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BGH - Entscheidung vom 17.03.2009

VI ZR 166/08

Normen:
BGB § 254
BGB § 833

Fundstellen:
BGHReport 2009, 671
MDR 2009, 749
VersR 2009, 693
ZGS 2009, 249

BGH, Urteil vom 17.03.2009 - Aktenzeichen VI ZR 166/08

DRsp Nr. 2009/9003

Voraussetzungen eines Ausschlusses der Tierhalterhaftung wegen Handelns auf eigene Gefahr; Tatbestandliche Haftungsvoraussetzungen des § 833 S. 1 BGB im Falle eines Pferdetritts bei einer rektalen Fiebermessung durch den vom Tierhalter beauftragten Tierarzt; Anspruchsmindernde Berücksichtigungsfähigkeit eines für die Verletzung mitursächlichen Fehlverhaltens des Tierarztes

1. Ein Ausschluss der Tierhalterhaftung wegen Handelns auf eigene Gefahr kommt regelmäßig nicht in Betracht, wenn sich der Geschädigte der Tiergefahr ausgesetzt hat, um aufgrund vertraglicher Absprache mit dem Tierhalter Verrichtungen an dem Tier vorzunehmen. 2. Deshalb haftet der Tierhalter, soweit die tatbestandlichen Haftungsvoraussetzungen des § 833 Satz 1 BGB vorliegen, einem Tierarzt, der bei der Behandlung eines Tieres durch dessen Verhalten verletzt wird (hier: Pferdetritt beim rektalen Fiebermessen). 3. Ein für die Verletzung mitursächliches Fehlverhalten des Tierarztes kann anspruchsmindernd nach § 254 BGB berücksichtigt werden.

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 6. Juni 2008 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Normenkette:

BGB § 254 ; BGB § 833 ;

Tatbestand:

Der Kläger, ein Tierarzt, verlangt von der Beklagten als Halterin eines Pferdes Ersatz materiellen und immateriellen Schadens, weil er bei der Behandlung des Pferdes verletzt wurde.

Die Beklagte hatte ihr Pferd, einen 700 kg wiegenden zehnjährigen Araber, auf dem Hof des Zeugen B. abgestellt. Am 23. Oktober 2006 versuchte der Kläger mit der linken Hand eine rektale Fiebermessung. Dabei wurde er von dem Pferd gegen den rechten Daumen getreten und erlitt dadurch einen Trümmerbruch. Die Klage richtet sich vor allem auf den Ersatz des behaupteten Verdienstausfallschadens.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da das Schadensereignis bereits nicht vom Schutzbereich des § 833 BGB umfasst sei. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klagantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht führt aus: Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch aus § 833 BGB . Zwar habe sich in dem plötzlichen Tritt des Pferdes gegen den Daumen des Klägers eine typische Tiergefahr verwirklicht. Daraus folge aber nicht automatisch eine Bejahung des geltend gemachten Anspruchs. Im vorliegenden Fall träfen die Tierhalterhaftung (Gefährdungshaftung) und die berufsspezifischen Risiken eines Tierarztes aufeinander, so dass sich die Frage nach einem Interessenausgleich stelle. Dabei gehe es letztlich um eine "gerechte Zuweisung des Zufallsschadens". Von den unterschiedlichen Ansätzen, die gegebenenfalls zu einer Einschränkung der Haftung des Tierhalters führen könnten, sei die vom Landgericht für den Streitfall vertretene Einschränkung der Tierhalterhaftung aufgrund von Normzwecküberlegungen abzulehnen. Den Schutzbereich der Norm des § 833 BGB schon dann zu verneinen, wenn ein Anspruchsteller an einer im Zusammenhang mit dem Tier übernommenen Verpflichtung Geld verdiene, würde zu einer nicht vertretbaren Aufweichung der Gefährdungshaftung aus § 833 BGB führen, zumal der Tritt eines Pferdes - wie hier - geradezu die typische Verwirklichung der spezifischen Tiergefahr sei. Auch der Ansicht, im Rahmen der vom Verletzten übernommenen "eigenen Herrschaft" über das Tier komme es darauf an, ob der Tierhalter noch die Möglichkeit eigener Einflussnahme hatte, sei nicht zu folgen. Das Abgrenzungskriterium der Möglichkeit eigener Einflussnahme als Maßstab für eine Haftungsbeschränkung im Rahmen des § 833 BGB sei insgesamt untauglich, weil es in Fällen der vorliegenden Art regelmäßig gänzlich irrelevant sei, ob der Tierhalter bzw. wer auch immer an seiner Stelle zugegen war. Abzulehnen sei auch die Ansicht, wonach eine in Fällen der vorliegenden Art als notwendig angesehene Haftungsbeschränkung im Rahmen der Beweislast derart zu erfolgen habe, dass der Tierarzt darlegen und beweisen müsse, was sich in seinem Herrschaftsbereich zugetragen habe. Bei der Frage eines eventuellen Sorgfaltsverstoßes des Tierarztes im Rahmen der von ihm durchgeführten Behandlung handele es sich der Sache nach um einen Mitverschuldenseinwand (§ 254 BGB ), für den derjenige darlegungs- und beweisbelastet sei, der sich auf ein Mitverschulden berufe, also gerade nicht der Tierarzt, sondern sein Anspruchsgegner. Schließlich könne auch die Berücksichtigung des Behandlungsvertrages im Rahmen der Tierhalterhaftung im vorliegenden Fall nicht zu einer Haftungsbeschränkung führen. Zwar sei es rechtlich grundsätzlich möglich, dass eine vertragliche Haftungsbeschränkung auch auf außervertragliche Ansprüche durchschlagen könne. Jedoch werde man nicht davon ausgehen können, dass jedem entgeltlichen Vertrag über eine Tätigkeit an einem Tier von vornherein ein vertraglicher Haftungsausschluss zugunsten des Tierhalters innewohne. Die Annahme eines solchen generellen, gleichsam vertragsimmanenten Haftungsausschlusses sei auch nicht nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB wegen eines wirtschaftlichen Gefälles zwischen Tierarzt und Tierhalter geboten. Für eine ausdrücklich vereinbarte oder zumindest im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung begründbare vertragliche Haftungsbeschränkung sei im konkreten Fall nichts ersichtlich.

Indes sei eine Haftung der Beklagten aus § 833 BGB hier ausgeschlossen, weil der Kläger auf eigene Gefahr gehandelt habe. Bei der Tierhalterhaftung komme eine vollständige Haftungsfreistellung des Tierhalters unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht, wenn beispielsweise der Geschädigte sich mit der Übernahme des Pferdes oder der Annäherung an ein solches bewusst einer besonderen Gefahr aussetze. So liege es, wenn - wie hier - die mit der Nähe zu einem Pferd verbundene übliche Gefahr durch die Tätigkeit des Geschädigten gesteigert oder gar erst provoziert werde. Der Kläger habe als dem Pferd zumindest relativ fremde Person ein Fieberthermometer in dessen After einführen wollen. Dazu habe er von der Kruppe her, also im kritischen Bereich der Hinterläufe zunächst den Schweif erreichen müssen, um den After für die Einführung des Thermometers zugänglich zu machen. Es sei nicht ungewöhnlich, dass Pferde darauf abwehrend und dabei auch noch schreckhaft reagieren könnten, weil die natürliche Scheu ein derartiges auch instinkthaftes Verhalten begünstige. Deshalb sei das Prozedere des Klägers besonders geeignet gewesen, die mit dem Umgang mit Pferden verbundene gewöhnliche Gefahr herauszufordern. Dass diese sich dann in einem spontanen Tritt nach hinten äußern mochte, habe auf der Hand gelegen und dem Kläger als ambulant auf dem Lande tätigen, also vielfach mit der Tierhaltung konfrontierten Tierarzt nicht verborgen geblieben sein können. Wenn er sich unter solchen Umständen zur Behandlung des Pferdes entschlossen habe, habe er damit auch das mit der Ausübung seines Berufes typische Risiko übernommen. Dann aber müsse er für die daraus resultierenden Folgen selbst einstehen, zumal er der von ihm selbst aktualisierten Tiergefahr durch entsprechende tatsächliche wie finanzielle Vorsorge, etwa durch Abschluss einer entsprechenden Versicherung, hätte begegnen können.

II.

Die dagegen gerichtete Revision hat Erfolg.

1.

Zu Unrecht verneint das Berufungsgericht den aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten an sich zu bejahenden Anspruch des Klägers aus § 833 BGB unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr. Bei der Tierhalterhaftung hat der erkennende Senat eine vollständige Haftungsfreistellung des Tierhalters unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr nur in eng begrenzten Ausnahmefällen erwogen, wobei ohnehin der Umstand, dass sich der Geschädigte der Gefahr selbst ausgesetzt hat, regelmäßig erst bei der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile nach § 254 BGB Berücksichtigung finden kann und lediglich Ausnahmefälle denkbar sind, bei denen die Tierhalterhaftung bereits im Anwendungsbereich ausgeschlossen ist, weil deren Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstieße (Senatsurteil vom 20. Dezember 2005 - VI ZR 225/04 - VersR 2006, 416 , 418 m.w.N.).

Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Ein Ausschluss der Tierhalterhaftung unter Berufung auf die Rechtsfigur des Handelns auf eigene Gefahr kommt regelmäßig nicht in Betracht, wenn sich der Geschädigte der Tiergefahr ausgesetzt hat, um aufgrund vertraglicher Absprache mit dem Tierhalter Verrichtungen an dem Tier vorzunehmen, wie es beim Tierarzt der Fall ist.

a)

Von einem Handeln auf eigene Gefahr im Rechtssinne kann nur dann die Rede sein, wenn sich jemand in eine Situation drohender Eigengefährdung begibt, obwohl er die besonderen Umstände kennt, die für ihn eine konkrete Gefahrenlage begründen, ohne dass dafür ein triftiger - rechtlicher, beruflicher oder sittlicher - Grund vorliegt (Senatsurteil BGHZ 34, 355, 358 ; BGB -RGRK/ Steffen, 12. Aufl., § 833 Rn. 64). Denn die Grundlage eines Haftungsausschlusses wegen Handelns auf eigene Gefahr ist der Grundsatz von Treu und Glauben und das sich hieraus ergebende Verbot widersprüchlichen Handelns (Senatsurteile BGHZ 34, 355, 363 ; vom 20. Dezember 2005 - VI ZR 225/04 - aaO, S. 417). Von einem widersprüchlichen Verhalten kann indes erkennbar nicht die Rede sein, wenn die vom Tierhalter veranlasste ärztliche Behandlung eines Tieres in Frage steht. Hier liegt ein triftiger Grund dafür vor, dass der Tierarzt sich der Tiergefahr aussetzt.

b)

Letztlich dient die Rechtsfigur des Handelns auf eigene Gefahr bei der Gefährdungshaftung dazu, diese Haftung in solchen Fällen auszuschließen, in denen sie nach dem Normzweck als unangemessen erscheint, weil der Schaden nicht der Gefahr des Tieres (oder Kraftfahrzeugs u. dergl.), sondern dem Handeln des Geschädigten selbst zuzurechnen ist (vgl. BGB -RGRK/Steffen, aaO; Terbille, VersR 1994, 1151, 1154).

Dem entsprechend ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein grundsätzlicher Ausschluss der Tierhalterhaftung gegenüber Personen, die sich der Tiergefahr aus beruflichen Gründen vorübergehend aussetzen, ohne die vollständige Herrschaft über das Tier zu übernehmen, zu Recht abgelehnt worden (vgl. RG, JW 1904, 57 - Tierarzt beim Kupieren eines Pferdeschweifs; JW 1912, 797 - Tierarzt beim Aufstechen einer Eiterbeule bei einem Pferd; JW 1911, 89 f. - Hufschmied; Senatsurteil vom 28. Mai 1968 - VI ZR 35/67 - VersR 1968, 797 ff. - Hufschmied) und wird auch in der Literatur verneint ( BGB -RGRK/Steffen, 12. Aufl., § 833 Rn. 68; Erman/Schiemann, BGB , 12. Aufl., § 833 Rn. 6; Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl., S. 122; MünchKomm-BGB/Stein, 3. Aufl., § 833 Rn. 25 ff.; MünchKomm-BGB/Wagner, 5. Aufl., § 833 Rn. 18, 29; Stoll, Das Handeln auf eigene Gefahr, 1961, S. 358 f.; Terbille, aaO, S. 1152; vgl. auch Staudinger/Eberl-Borges, Neubearbeitung 2008, § 833 Rn. 189 ff.). Unsachgemäßes Verhalten solcher Personen bei der Berufsausübung, welches für einen Schaden mitursächlich geworden ist, kann - sofern kein vertraglicher Haftungsausschluss vorliegt - nur unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens (§ 254 BGB ) berücksichtigt werden.

c)

Das Berufungsgericht erkennt selbst, dass ein Ausschluss der Haftung nach § 833 BGB unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr nur ausnahmsweise in Betracht kommt, meint aber wohl, dass derjenige, der sich einem Tier aus beruflichen Gründen nähert, insoweit keinen Schadensersatzanspruch hat, als er im Rahmen seiner beruflich geschuldeten Verrichtungen besonders risikoreiche Handlungen vornimmt, wobei im Streitfall nicht einmal festgestellt ist, dass das Fiebermessen auf andere Weise hätte bewerkstelligt werden können, als es der Kläger getan hat.

Dem kann schlechterdings nicht gefolgt werden. Das Handeln desjenigen, der sich einem Tier aus beruflichen Gründen im Interesse des Tierhalters und mit dessen erklärter oder anzunehmender Billigung helfend nähert, kann nicht rechtlich in ungefährliche Handlungen auf Gefahr des Tierhalters und in gefährliche Handlungen auf Gefahr des Handelnden aufgeteilt werden. Der Tierarzt, der ein Pferd im Auftrag des Tierhalters medizinisch versorgt, handelt in der Regel in keiner Phase der Behandlung auf eigene Gefahr. Vielmehr setzt er sich der Tiergefahr mit triftigem Grund aus, ja muss sich ihr aussetzen, wenn er seinen ärztlichen Auftrag und den Vertrag mit dem Tierhalter erfüllen will. Von einem widersprüchlichen Handeln bei der Inanspruchnahme des Tierhalters aus § 833 BGB kann bei dieser Sachlage nicht einmal ansatzweise die Rede sein. Dies gilt insbesondere, wenn - wovon hier revisionsrechtlich auszugehen ist - die gefährlichen Handlungen erforderlich sind, um die Behandlung fachgerecht durchzuführen, gilt aber in der Regel auch, wenn der Tierarzt bei dem Behandlungsgeschehen unvorsichtig oder gar fehlerhaft vorgeht.

Die Ausführungen des Landgerichts, wer bei Handlungen zu Schaden komme, mit denen er Geld verdiene, könne nicht Schadensersatz aus § 833 BGB verlangen, sind ebenso unrichtig wie die Ausführungen des Berufungsgerichts, wonach ein Anspruch aus der Gefährdungshaftung des § 833 BGB ausscheide, wenn jemand das typische Risiko seines Berufs übernehme. Beide Standpunkte sind letztlich von Normzwecküberlegungen geprägt, denen nicht zugestimmt werden kann. Der erkennende Senat ist einer solchen Sichtweise bereits früher entgegen getreten. Er hat entschieden (Senatsurteil vom 28. Mai 1968 - VI ZR 35/67 - aaO, S. 798), es sei grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Hufschmied durch Abschluss des Werkvertrages allein noch nicht die Gefahr einer Verletzung durch das Tier übernehme. Denn es entspreche weder der Interessenlage noch den Erfordernissen von Treu und Glauben, dass der Hufschmied, der sich der mit dem Hufbeschlag notwendig verbundenen Tiergefahr aussetzen müsse, um seinen Lebensunterhalt zu erwerben, auch die durch die Tiergefahr hervorgerufenen Schadensfolgen auf sich nehme, die das Gesetz dem Tierhalter als dem Urheber der Gefahr anlaste. Zum Wesen des Beschlagvertrages gehöre es, dass der Hufschmied sich einer erhöhten Tiergefahr aussetze, nicht dagegen, dass er den Tierhalter, von dessen Tier die Gefahr ausgehe, von seiner gesetzlichen Haftung für die Schadensfolgen entbinde, die aus der Tiergefahr erwachsen könnten.

Diese Überlegungen, an denen festzuhalten ist, treffen in vollem Umfang auch auf den Behandlungsvertrag zwischen Tierhalter und Tierarzt zu. Die von den Vorinstanzen vertretene einschränkende Anwendung des § 833 BGB entspricht in Fällen der vorliegenden Art nicht der Intention des Gesetzes und ist auch nicht interessengerecht. Sie ist im Übrigen keinesfalls notwendig, um in Fällen, in denen derjenige, der vertragsgemäß Verrichtungen an dem Tier vorzunehmen hat, besonders risikoreiche bzw. fehlerhafte Handlungen vornimmt, zu gerechten Ergebnissen zu kommen. Abzulehnen ist hier nur ein grundsätzlicher Ausschluss der Tierhalterhaftung. Das fehlerhafte Handeln des Geschädigten kann hingegen ohne weiteres im Rahmen einer Abwägung der verschiedenen Verursachungsbeiträge nach § 254 BGB berücksichtigt werden. Bei einem groben Eigenverschulden des Geschädigten kann danach die Haftung des Tierhalters auch ganz ausgeschlossen sein (so in dem dem Senatsurteil vom 28. Mai 1968 - VI ZR 35/67 -, aaO, zugrunde liegenden Fall).

d)

Das Berufungsurteil beruht auf der rechtsfehlerhaften Sichtweise. Das Berufungsgericht bejaht einen völligen Haftungsausschluss aus grundsätzlichen Erwägungen. Es prüft deshalb - aus seiner rechtlichen Sicht konsequent - nicht, ob dem Kläger ein Mitverursachungsbeitrag anspruchsmindernd zuzurechnen ist oder ob er bei der Durchführung einer für die Behandlung des Pferdes notwendigen und aus fachlicher Sicht nicht zu beanstandenden Maßnahme verletzt wurde. Diese Prüfung wird nachzuholen sein.

2.

Die vom Berufungsgericht im Ergebnis gebilligte Klageabweisung stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Ohne Rechtsfehler verneint das Berufungsgericht einen Haftungsausschluss aus anderen Gründen. Dagegen bringt die Revisionserwiderung auch nichts vor.

a)

Dass der Vertrag zwischen Tierhalter und Tierarzt nicht von vornherein einen vertraglichen Haftungsausschluss beinhaltet, ergibt sich schon aus den vorstehenden Ausführungen. Für einen konkret im vorliegenden Einzelfall vereinbarten Haftungsverzicht (vgl. dazu Senatsurteil vom 14. Juli 1977 - VI ZR 234/75 - VersR 1977, 864, 866) ist nach den Ausführungen des Berufungsgerichts nichts ersichtlich.

b)

Nicht zu beanstanden ist auch die Auffassung des Berufungsgerichts, den Schutzzweckerwägungen des Landgerichts zu einer Einschränkung der Tierhalterhaftung bei dem beruflichen Umgang mit Tieren sei nicht zu folgen.

Auch dies ergibt sich bereits aus den vorstehenden Ausführungen. Damit ist nicht gesagt, dass bei ganz besonders gelagerten Fallgestaltungen die Tierhalterhaftung nicht aus grundsätzlichen Erwägungen ausgeschlossen sein kann (vgl. Senatsurteil vom 14. Juli 1977 - VI ZR 234/75 - aaO, S. 865). Unter welchen Umständen dies der Fall ist (vgl. etwa OLG Nürnberg, VersR 1999, 240 , 241 - Aufnahme eines Tieres in eine Tierklinik), muss hier nicht entschieden werden.

c)

Mit Recht stellt das Berufungsgericht für einen möglichen Haftungsausschluss nicht darauf ab, wer in dem Zeitpunkt, als der Kläger das Pferd behandelte, am Behandlungsort anwesend war. Ob Fälle denkbar sind, bei denen sich ein Haftungsausschluss daraus ergibt, dass eine andere Person als der Tierhalter temporär die Herrschaft über das Tier ausübt, kann dahinstehen (vgl. dazu Senatsurteil vom 14. Juli 1977 - VI ZR 234/75 - aaO, S. 865 - Reiter; ferner: RGZ 58, 410, 412 ff. und OLG Celle, VersR 1990, 794 f. - eigenverantwortliche Ausbildung eines Pferdes durch einen Trainer; OLG Nürnberg, aaO). Keinesfalls ist die Haftung aus diesem Grund ausgeschlossen, wenn ein Tierarzt das Tier auf dem Hof des Tierhalters oder auf dem Hof eines Dritten, bei dem der Tierhalter das Tier untergestellt hat, vorübergehend tierärztlich behandelt. Zutreffend führt das Berufungsgericht aus, dass die Verwirklichung der Tiergefahr, für die der Tierhalter haftet, in derartigen Situationen im Regelfall nicht davon abhängt, wer sich außer dem Tierarzt noch in der Nähe des Tieres befindet.

d)

Schließlich ist auch die Ansicht des Berufungsgerichts zutreffend, dass im Streitfall ein Ausschluss der Tierhalterhaftung nicht unter dem Gesichtspunkt einer Umkehr der Beweislast bejaht werden kann. Der Ansicht, dass der Tierhalter nicht hafte, wenn der Tierarzt nicht beweist, dass er alle zumutbare Sorgfalt hat walten lassen (so OLG Zweibrücken, VersR 1997, 457 ; ähnlich OLG Nürnberg, aaO, S. 241 f.; dahin gehend auch die Rspr. des Reichsgerichts, etwa RGZ 61, 54, 56; weitere Nachweise bei BGB -RGRK/Steffen, aaO, Rn. 69), ist nicht zu folgen (MünchKomm-BGB/Stein, aaO, Rn. 25; BGB -RGRK/Steffen, aaO, Rn. 69). Die vertragliche Beziehung zwischen Tierhalter und Tierarzt bietet für eine solche Beweislastverteilung, etwa nach dem Gedanken der im Bereich der vertraglichen Haftung geltenden gesetzlichen Beweislastregel des § 282 BGB a.F. und des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB n.F., keine Grundlage. Sofern der Tierhalter grundsätzlich nach § 833 BGB haftet, geht es nicht um die vertraglichen Pflichten des Tierarztes, sondern darum, ob und inwieweit dessen tatsächliches Verhalten Anlass gibt, die Haftung des Tierhalters zu mindern.

Ob das Verhalten desjenigen, der sich der Tiergefahr vertragsgemäß aussetzt, ohne Tierhüter zu sein (§ 834 BGB ), bei der Schadensverursachung mitgewirkt hat, ist ausschließlich nach § 254 BGB zu beurteilen. Für ein die Haftung minderndes Mitverschulden des Geschädigten ist aber regelmäßig der Schädiger darlegungs- und beweispflichtig (Senatsurteil BGHZ 175, 153 , 158), im Anwendungsbereich des § 833 BGB also der Tierhalter (vgl. Senatsurteil vom 3. Mai 2005 - VI ZR 238/04 - VersR 2005, 1254 , 1256) . Dass dieser zu den Handlungen des Geschädigten beim Umgang mit dem Tier möglicherweise mangels Kenntnis nicht ausreichend vortragen kann, rechtfertigt keine Umkehr der Beweislast. Der Geschädigte hat insoweit im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast konkret zu seinem Handeln vorzutragen, der Schädiger hat sodann zu beweisen, inwieweit der Vortrag des Geschädigten unrichtig ist (vgl. dazu Senatsurteile BGHZ 100, 190 , 195 f. ; 163, 209, 214, jeweils m.w.N.).

Da dem Berufungsurteil nicht zu entnehmen ist, inwiefern die Parteien zu einem etwaigen Mitverschulden des Klägers vorgetragen haben, ist für das vorliegende Revisionsverfahren ohnehin zu unterstellen, dass der Kläger ordnungsgemäß gehandelt hat. Für das weitere Verfahren wird das Berufungsgericht aber davon ausgehen können, dass die Beklagte einen haftungsmindernden Mitverursachungsbeitrag des Klägers zu beweisen hat.

III.

Mithin ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht wird nunmehr etwaigem Vortrag der Parteien zu einem Mitverursachungsbeitrag des Klägers und, soweit danach eine Haftung der Beklagten verbleibt, dem Vortrag zur Schadenshöhe nachzugehen haben.

Vorinstanz: OLG Hamm, vom 06.06.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 9 U 229/07
Vorinstanz: LG Bochum, vom 24.09.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 6 O 162/07
Fundstellen
BGHReport 2009, 671
MDR 2009, 749
VersR 2009, 693
ZGS 2009, 249