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BGH - Entscheidung vom 03.05.2011

XI ZB 20/10

Normen:
RVG Nr. 3100 VV
RVG Nr. 1008 VV
RVG § 15a
RVG § 60 Abs. 1

BGH, Beschluss vom 03.05.2011 - Aktenzeichen XI ZB 20/10

DRsp Nr. 2011/10306

Anrechenbarkeit einer wegen desselben Gegenstandes entstandenen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr

Auf die Rechtsbeschwerde der Kläger wird der Beschluss des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 27. April 2010 aufgehoben.

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Bielefeld vom 24. Februar 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Der Beschwerdewert beträgt 1.038,33 €.

Normenkette:

RVG Nr. 3100 VV; RVG Nr. 1008 VV; RVG § 15a; RVG § 60 Abs. 1 ;

Gründe

I.

Die Parteien streiten im Verfahren der Kostenfestsetzung darum, ob bei der Berechnung der von der Beklagten den Klägern zu erstattenden Kosten die geltend gemachte 1,6 Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG i.V. mit Nr. 1008 VV RVG ) in voller Höhe anzusetzen ist, oder ob auf diese Gebühr bei der Kostenfestsetzung gemäß Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG die wegen desselben Gegenstandes entstandene Geschäftsgebühr hälftig anzurechnen ist.

Das Landgericht hat die volle Verfahrensgebühr in Ansatz gebracht. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beklagten hat das Beschwerdegericht die Verfahrensgebühr unter Anrechnung der vorprozessualen Geschäftsgebühr in Höhe einer 0,75 fachen Gebühr gemäß Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG nur mit 0,85 angesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Anrechnungsvorschrift in Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG finde im Streitfall Anwendung. Die seit dem 5. August 2009 geltende Vorschrift des § 15a RVG stehe dem nicht entgegen. Sie sei wegen der zumindest entsprechend anwendbaren Überleitungsvorschrift des § 60 Abs. 1 RVG auf das vorliegende Verfahren nicht anwendbar, weil der Auftrag zur Rechts-/Prozessvertretung vor ihrem Inkrafttreten erteilt worden sei. Das Oberlandesgericht hat die Rechtsbeschwerde zugelassen.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO ) und auch im übrigen (§ 575 ZPO ) zulässig.

Sie hat in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts ist die geltend gemachte Verfahrensgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren in voller Höhe zu berücksichtigen. Die vom Beschwerdegericht vorgenommene teilweise Anrechnung der wegen desselben Gegenstandes entstandenen Geschäftsgebühr steht im Widerspruch zur mittlerweile einhelligen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Nach Inkrafttreten des § 15a RVG vertreten alle mit der Entscheidung befassten Senate des Bundesgerichtshofs, teilweise unter Aufgabe ihrer bisherigen Rechtsprechung, die Auffassung, dass durch § 15a RVG lediglich eine Klarstellung der bisherigen Rechtslage erfolgt ist (BGH, Beschlüsse vom 2. September 2009 - II ZB 35/07, NJW 2009, 3101 Rn. 8, vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 175/07, NJW 2010, 1375 Rn. 16 ff., vom 11. März 2010 - IX ZB 82/08, JurBüro 2010, 358 Rn. 6, vom 29. April 2010 - V ZB 38/10, JurBüro 2010, 471 Rn. 8 ff., vom 10. August 2010 - VIII ZB 15/10, JurBüro 2011, 22 Rn. 6 ff., vom 14. September 2010 - VIII ZB 33/10, AGS 2010, 473 Rn. 7 f., vom 28. Oktober 2010 - VII ZB 55/09, RVGreport 2011, 27 Rn. 5 und vom 7. Dezember 2010 - VI ZB 45/10, NJW 2011, 861 Rn. 7). Auch der erkennende Senat hat sich dem - nach Erlass des angefochtenen Beschlusses - angeschlossen (Beschluss vom 28. September 2010 - XI ZB 7/10, [...] Rn. 8); wie er dort bereits ausgeführt hat, ist für die auch vom Beschwerdegericht vertretene Auffassung, § 15a RVG finde auf Altfälle wegen einer zumindest analogen Anwendung der Überleitungsvorschrift des § 60 Abs. 1 RVG keine Anwendung, kein Raum (Senatsbeschluss vom 28. September 2010 - XI ZB 7/10, [...] Rn. 9). Vielmehr findet auch in Kostenfestsetzungsverfahren, die vor Inkrafttreten des § 15a RVG entstandene Gebühren betreffen, eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr nur unter den in § 15a Abs. 2 RVG genannten - im Streitfall nicht vorliegenden - Voraussetzungen statt.

Soweit -worauf die Rechtsbeschwerdeerwiderung zutreffend hinweist -der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 29. September 2009 - X ZB 1/09, NJW 2010, 76 Rn. 23 ff.) gegen diese Auffassung Bedenken geäußert hat, haben sich dem die anderen damit befassten Senate nicht angeschlossen. Einer Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen nach § 132 Abs. 2 Satz 1 GVG bedarf es nicht, da die Ausführungen zu § 15a RVG für die damalige Entscheidung nicht tragend waren (vgl. Senatsbeschluss vom 28. September 2010 - XI ZB 7/10, [...] Rn. 10).

Die Rechtsbeschwerde rügt nach alledem zu Recht, dass das Beschwerdegericht den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts abgeändert und die Verfahrensgebühr gekürzt hat. Da die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 5 ZPO ), ist der Beschluss des Beschwerdegerichts aufzuheben und die sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 , § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO .

Vorinstanz: LG Bielefeld, vom 24.02.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 25 O 534/04
Vorinstanz: OLG Hamm, vom 27.04.2010 - Vorinstanzaktenzeichen I-25 W 133/10