungsbindung (noch) bestanden hat, umlegte und gegenüber den Klägern abrechnete (vgl. Senatsurteil vom 14. April 2010 - VIII ZR 120/09, aaO). Dies ist durch die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 4. November 2008 vorgelegten Anlagen B 3 zum 1. Juni 1988 und B 4 zum 1. Februar 1991 geschehen, welche bereits durch ihre Überschrift "Anlage zur Berechnung der Mietänderung..." zum Ausdruck bringen, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten die anschließend nach Maßgabe der Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 II. BV abgerechneten Nebenkosten gesondert neben der Grundmiete auferlegen wollte. Zudem lassen die genannten Anlagen nach ihrem Inhalt auch deutlich erkennen, dass die Mietpreisbindung jedenfalls zu den genannten Zeitpunkten noch bestanden hat.

III.

Das Berufungsurteil kann daher keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO ). Der Senat entscheidet in der Sache selbst, da die Sache nach dem festgestellten Sachverhältnis zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO ).

Von Rechts wegen

Verkündet am: 16. März 2011

Vorinstanz: LG Wiesbaden, vom 08.04.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 3 S 65/09
Vorinstanz: AG Wiesbaden, vom 09.06.2009 - Vorinstanzaktenzeichen 93 C 9189/08