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BGH - Entscheidung vom 29.09.2009

1 StR 376/09

Normen:
StPO § 302 Abs. 1 aF
§ 349 Abs. 1
StPO § 257c
StPO § 302 Abs. 1 S. 2

Fundstellen:
BGHSt 54, 167
NJW 2010, 310
NJW-Spezial 2009, 777
StRR 2009, 442
StV 2009, 679
wistra 2010, 33

BGH, Beschluss vom 29.09.2009 - Aktenzeichen 1 StR 376/09

DRsp Nr. 2009/24664

Unmittelbare Herbeiführung der Rechtskraft durch Rechtsmittelverzicht beider Verfahrensbeteiligter nach erfolgter Verständigung; Beseitigung einer bereits eingetretenen Rechtskraft durch § 302 Abs. 1 S. 2 Strafprozessordnung ( StPO ); Ausschluss eines Rechtsmittelverzichts wegen vorhergehender Verständigung nach § 257c Strafprozessordnung ( StPO )

Der nach einer Verständigung wirksam erklärte Rechtsmittelverzicht führt - in Verbindung mit dem Rechtsmittelverzicht der anderen rechtsmittelberechtigten Verfahrensbeteiligten - die Rechtskraft unmittelbar herbei (BGH - GS - BGHSt 50, 40 ). Der durch das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29. Juli 2009 (BGBl I S. 2353) eingeführte § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO -wonach ein Rechtsmittelverzicht ausgeschlossen ist, wenn dem Urteil eine Verständigung nach § 257c StPO vorausgegangen ist - beseitigt die vor Inkrafttreten des Gesetzes bereits eingetretene Rechtskraft nicht.

Tenor

1.

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 13. März 2009 wird als unzulässig verworfen.

2.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Normenkette:

StPO § 257c; StPO § 302 Abs. 1 S. 2;

Gründe

1.

Das Landgericht hat den Angeklagten am 13. März 2009 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten verurteilt. Dem war eine Vereinbarung in der Hauptverhandlung zwischen der Strafkammer, dem Angeklagten, dem Verteidiger und dem Vertreter der Staatsanwaltschaft vorausgegangen, wonach der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als sechs Jahren und zehn Monaten verurteilt werde. Im Anschluss an die Urteilsverkündung und nach qualifizierter Belehrung im Hinblick auf die getroffene Vereinbarung haben der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichtet. Gleichwohl hat der Angeklagte mit handschriftlichem Schreiben vom 16. März 2009, eingegangen bei den Justizbehörden am 20. März 2009, "Wiedereinsetzung" beantragt und Revision eingelegt und dies damit begründet, es sei ihm "keine Zeit gegeben" worden, "das Verfahren durch zu führen."

2.

Die - noch innerhalb der Wochenfrist eingelegte - Revision ist unzulässig, weil der Angeklagte wirksam (BGH - GS - BGHSt 50, 40 , 57) auf Rechtsmittel verzichtet hat (§ 302 Abs. 1 Satz 1 StPO ). Ein Rechtsmittelverzicht kann grundsätzlich nicht widerrufen, wegen Irrtums angefochten oder sonst zurückgenommen werden (st. Rspr., vgl. nur Senat, Beschl. vom 25. Oktober 2005 - 1 StR 416/05 m.w.N.).

Hieran ändert auch der durch das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29. Juli 2009 (BGBI I S. 2353) eingefügte § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO nichts, wonach ein Rechtsmittelverzicht ausgeschlossen ist, wenn dem Urteil eine Verständigung nach § 257c StPO vorausgegangen ist. Denn der nach Urteilserlass erklärte Rechtsmittelverzicht hat - in Verbindung mit dem Rechtsmittelverzicht der anderen rechtsmittelberechtigten Verfahrensbeteiligten - die Rechtskraft unmittelbar herbeigeführt (BGH - GS - BGHSt 50, 40 , 58). Die zeitlich danach erfolgte Änderung des Verfahrensrechts konnte die Rechtskraft nicht beseitigen.

3.

Die vom Angeklagten zusammen mit der Revision beantragte "Wiedereinsetzung" geht ins Leere, da die Wochenfrist für die Einlegung einer Revision bei Eingang des Schreibens noch nicht verstrichen war, weshalb es keiner Entscheidung hierüber bedarf.

Vorinstanz:
Fundstellen
BGHSt 54, 167
NJW 2010, 310
NJW-Spezial 2009, 777
StRR 2009, 442
StV 2009, 679
wistra 2010, 33