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BGH - Entscheidung vom 18.10.2011

X ZR 45/10

Normen:
BGB § 516
BGB § 516

Fundstellen:
FamRB 2012, 121
FamRZ 2012, 207
MDR 2012, 204
NJW 2012, 605
NZM 2012, 285
NotBZ 2012, 96
WM 2012, 1150
ZEV 2012, 110

BGH, Urteil vom 18.10.2011 - Aktenzeichen X ZR 45/10

DRsp Nr. 2011/21587

Einfluss der Höhe des objektiven Werts der Zuwendung im Vergleich mit dem der Gegenleistung auf die Annahme einer gemischten Schenkung

Eine gemischte Schenkung liegt vor, wenn der Beschenkte durch einen Überschuss des Werts der Zuwendungen verglichen mit seinen Gegenleistungen objektiv bereichert wird, die Vertragsparteien sich dieses Überschusses bewusst und subjektiv darüber einig sind, jedenfalls den überschießenden Zuwendungsteil dem Beschenkten unentgeltlich zuzuwenden. Dies setzt nicht voraus, dass der objektive Wert der Zuwendung mindestens das Doppelte der Gegenleistungen beträgt.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das am 28. Januar 2010 verkündete Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Normenkette:

BGB § 516 ;

Tatbestand

Der Kläger macht als Sozialhilfeträger gegen den Beklagten einen übergeleiteten Anspruch auf Herausgabe einer Schenkung wegen Verarmung des Schenkers geltend.

Der Beklagte ist der einzige Sohn seiner am 6. April 2009 verstorbenen Mutter. Diese war Eigentümerin einer mit einem Wohnhaus und Gewerberäumen bebauten Liegenschaft in O. . In dem Wohnhaus wohnten der Beklagte mit seiner Familie, seine Mutter und zunächst auch seine Großmutter. Ab dem Jahre 1976 wurden an den Gebäuden mehrfach umfangreiche Umbau- und Renovierungsarbeiten vorgenommen, für die der Beklagte und seine Ehefrau die Mutter des Beklagten durch im Einzelnen streitige finanzielle Zuwendungen und Eigenleistungen unterstützten. Die Maßnahmen betrafen sowohl das Wohnhaus als Ganzes wie auch die Wohnräume des Beklagten, die seiner Mutter und die Gewerberäume. Der Kläger hat für diese Maßnahmen einen Wert in Höhe von 116.581,65 € zuletzt nicht mehr bestritten, während der Beklagte einen Wert von mindestens 263.486,62 € behauptet. Mit notariellem Vertrag vom 6. September 2002 übertrug die Mutter des Beklagten die Liegenschaft an ihn, wobei diese Übertragung als "vorweggenommene Erbfolge" bezeichnet wurde, die Mutter sich ein Wohnrecht für die Wohnung im Erdgeschoss vorbehielt und der Beklagte sich zu nach Alter und Gesundheit erforderlichen Pflegeleistungen verpflichtete. Im März 2003 zog die Mutter des Beklagten in ein Pflegeheim. Am 31. Dezember 2003 verkaufte der Beklagte das Grundstück zu einem Kaufpreis von 215.000 €, nachdem zuvor das Altenteilsrecht gegen Zahlung von 18.000 € gelöscht wurde.

Der Kläger gewährte der Mutter des Beklagten von April 2005 bis September 2007 Sozialhilfeleistungen in Höhe von 45.325,46 € und nimmt den Beklagten in dieser Höhe aus übergeleitetem Recht auf Herausgabe des Wertes des übertragenen Grundstücks in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dem Kläger stehe mangels Vorliegens einer Schenkung kein Anspruch auf Rückübertragung des Wertes des Grundstücks zu.

Die Unentgeltlichkeit der Übertragung ergebe sich nicht schon zwingend aus deren Bezeichnung als "vorweggenommene Erbfolge" im Übertragungsvertrag. Damit werde lediglich ein Motiv für die Übertragung festgehalten, das nichts über die Unentgeltlichkeit der Schenkung aussage.

Das Fehlen von Gegenleistungen könne nicht festgestellt werden. Der Wert des Grundstücks sei zwischen den Parteien unstreitig mit dem späteren Verkaufserlös in Höhe von 215.000 € anzusetzen. Für das Altenteilsrecht und die versprochenen Pflegeleistungen seien davon insgesamt 28.434 € abzuziehen. Hinsichtlich der vom Beklagten vorgenommenen Investitionen für das Haus sei auch nach dem Vortrag des Klägers von einem Betrag in Höhe von mindestens 116.581,65 € auszugehen.

Der Verkaufserlös habe nur erzielt werden können, weil der Beklagte und seine Familie seit 1976 finanzielle und handwerkliche Investitionsleistungen erbracht hätten. Diese Leistungen seien mit Rücksicht auf die Erwartung erfolgt, dass der Beklagte das Grundstück eines Tages als einziger Sohn von seiner Mutter erben werde, worüber er sich schon zu Beginn der Arbeiten mit seiner Mutter einig gewesen sei. Wenn die Mutter anderweitig über das Grundstück hätte verfügen wollen, hätte ihm deshalb ein Bereicherungsanspruch wegen Zweckverfehlung zugestanden. Vor diesem Hintergrund sei die Zuwendung bei dem Übertragungsvertrag im Jahr 2002 mit einer rechtlich erheblichen Zwecksetzung verknüpft gewesen, die deren Entgeltlichkeit begründe. Eine Zwecksetzung, die durch einen Bereicherungsanspruch geschützt sei, sei auch geeignet, die Entgeltlichkeit der auf diesen Zweck gerichteten Leistungen zu begründen, wenn damit der erstrebte Erfolg eintrete.

Die Leistungen des Beklagten seien nicht mit etwaigen Mietersparnissen in dem gesamten Zeitraum zu verrechnen, weil dem andere Leistungen des Beklagten gegenüber stünden.

Danach verbleibe nach Abzug des Wertes des Altenteils und der zugestandenen Investitionen allenfalls ein möglicher Wert der Schenkung von 69.984,35 €, was 32,55 % des Grundstückswertes seien. Damit liege auch keine gemischte Schenkung vor, denn diese setze voraus, dass der unentgeltliche Charakter überwiege, mithin der Wert der Gegenleistungen weniger als die Hälfte des effektiven Geschenks betrage.

II.

Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen kann ein Anspruch auf Herausgabe des Wertes der Schenkung nicht versagt werden, denn diese erlauben nicht, das Vorliegen einer Schenkung zu verneinen.

Eine Schenkung setzt gemäß § 516 BGB voraus, dass der Schenker dem Beschenkten einen Vermögensgegenstand zuwendet, diesen damit bereichert und beide sich darüber einig sind, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgt.

1.

Mit der Bereicherung des Beschenkten wird ein objektiver Tatbestand vorausgesetzt, bei dem die Leistung des Schenkers den Wert etwaig versprochener Gegenleistungen überwiegt (vgl. BGH, Urteile vom 21. Mai 1986 IVa ZR 171/84, NJW-RR 1986, 1135 unter II 2; vom 18. Mai 1990 V ZR 304/88, WM 1990, 1790 zu Grundstück E. unter 2 b). Hierfür reicht eine bloße Wertdifferenz zugunsten des Beschenkten aus. Bei Vorliegen einer oder mehrerer Gegenleistungen, womit die Schenkung regelmäßig als gemischte Schenkung anzusehen ist, bedarf es entgegen dem Berufungsurteil insbesondere nicht eines Überwiegens des unentgeltlichen Charakters des Geschäfts gegenüber dem entgeltlichen; der Wert der geschenkten Zuwendung muss also nicht mindestens das Doppelte etwaiger Gegenleistungen betragen.

Anderes ergibt sich nicht aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen der Schenker bei einer gemischten Schenkung aufgrund eines Herausgabeanspruchs die vollständige Herausgabe des Geschenks in Natur gegen Rückgewähr der Gegenleistung verlangen kann. Diese Form der Rückabwicklung kann der Schenker nur verlangen, wenn der unentgeltliche Charakter des Vertrags überwiegt, die Zuwendung des Schenkers also den doppelten Wert im Vergleich zur Gegenleistung aufweist (vgl. BGH, Urteile vom 27. November 1952 IV ZR 146/52, NJW 1953, 501 aE; vom 23. Mai 1959 V ZR 140/58, BGHZ 30, 120 , 123; vom 3. Dezember 1971 V ZR 134/69, NJW 1972, 247 unter I b; vom 2. Oktober 1987 V ZR 85/86, NJW RR 1988, 584 unter II 2 a; vom 7. April 1989 V ZR 252/87, BGHZ 107, 156 , 158 f.; vom 19. Januar 1999 X ZR 42/97, NJW 1999, 1626 unter I 2 b aa; vom 11. April 2000 X ZR 246/98, NJW 2000, 598 unter 1 a). Dieses Kriterium hat indessen nur für die Rückabwicklung eine Bedeutung. Überwiegt der unentgeltliche Charakter nicht, kann gleichwohl eine Schenkung vorliegen mit der Folge, dass der Schenker dann mit seinem Herausgabeanspruch nur einen Wertersatz in Höhe der Leistungsdifferenz zwischen Geschenk und Gegenleistung verlangen kann (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 1971 V ZR 134/69, NJW 1972, 247 unter I b).

2.

Auch der subjektive Tatbestand zum Wissen und zur Einigung in Bezug auf eine (teilweise) Unentgeltlichkeit der Zuwendung setzt nicht voraus, dass bei einer gemischten Schenkung der unentgeltliche Charakter überwiegt.

a)

Dieser Tatbestand ist in tatrichterlicher Würdigung aufgrund der Gesamtumstände des Falls unter der Beweislast dessen festzustellen, der sich auf die Schenkung beruft. Bei gemischten Schenkungen ist dabei besonders zu prüfen, ob die Vertragsparteien sich überhaupt einer Wertdifferenz zwischen den beiden Leistungsseiten bewusst und sich insoweit darüber einig waren, jedenfalls den überschießenden Leistungsteil dem Beschenkten unentgeltlich zuzuwenden, mithin die Gegenleistung nicht lediglich ein gewollt günstiger Preis sein sollte (vgl. BGH, Urteile vom 21. Juni 1972 IV ZR 221/69, BGHZ 59, 132 , 135; vom 18. Mai 1990 V ZR 304/88, WM 1990, 1790 zu Grundstück E. unter 2 b; vom 1. Februar 1995 IV ZR 36/94, NJW 1995, 1349 unter 2 b; RGZ 163, 257 , 259 f.).

b)

Dass die Vertragsparteien in der Vertragsurkunde eine Vorwegnahme der Erbfolge als Motiv angegeben haben, hat dabei wie im Berufungsurteil zutreffend erkannt keine maßgebliche Bedeutung. Diese Angabe kann sowohl auf dem Verständnis beruhen, eine unentgeltliche Zuwendung vorzunehmen wie darauf, die Rechtsfolgen einer Erbschaft durch ein entgeltliches Geschäft vorzeitig herbeiführen zu wollen (vgl. BGH, Urteile vom 1. Februar 1995 IV ZR 36/94, NJW 1995, 1349 unter 2; vom 6. März 1996 IV ZR 374/94, NJW RR 1996, 754 unter II 1 b).

c)

Maßgebliche Bedeutung kommt indessen dem Verhältnis zwischen dem Wert der Zuwendung und dem Wert der Gegenleistung zu. Besteht hierbei eine auffallende, über ein geringes Maß deutlich hinausgehende Diskrepanz, dann begründet dies im Einklang mit der Lebenserfahrung die tatsächliche, widerlegbare Vermutung für einen Schenkungswillen der Vertragsparteien (vgl. BGH, Urteile vom 21. Juni 1972 IV ZR 221/69, BGHZ 59, 132 , 135 f.; vom 1. Februar 1995 IV ZR 36/94, NJW 1995, 1349 unter 2; vom 6. März 1996 IV ZR 374/94, NJW RR 1996, 754 unter II 2 a). Hierfür sind nicht nur die objektiven Werte der Leistungen, sondern vor allem auch die Wertspannen zu berücksichtigen, innerhalb derer die Vertragsparteien den Wert der Leistungen auch unter Berücksichtigung der Beziehung, in der sie zueinander stehen, in einer noch vertretbaren Weise hätten annehmen können (vgl. BGH, Urteile vom 27. Mai 1981 IVa ZR 132/80, NJW 1981, 2458 unter I; vom 23. September 1981 IVa ZR 185/80, BGHZ 82, 274 , 281 f.; vom 18. Mai 1990 V ZR 304/88, WM 1990, 1790 zu Grundstück E. unter 2 b). Schon deshalb gibt es für dieses Missverhältnis keinen mathematisch errechenbaren, allgemein gültigen Schwellenwert. Auch unter diesem Gesichtspunkt trifft daher die Annahme des Berufungsgerichts nicht zu, eine gemischte Schenkung sei nur festzustellen, wenn die Zuwendung des Schenkers den doppelten Wert der Gegenleistung erreiche.

III.

Das Berufungsurteil ist demnach aufzuheben und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann den Rechtsstreit nicht selbst entscheiden, weil noch Feststellungen zum Umfang der als Schenkung in Frage stehenden Zuwendung und der Gegenleistungen sowie zu einer Einigung der Vertragsparteien über die Unentgeltlichkeit dieser Leistungen zu treffen sind.

Für das weitere Verfahren wird auf Folgendes hingewiesen:

1.

Für die Bewertung der dem Beklagten zugewendeten Liegenschaft ist von deren Gesamtwert vorab der Sachwert des seiner Mutter verbliebenen Altenteilsrechts in Form des Wohnrechts abzuziehen. Dieses Wohnrecht stellt im Gegensatz zu den versprochenen Pflegeleistungen weder eine Gegenleistung noch eine Auflage dar (vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 1993 V ZR 181/91, NJW 1993, 1577 unter 1), sondern mindert von vornherein den Wert des zugewendeten Grundstücks und hat damit keine Bedeutung für die Entgeltlichkeit dieser Zuwendung.

2.

Als Gegenleistung sind auch bereicherungsrechtliche Anspruchsgrundlagen im Sinne von gefestigten Schutzpositionen zugunsten des Beklagten zu prüfen, die zum Zeitpunkt des Zuwendungsvertrags noch nicht einen fälligen Anspruch gegen seine Mutter begründet haben müssen, deren Fälligkeit aber mit der Zuwendung vermieden oder erledigt wurde. Ein solcher bereicherungsrechtlicher Schutz kann sich aus erbrachten Leistungen mit einer auf einem übereinstimmenden Willen beruhenden Zwecksetzung ergeben, die im Falle des dauerhaften Ausbleibens des Erfolgs einen Bereicherungsanspruch wegen Zweckverfehlung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 BGB begründeten. Wenn die als Schenkung zu prüfende Zuwendung zugleich den Zweck der vorangegangenen Leistungen des Zuwendungsempfängers erfüllt, wird wie das Berufungsgericht im Grundsatz zutreffend erkannt hat damit das Entstehen eines Bereicherungsanspruchs vermieden und beide Leistungen werden derart verknüpft, dass die bereicherungsrechtlich geschützte Leistung die Entgeltlichkeit der Zuwendung zu begründen vermag (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 1992 XII ZR 145/91, NJW 1992, 2566 unter 2 b).

Eine solche Verknüpfung kommt insbesondere in Betracht, soweit der Beklagte behauptet, Leistungen im Einvernehmen mit seiner Mutter für die Liegenschaft mit dem Zweck erbracht zu haben, diese später einmal zu erben, wobei den Kläger die Beweislast für das Ausbleiben solcher zweckgerichteter Leistungen und für ein darauf bezogenes Einvernehmen trifft. Der Umfang dieser Leistungen und der sich daraus ergebenden Bereicherung unterliegt der tatrichterlichen Schätzung gemäß § 287 Abs. 2 ZPO . Dabei ist für die Berechnung des bereicherungsrechtlichen Schutzes nicht auf den Wert der Leistungen zum Zeitpunkt ihrer Erbringung, sondern auf den Wert der Bereicherung zu dem abzuschätzenden Zeitpunkt des dauerhaften Ausbleibens des bezweckten Erfolgs abzustellen, mithin auf den nach der Lebenserwartung abzuschätzenden Zeitpunkt eines Erbfalls ohne Vererbung der Liegenschaft an den Beklagten (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1994 V ZR 4/94, NJW 1995, 53 unter II 4 c mwN). Für die Verknüpfung mit der Zuwendung der Liegenschaft als Geschäft unter Lebenden muss sodann der Wert dieses bereicherungsrechtlichen Schutzes auf den Zeitpunkt des Übertragungsvertrags abgezinst werden.

3.

a)

Soweit der Beklagte Leistungen für die Immobilie erbracht hat, die seine eigene Wohnsituation verbessert oder erst ermöglicht haben, ergibt sich aus dieser Zielsetzung kein bereicherungsrechtlicher Schutz, denn mit dem Einzug oder dem Nutzen dieser Verbesserung ist der angestrebte Erfolg bereits eingetreten (vgl. BGH, Urteile vom 5. Oktober 1967 VII ZR 143/65, NJW 1968, 245 unter II 2; vom 10. Oktober 1984 VIII ZR 152/83, NJW 1985, 313 unter II a).

b)

Für den darüber hinausgehenden Zweck, die Wohnsituation dauerhaft zu verbessern und daraus dauerhaft Nutzen zu ziehen, ist zunächst zu prüfen, ob die dauerhafte Nutzung mit oder ohne Rechtsgrund erfolgte. Regelmäßig beruht die unentgeltliche dauerhafte Nutzung von Wohnraum auf einem ggf. konkludent geschlossenen Leihvertrag, weil diese vermögenswerte Gebrauchsüberlassung nach den Interessen der Parteien nicht im rechtsfreien Raum vollzogen sein sollte (vgl. BGH, Urteile vom 10. Oktober 1984 VIII ZR 152/83, NJW 1985, 313 unter I 2; vom 4. April 1990 VIII ZR 71/89, BGHZ 111, 125 , 129; vom 31. Oktober 2001 XII ZR 292/99, NJW 2002, 436 unter A II b; jurisPK-BGB/Colling, 5. Aufl. 2010, § 598 BGB Rn. 13). Mit dem Vorliegen eines Leihverhältnisses als Rechtsgrund für die Wohnnutzung scheiden zugleich etwaige darauf bezogene Bereicherungsansprüche der Mutter des Beklagten für eine Verrechnung mit dessen Leistungen aus.

Bei Vorliegen eines Leihverhältnisses liegt es nahe, dass dieses auch Rechtsgrundlage für Leistungen des Beklagten an der Immobilie sein sollte, mit denen er dauerhaft seine Wohnsituation verbessern wollte. Auch wenn das Leihverhältnis ihn zu diesen Leistungen nicht verpflichtete, wäre bei einer einvernehmlichen Vornahme solcher Leistungen und der Erwartung des Beklagten, den Nutzen aus diesen Leistungen im Wege der Leihe zu ziehen, dieses Dauerverhältnis regelmäßig als Rechtsgrund für die vorgenommenen Leistungen anzusehen (vgl. BGH, Urteile vom 5. Oktober 1967 VII ZR 143/65, NJW 1968, 245 unter II 2; vom 10. Oktober 1984 VIII ZR 152/83, NJW 1985, 313 unter II b; vom 31. Oktober 2001 XII ZR 292/99, NJW 2002, 436 unter A II b).

Im Falle der vorzeitigen Beendigung des Leihverhältnisses wie im Streitfall die Auflassung der Immobilie an den Beklagten resultiert daraus zunächst ein Bereicherungsanspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 2 Fall 1 BGB wegen Wegfalls des Rechtsgrundes. Dieser Anspruch berechnet sich aus der vom Leistungszeitpunkt aus kalkulierten bzw. abzuschätzenden Zeitspanne, für die der Leistende einen Nutzen aus der Verbesserung des Wohnraums hätte ziehen sollen, und dem Anteil daran, der durch die vorzeitige Beendigung des Nutzungsverhältnisses weggefallen ist. Dies unterliegt wie der Umfang der Leistungen selbst ebenfalls der tatrichterlichen Schätzung gemäß § 287 Abs. 2 ZPO . Wegen des vorzeitigen Wegfalls des Leihverhältnisses kann der Leistende einen ratenweisen Bereicherungsausgleich in der Höhe verlangen, wie der Eigentümer aufgrund der Verbesserung des Wohnraums grundsätzlich in der Lage ist, einen höheren Mietzins zu verlangen (vgl. BGH NJW 1985, 313 unter II c; NJW 2002, 436 unter II 2 b; BGHZ 111, 125 , 130 f.; BGHZ 29, 289 , 297 ff.; BGHZ 71, 243 , 250 f.; zuletzt: BGH NJW RR 2001, 727 unter 4 b).

Wird die Immobilie jedoch wie im Streitfall auf den Leistenden übertragen, sollen damit in der Regel auch etwaige Bereicherungsansprüche wegen zweckgerichteter Leistungen auf die Immobilie ausgeglichen sein. In Höhe dieser abgezinsten Anspruchstilgung ist die Übertragung deshalb ebenfalls als entgeltlich anzusehen. Da diese Anspruchstilgung sich nur aus dem Leistungsanteil errechnet, der auf den Zeitraum nach dem Wegfall des Leihverhältnisses entfällt, wird mit der Außerachtlassung des auf die Zeit davor entfallenden Leistungsanteils zugunsten des Klägers berücksichtigt, dass der Beklagte zuvor mit der Nutzung der von ihm bewohnten Räume auch den Nutzen aus den dafür vorgenommenen Leistungen gezogen hat, ohne einen Mietzins entrichten zu müssen.

4.

Sofern für einzelne Leistungen des Beklagten an der Immobilie festzustellen oder aufgrund der Beweislastverteilung davon auszugehen ist, dass diese sowohl der Verbesserung oder Schaffung des eigenen Wohnraums dienten als auch im Einvernehmen mit der Eigentümerin den Zweck hatten, den damit geschaffenen Vermögenszuwachs eines Tages zu erben, sind die beiden sich daraus jeweils ergebenden bereicherungsrechtlichen Schutzpositionen in ihrer Höhe nicht zu addieren, sondern weil sie jeweils auf denselben Leistungen beruhen in ein angemessenes, anteiliges Verhältnis zueinander zu setzen, es sei denn für einen der beiden Zwecke (Verbesserung des geliehenen Wohnraums, Wertsteigerung für den zu erbenden Nachlass) hatte die konkrete Leistung bei wertender Betrachtung nur geringe Bedeutung, woraus dann folgte, dass sie deshalb für die Entgeltlichkeit der als Schenkung zu prüfenden Zuwendung nicht zu berücksichtigen ist. Dieses anteilige Verhältnis der beiden bereicherungsrechtlichen Schutzpositionen zueinander ist vom Tatrichter gemäß § 287 Abs. 2 ZPO zu schätzen. Hierbei ist zu beachten, dass bei einem Vergleich des Gesamtumfangs der durch die Leistungen des Beklagten ursprünglich entstandenen Bereicherung gegenüber der letzten Endes für die Entgeltlichkeit zu berücksichtigenden Gesamthöhe der bereicherungsrechtlichen Schutzpositionen die mietfreie Nutzung der Wohnräume als ein reduzierender Faktor ihren Niederschlag findet.

5.

Das Verhältnis der Zuwendung der Schenkerin im Vergleich zu den eine Entgeltlichkeit begründenden Gegenpositionen sowie die sich daraus errechnende objektive Bereicherung haben zwar maßgebliche Bedeutung für das Vorliegen einer auffallenden Diskrepanz und die davon abgeleitete Beweislastverteilung für den Nachweis eines subjektiven Schenkungswillens. Dieses objektive Verhältnis kann auch im Übrigen für die Frage, ob die Vertragsparteien sich über die teilweise Unentgeltlichkeit der Zuwendung einig waren, mitberücksichtig werden. Daneben können aber auch andere Gesichtspunkte für einen solchen Willen zu würdigen sein. Insbesondere können die Vertragsparteien subjektiv den Wert der Zuwendung und den Wert sowie die Frage nach einem Rechtsgrund einzelner Gegenpositionen im Rahmen einer Parallelwertung in der Laiensphäre anders bewertet und anders in Rechnung gestellt haben, als dies für die Frage einer objektiven Bereicherung sowie den rechtlichen Vorgaben einer bereicherungsrechtlichen Schutzposition geboten ist (vgl. Münch-Komm-BGB/Koch, 5. Aufl., § 516 Rn. 24; zu § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG : BFHE 173, 432 unter II 2 a).

Von Rechts wegen

Verkündet am: 18. Oktober 2011

Vorinstanz: OLG Hamm, vom 28.01.2010 - Vorinstanzaktenzeichen I-10 U 43/09
Vorinstanz: LG Bielefeld, vom 08.01.2009 - Vorinstanzaktenzeichen 9 O 376/07
Fundstellen
FamRB 2012, 121
FamRZ 2012, 207
MDR 2012, 204
NJW 2012, 605
NZM 2012, 285
NotBZ 2012, 96
WM 2012, 1150
ZEV 2012, 110