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BVerwG - Entscheidung vom 13.10.2009

4 BN 51.09

Normen:
VwGO § 86 Abs. 1
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1, 3
BauGB § 34 Abs. 1 S. 1

BVerwG, Beschluss vom 13.10.2009 - Aktenzeichen 4 BN 51.09

DRsp Nr. 2009/25766

Revision in einem Verfahren über die Unwirksamkeit eines Bebauungsplans wegen Abwägungsfehlern

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 25. Juni 2009 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Normenkette:

VwGO § 86 Abs. 1 ; VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1 , 3 ; BauGB § 34 Abs. 1 S. 1;

Gründe

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Revision hat weder die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Antragsgegnerin beimisst, noch beruht das vorinstanzliche Urteil auf einem Verfahrensfehler.

Das Oberverwaltungsgericht hat den Bebauungsplan "Am Triller" der Antragsgegnerin aus zwei Gründen für unwirksam erklärt. Zum einen habe die Antragsgegnerin im Rahmen des Abwägungsvorgangs die abwägungsbeachtlichen Interessen der Antragsteller in ihrer Eigenschaft als bauwillige Grundstückseigentümer in ihrem Gewicht (völlig) falsch bzw. unzureichend bewertet (UA S. 28). Zum anderen sei das Abwägungsergebnis fehlerhaft (UA S. 35). Ist die vorinstanzliche Entscheidung auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, so kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund aufgezeigt wird und vorliegt (vgl. Beschluss vom 9. Dezember 1994 - BVerwG 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4; stRspr). Wenn nur bezüglich einer Begründung ein Zulassungsgrund gegeben ist, kann diese Begründung nämlich hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert.

1.

Die Antragsgegnerin hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob sich den Wertungen des Planungsentschädigungsrechts (§§ 39 ff. BauGB ) entnehmen lässt, dass bei Nichtvorliegen von Entschädigungsansprüchen Eigentümerbelange im Rahmen der planerischen Abwägungsentscheidung erleichtert überwunden werden können. Die Frage führt nicht zur Zulassung der Revision, weil sie in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich wäre. Selbst wenn sie mit der Antragsgegnerin zu bejahen wäre, bliebe der Befund des Oberverwaltungsgerichts, der Bebauungsplan sei auch im Ergebnis mit einem Abwägungsfehler behaftet, unberührt. Zu Unrecht macht die Antragsgegnerin geltend, die Begründung der "Abwägungsdisproportionalität" stelle keine selbständig tragende Begründung dar, weil sich die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage zwangsläufig auch auf das Resultat der vorinstanzlichen Ergebniskontrolle auswirke. Zwar hat es das Oberverwaltungsgericht entgegen den Einlassungen der Vertreter der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung als erwiesen erachtet, dass die Antragsgegnerin die Eigentümerbelange der Antragsteller in ihrem Gewicht zumindest erheblich herabgesetzt hat, weil den Antragstellern nach den Bestimmungen des Planungsschadensrechts (§§ 39 ff. BauGB ) keine Entschädigungsansprüche (mehr) bzw. allenfalls (noch) die eingeschränkten Ansprüche i.S.d. § 42 Abs. 3 BauGB zustünden (UA S. 30). Bei der Kontrolle des Abwägungsergebnisses hat das Oberverwaltungsgericht aber beanstandet, dass für den Fall, dass die Antragsgegnerin entsprechend der Einlassung ihrer Vertreter in der mündlichen Verhandlung "von einem sehr hohen Gewicht der Eigentümerbelange ausgegangen sein sollte", sich eine Fehlgewichtung der widerstreitenden Belange "letztlich schon aus dem Umstand (ergäbe), dass sie (die Antragsgegnerin) im Sinne eines 'Alles oder Nichts' allein die genannten Allgemeinbelange zur Geltung gebracht und die Interessen der Antragsteller völlig hintangestellt" habe (UA S. 35).

2.

Das zweite Begründungselement vermag das Normenkontrollurteil freilich nur zu tragen, wenn die Prämisse des Oberverwaltungsgerichts zutrifft, die im Eigentum der Antragsteller stehenden Grundstücke seien der im Zusammenhang bebauten Ortslage (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ) von Alt-Saarbrücken zuzuordnen und besäßen damit grundsätzlich Baulandqualität (UA S. 28). Die Antragsgegnerin wendet sich hiergegen mit der Verfahrensrüge der nicht ausreichenden Klärung des Sachverhalts. Sie wirft dem Oberverwaltungsgericht vor, die Größe der unbebauten Bereiche nicht ermittelt und der Frage, ob die vorhandenen Straßen den Bebauungszusammenhang verbinden oder unterbrechen, nicht nachgegangen zu sein. Den behaupteten Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO zeigt sie damit nicht schlüssig auf. Für das Oberverwaltungsgericht war entscheidend, dass ein Bebauungszusammenhang i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB durch eine aufeinander folgende Bebauung gekennzeichnet ist, die trotz gegebenenfalls vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt, und dass in Anwendung dieses Maßstabs das überplante Gelände Innenbereichsqualität hat, weil "bei der Begehung des heute weitgehend 'verwilderten', zwischen den genannten Gebäuden befindlichen Geländes ... von jedem Standort eines der erwähnten Gebäude optisch in Erscheinung (trat)" (UA S. 29). Diese Sachverhalts- und Beweiswürdigung ist in Wahrheit Gegenstand der von der Antragsgegnerin geübten Kritik. Das Instrument der Verfahrensrüge ist dafür allerdings ungeeignet.

3.

Da die Beschwerde das Verdikt des Oberverwaltungsgerichts, der Bebauungsplan "Am Triller" sei im Ergebnis abwägungsfehlerhaft, nicht mit einem Grund für die Zulassung der Revision zu erschüttern vermag, kommt es nicht darauf an, ob die Verfahrensrügen durchgreifen, die sich dagegen richten, dass das Oberverwaltungsgericht auch einen Fehler im Abwägungsvorgang markiert hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3 , § 52 Abs. 1 GKG . Der Senat hat sich bei der Streitwertentscheidung - wie üblich - an den Empfehlungen des aktuellen Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327) orientiert, der für Normenkontrollanträge Privater gegen einen Bebauungsplan einen Rahmen von 7 500 EUR bis 60 000 EUR setzt (Nr. 9.8.1). Das Oberverwaltungsgericht ist mit seiner Streitwertentscheidung (500 000 EUR) so signifikant vom Streitwertkatalog abgewichen, dass sich der Senat veranlasst sieht, sie gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG von Amts wegen zu ändern.