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BAG - Entscheidung vom 09.12.2009

4 AZR 836/08

Normen:
Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA vom 17. August 2006)

Fundstellen:
AP TVG § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 5
DB 2010, 1300

BAG, Urteil vom 09.12.2009 - Aktenzeichen 4 AZR 836/08

DRsp Nr. 2010/6687

Eingruppierung als Oberarzt nach TV-Ärzte/VKA

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. August 2008 - 3 Sa 768/07 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

Normenkette:

Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA vom 17. August 2006);

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die tarifgerechte Eingruppierung der Tätigkeit des Klägers.

Dem seit dem 1. April 2002 in der Stadtklinik F, einem Eigenbetrieb der beklagten Stadt, beschäftigten Kläger, der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie ist, wurde mit Schreiben des Verwaltungsdirektors vom 30. April 2003 die Psychiatrische Institutsambulanz (P.I.A.) in der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie der Klinik ab 1. Mai 2003 als "Funktionsoberarzt" unterstellt. In der P.I.A. sind neben dem Kläger eine Arzthelferin/Sekretärin und zwei Suchttherapeuten tätig, wobei die Parteien darüber streiten, wem diese Mitarbeiter tatsächlich unterstellt sind. Der Kläger leitet Assistenzärzte der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie, die in der P.I.A. zum Einsatz kommen, an.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der zwischen der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) und dem Marburger Bund geschlossene Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände vom 17. August 2006 (TV-Ärzte/VKA) Anwendung.

Mit Schreiben vom 28. Februar 2007 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass er mit Wirkung vom 1. August 2006 als Facharzt in die Entgeltgruppe II Stufe 2 TV-Ärzte/VKA übergeleitet werde. Den Titel Oberarzt dürfe er weiterhin führen.

Der Kläger, der für sich in Anspruch nimmt, die Voraussetzungen für eine Vergütung als Oberarzt nach der Entgeltgruppe III Stufe 2 TV-Ärzte/VKA gemäß § 16 und § 19 TV-Ärzte/VKA zu erfüllen, hat sich gegen diese tarifliche Einstufung gewendet. Er hat von der Beklagten für die Monate August 2006 bis Juli 2007 die Zahlung des Differenzbetrags von jeweils 1.200,00 Euro brutto beansprucht. Mit Schreiben vom 27. März 2007 hat der Kläger die sich ergebende Vergütungsdifferenz geltend gemacht.

Mit seiner Klage hat er behauptet, die Vergütung als Oberarzt im Tarifsinne stehe ihm zu, da ihm mit dem Schreiben vom 30. April 2003 die medizinische Verantwortung für die P.I.A., die ein selbstständiger Teilbereich iSd. Tarifnorm sei, ausdrücklich übertragen worden sei. Ein fachliches Weisungsrecht habe er nicht nur gegenüber der Arzthelferin und Sekretärin, sondern auch gegenüber einem Assistenzarzt, der eine halbe Stelle einnehme.

Der Kläger hat, soweit für die Revision noch von Bedeutung, beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 13.200,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins aus jeweils 1.200,00 Euro seit dem 1. Oktober, 1. November, 1. Dezember 2006 sowie 1. Januar, 1. Februar, 1. März, 1. April, 1. Mai, 1. Juni, 1. Juli und 1. August 2007 zu zahlen.

Die beklagte Stadt hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Kläger sei nicht Oberarzt iSv. § 16 TV-Ärzte/VKA. Ihm sei nicht die medizinische Verantwortung für einen selbstständigen Teil-/Funktionsbereich einer Klinik ausdrücklich übertragen worden. Er sei mit Schreiben vom 30. April 2003 lediglich als "Funktionsoberarzt" eingesetzt worden und dürfe nach der Niederschriftserklärung zu § 6 Abs. 2 des Tarifvertrags zur Überleitung der Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern in den TV-Ärzte/VKA und zur Regelung des Übergangsrechts vom 17. August 2006 (TVÜ-Ärzte/VKA) diesen Titel weiter führen, auch wenn die Voraussetzungen zur Eingruppierung als Oberarzt nicht erfüllt seien.

Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen. Auf die Berufung der beklagten Stadt hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht für den Kläger zugelassenen Revision begehrt dieser die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

I. Das Landesarbeitsgericht hat die P.I.A. als Teilbereich der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie im Tarifsinne angesehen. Es könne dahinstehen, ob dieser "selbstständig" iSd. Eingruppierungsbestimmung sei. Verlange man medizinische Selbstständigkeit, dann lasse der Vortrag des Klägers diese nicht hinreichend erkennen. Der Begriff der medizinischen Verantwortung setze jedenfalls voraus, dass in dem betreffenden Bereich dem Oberarzt unterstellte Fachärzte tätig seien, was im Fall des Klägers nicht zutreffe. Der Kläger hätte zudem deutlich machen müssen, welche über die Verantwortung eines Facharztes hinausgehende Verantwortung er zu tragen habe. Auch dies könne jedoch dahinstehen, da sich nicht feststellen lasse, dass die beklagte Stadt als Arbeitgeberin dem Kläger die medizinische Verantwortung für die P.I.A. ausdrücklich übertragen habe. Diesbezüglich komme nur eine ausdrückliche Übertragungserklärung nach Inkrafttreten des TV-Ärzte/VKA in Betracht; das Schreiben vom 30. April 2003 könne dafür nicht in Anspruch genommen werden. Zudem gehe aus dem dort verwendeten Wort "unterstellt" nicht hervor, dass damit die medizinische Verantwortung übertragen werden sollte.

II. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf den geltend gemachten Differenzbetrag, da die ihm übertragene Tätigkeit die Voraussetzungen der Eingruppierung als Oberarzt nach der Entgeltgruppe III TV-Ärzte/VKA gemäß § 16 TV-Ärzte/VKA nicht erfüllt.

1. Der Kläger erfüllt die Anwendungsvoraussetzungen des auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findenden TV-Ärzte/VKA. Nach § 1 Abs. 1 Buchst. a TV-Ärzte/VKA gilt der TV-Ärzte/VKA für Arbeitnehmer, die wie der Kläger Arzt im Krankenhaus eines Arbeitgebers sind, der dem Kommunalen Arbeitgeberverband angehört.

2. Wie das Landesarbeitsgericht zu Recht erkannt hat, ist die Tätigkeit des Klägers als ein einheitlicher Arbeitsvorgang anzusehen.

a) Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 TV-Ärzte/VKA ist die Ärztin/der Arzt in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmale die gesamte von ihr/ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Nach § 15 Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte/VKA entspricht die gesamte auszuübende Tätigkeit den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. Nach Ziff. 1 der Protokollerklärung zu § 15 Abs. 2 TV-Ärzte/VKA sind Arbeitsvorgänge "Arbeitsleistungen (einschließlich Zusammenhangsarbeiten) die, bezogen auf den Aufgabenkreis der Ärztin/des Arztes, zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen (zB Erstellung eines EKG). Jeder einzelne Arbeitsvorgang ist als solcher zu bewerten und darf dabei hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden."

b) Gemessen daran ist die für die tarifliche Bewertung des Klägers maßgebende Tätigkeit des Klägers als einheitlicher, nicht aufspaltbarer Arbeitsvorgang zu bewerten. Dem Kläger ist als "Funktionsoberarzt" die P.I.A. mit den darin tätigen Mitarbeitern unterstellt. Alle Einzelaufgaben des Klägers dienen hier einem einheitlichen Arbeitsergebnis, nämlich der ärztlichen Versorgung der Patienten der P.I.A.. Angesichts des einheitlichen Arbeitsergebnisses ist diese Tätigkeit des Klägers nach tatsächlichen Gesichtspunkten nicht weiter aufteilbar. Sie ist auch tarifrechtlich einheitlich zu bewerten (vgl. BAG 14. August 1991 - 4 AZR 25/91 - zu I der Gründe, AP BAT 1975 §§ 22 , 23 Nr. 159 zu einem Oberarzt nach BAT ). Unentschieden bleiben kann, ob die Tätigkeit des Klägers als Dienstarzt, in der er vier Nachtdienste pro Monat zu leisten hat, einen gesonderten Arbeitsvorgang bildet. Auch ohne diese Tätigkeit macht der Arbeitsvorgang der Leitungstätigkeit in der P.I.A. immer noch weit mehr als die Hälfte seiner Tätigkeit aus und ist daher für die Eingruppierung entscheidend.

3. Für die Entscheidung über das Klagebegehren ist § 16 TV-Ärzte/VKA maßgeblich, in dem unter der Überschrift "Eingruppierung" bestimmt ist:

"Ärztinnen und Ärzte sind wie folgt eingruppiert:

a) Entgeltgruppe I:

Ärztin/Arzt mit entsprechender Tätigkeit.

b) Entgeltgruppe II:

Fachärztin/Facharzt mit entsprechender Tätigkeit

Protokollerklärung zu Buchst. b:

Fachärztin/Facharzt ist diejenige Ärztin/derjenige Arzt, die/der aufgrund abgeschlossener Facharztweiterbildung in ihrem/seinem Fachgebiet tätig ist.

c) Entgeltgruppe III:

Oberärztin/Oberarzt

Protokollerklärung zu Buchst. c:

Oberärztin/Oberarzt ist diejenige Ärztin/derjenige Arzt, der/dem die medizinische Verantwortung für selbstständige Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden ist.

d) Entgeltgruppe IV:

Leitende Oberärztin/Leitender Oberarzt, ist diejenige Ärztin/derjenige Arzt, der/dem die ständige Vertretung der leitenden Ärztin/des leitenden Arztes (Chefärztin/Chefarzt) vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden ist.

Protokollerklärung Buchst. d:

Leitende Oberärztin/Leitender Oberarzt ist nur diejenige Ärztin/derjenige Arzt, die/der die leitende Ärztin/den leitenden Arzt in der Gesamtheit ihrer/seiner Dienstaufgaben vertritt. Das Tätigkeitsmerkmal kann daher innerhalb einer Klinik in der Regel nur von einer Ärztin/einem Arzt erfüllt werden."

4. Das Landesarbeitsgericht hat jedenfalls zutreffend erkannt, dass der Kläger bereits deshalb nicht in die Entgeltgruppe III TV-Ärzte/VKA eingruppiert ist, weil bei der ihm übertragenen Tätigkeit die medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik/Abteilung im tariflichen Sinne nicht besteht. Eine mögliche "Ernennung" zum Funktionsoberarzt ist demgegenüber ohne Bedeutung.

a) Es kann dahinstehen, ob es sich bei der P.I.A. um einen selbstständigen Teilbereich der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie der Stadtklinik F handelt. Es fehlt beim Kläger jedenfalls an der für die begehrte Eingruppierung erforderlichen medizinischen Verantwortung eines Oberarztes im Tarifsinne.

b) Die Eingruppierung eines Arztes (im Hinblick auf die klagende Partei wird im Folgenden stets die männliche Form gewählt) als Oberarzt iSd. Entgeltgruppe III TV-Ärzte/VKA setzt nach der zugehörigen Protokollerklärung ua. voraus, dass dem Arzt die medizinische Verantwortung für selbstständige Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik beziehungsweise Abteilung vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden ist. Die Tarifvertragsparteien haben dabei von einer ausdrücklichen Bestimmung dessen, was unter medizinischer Verantwortung im tariflichen Sinne zu verstehen ist, abgesehen. Aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang ergibt sich jedoch, dass dieses Tätigkeitsmerkmal der Protokollerklärung nur dann erfüllt werden kann, wenn dem Oberarzt ein Aufsichts- und - teilweise eingeschränktes - Weisungsrecht hinsichtlich des medizinischen Personals zugewiesen worden ist. Dabei genügt es nicht, dass in dem Teilbereich Ärzte der Entgeltgruppe I (Assistenzärzte und Ärzte in Weiterbildung) tätig sind. Ihm muss auch mindestens ein Facharzt der Entgeltgruppe II unterstellt sein. Ferner ist idR erforderlich, dass die Verantwortung für den Bereich ungeteilt bei ihm liegt.

aa) Mit der Anforderung, dass sich die übertragene Verantwortung auf den medizinischen Bereich erstrecken muss, haben die Tarifvertragsparteien deutlich gemacht, dass es nicht ausreicht, wenn dem Arzt lediglich die organisatorische oder verwaltungstechnische Verantwortung für den Teil-/Funktionsbereich obliegt (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Stand April 2008 Teil IIa TV-Ärzte/TdL § 12 Rn. 57). Der Arzt muss noch als solcher tätig sein (Bruns/Biermann/Weis Anästhesiologie und Intensivmedizin Mai 2007 S. 1, 5), also mit dem Vorbeugen, dem Erkennen von Ursachen und Auswirkungen von Gesundheitsstörungen sowie ihrer Behandlung beschäftigt sein.

bb) Das Tätigkeitsmerkmal der Entgeltgruppe III stellt hinsichtlich der übertragenen Verantwortung maßgebend auf deren Reichweite ab. Diese muss sich in personeller Hinsicht auch auf Fachärzte und in organisatorischer Hinsicht als Alleinverantwortung auf den gesamten betreffenden Bereich der Klinik oder Abteilung beziehen. Das ergibt sich aus der systematischen Stellung dieser Entgeltgruppe innerhalb der durch die Vergütungsordnung gestalteten Hierarchie der Entgeltgruppen.

(1) Die Tätigkeit als Arzt ist grundsätzlich mit einer spezifischen Verantwortung verbunden, die nicht auf andere Personen übertragen werden kann und darf. Nach § 11 Abs. 1 , § 2 Abs. 3 der Muster- Berufsordnung für deutsche Ärztinnen und Ärzte ( MBO -Ä 1997 idF vom 24. November 2006) ist jeder Arzt im Rahmen der Berufsausübung verpflichtet, seine Patienten gewissenhaft mit geeigneten Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu versorgen sowie bei der Übernahme und Ausführung der Behandlung die gebotenen medizinischen Maßnahmen nach den Regeln der ärztlichen Kunst gewissenhaft auszuführen (Teil C Nr. 2 der Grundsätze ärztlicher Berufsausübung). Aus der Freiheit ärztlichen Handelns und der damit verbundenen selbstständigen Verantwortung eines jeden Arztes ergibt sich auch eine Begrenzung der Weisungsbefugnis, die sich selbst für einen Chefarzt in einer Klinik darauf beschränkt, den ihm unterstellten Ärzten bestimmte Tätigkeiten und Einzelaufgaben zur selbstständigen Erledigung verbindlich zu übertragen (MünchArbR/Richardi 3. Aufl. § 339 Rn. 20).

(2) Aus der Struktur der Regelung in § 16 TV-Ärzte/VKA folgt, dass die den Oberärzten im Tarifsinne obliegende "medizinische" Verantwortung über die allgemeine "ärztliche" Verantwortung eines Assistenzarztes und eines Facharztes deutlich hinausgeht. Dabei wird an die tatsächliche krankenhausinterne Organisations- und Verantwortungsstruktur angeknüpft. Kliniken sind arbeitsteilig organisiert und weisen zahlreiche spezialisierte und fragmentierte Diagnose-, Behandlungs- und Pflegeabläufe mit einer abgestuften Verantwortungsstruktur der handelnden Personen auf (vgl. Genzel in Laufs Handbuch des Arztrechts 3. Aufl. S. 281; Deutsch NJW 2000, 1745, 1746). Dem entspricht die tarifliche Einordnung der medizinischen Verantwortung von Oberärzten, die in § 16 TV-Ärzte/VKA innerhalb der Struktur der Entgeltgruppen nach "unten" und nach "oben" in ein von den Tarifvertragsparteien als angemessen angesehenes Verhältnis gesetzt wird.

(a) Aus der Unterordnung unter den leitenden Arzt und seinen ständigen Vertreter (leitender Oberarzt), der in die Entgeltgruppe IV eingruppiert ist, ergibt sich, dass die von einem Oberarzt wahrzunehmende Verantwortung keine Allein- oder Letztverantwortung sein kann. Auch hier entspricht die tarifliche Regelung der krankenhausinternen Organisations- und Verantwortungsstruktur. Die medizinische Letztverantwortung liegt idR beim leitenden Arzt (Chefarzt) und seinem ständigen Vertreter, deren Weisungen der Oberarzt bei seiner Tätigkeit regelmäßig unterliegt (Wahlers PersV 2008, 204, 206; Bruns Arzt-Recht 2007, 60, 65). Wie sich aus der Systematik von § 16 TV-Ärzte/VKA ergibt, kann dieser Umstand einer Eingruppierung als Oberarzt nicht entgegenstehen. Oberärzte haben insofern eine demgegenüber beschränkte ärztliche Führungsverantwortung und weitgehend selbstständige Handlungsverantwortung (Genzel in Laufs/Uhlenbruck Handbuch des Arztrechts 3. Aufl. § 90 Rn. 32).

(b) Auf der anderen Seite muss sich die Reichweite der Verantwortung aus derjenigen, die den Ärzten der unteren Entgeltgruppen I und II TV-Ärzte/VKA übertragen worden ist, deutlich herausheben. Dem Oberarzt muss neben dem nichtärztlichen auch ärztliches Personal unterstellt sein. Nicht ausreichend ist dabei die Führungs- und Weisungsbefugnis gegenüber Assistenzärzten und Ärzten in der Weiterbildung. Die einem Oberarzt übertragene Verantwortung muss sich nach den Tätigkeitsmerkmalen der Entgeltgruppen II und III auch von der eines Facharztes qualitativ unterscheiden. Bezugspunkt dieser gesteigerten Verantwortung ist die mit der Übertragung verbundene organisatorische Kompetenz, die sich in einer gesteigerten Aufsichts- und Weisungsbefugnis niederschlägt. Ein in die Entgeltgruppe II eingruppierter Facharzt übt seine Aufsichtsund Weisungsbefugnis gegenüber den in seinem Bereich tätigen Assistenzärzten und Ärzten in der Weiterbildung aus. Eine Steigerung des quantitativen und qualitativen Maßes dieser Verantwortung ist nur dann gegeben, wenn sich die Verantwortung des Oberarztes nicht nur auf die Assistenzärzte, sondern auch auf mindestens einen Facharzt bezieht (Wahlers PersV 2008, 204, 206). Diese tarifliche Wertigkeit der Stellung und Tätigkeit eines Oberarztes findet in dem nicht unerheblichen Vergütungsabstand der Entgeltgruppe III zu der Entgeltgruppe II TV-Ärzte/VKA ihren Ausdruck. Die Tarifvertragsparteien haben mit der monatlichen Differenz von 1.200,00 Euro im Tarifgebiet West und von 1.146,00 Euro für den ersten Tarifzeitraum im Tarifgebiet Ost deutlich gemacht, dass es sich bei dem für die Eingruppierung zentralen Merkmal der übertragenen medizinischen Verantwortung um eine gewichtige Höherbewertung der Verantwortung des Oberarztes nach Entgeltgruppe III gegenüber der Verantwortung des Facharztes nach Entgeltgruppe II handelt.

(3) Die Verantwortung für den jeweiligen Teil-/Funktionsbereich muss darüber hinaus aber auch ungeteilt bestehen. Sie betrifft nicht lediglich einzelne zu erfüllende Aufgaben oder Aufgabenbereiche. Vielmehr geht es um eine auf einen arbeitsteilig organisierten Bereich bezogene Leitungs- und Verantwortungsstruktur. Die medizinische Verantwortung für einen Teilbereich im Tarifsinne kann daher nicht bei mehreren Ärzten liegen, ohne dass es hier auf eine Unterscheidung von Teil- oder Funktionsbereichen der Klinik oder der Abteilung ankommt. Das ergibt sich aus dem von den Tarifvertragsparteien gewählten bestimmten Artikel "die", mit dem eine einheitliche Verantwortung bezeichnet ist, die innerhalb des zugewiesenen Bereichs einheitlich und allein wahrzunehmen ist. Eine geteilte medizinische Verantwortung innerhalb der organisatorischen Einheit ist regelmäßig nicht ausreichend für eine Eingruppierung nach der Entgeltgruppe III TV-Ärzte/VKA. Etwas anderes mag in Betracht kommen, wenn es um eine echte Arbeitsplatzteilung (Jobsharing) geht. Eine solche liegt jedoch nicht vor, wenn in einer organisatorischen Einheit mehrere Titular- oder Funktionsoberärzte tätig sind, die nur teil- oder zeitweise, etwa bei den Hintergrunddiensten, jeweils allein verantwortlich sind.

Daraus, dass die Tarifvertragsparteien mit der Protokollerklärung zur Entgeltgruppe IV TV-Ärzte/VKA, wonach dieses Tätigkeitsmerkmal eines ständigen Vertreter des Chefarztes innerhalb einer Klinik in der Regel nur von einem Arzt erfüllt werden kann, ist nicht zu folgern, eine entsprechende Bestimmung für den Oberarzt nach der Entgeltgruppe III TV-Ärzte/VKA habe in Bezug auf den Teilbereich einer Klinik oder Abteilung damit ausgeschlossen werden sollen. In der Protokollerklärung zur Entgeltgruppe IV wird der dort verwendete Begriff der ständigen Vertretung erläutert und sodann aus dieser Erläuterung gefolgert, dass in der Regel nur jeweils ein Arzt für eine Klinik ständiger Vertreter sein könne. Das schließt nicht aus, dass eine sinngemäß ähnliche Folgerung für die Oberärzte nach Entgeltgruppe III TV-Ärzte/VKA für den Teilbereich einer Klinik oder Abteilung im Wege der Tarifauslegung aus dem Wortlaut der dort von den Tarifvertragsparteien bestimmten Entgeltgruppenbezeichnung entnommen wird. Die sich aus der konkreten Formulierung des Tätigkeitsmerkmals der Entgeltgruppe IV TV-Ärzte/VKA ergebende Unklarheit, der die Tarifvertragsparteien mit der Protokollerklärung abhelfen wollten, ist in der Bezeichnung der Entgeltgruppe III TV-Ärzte/VKA nach dem oben Dargelegten nicht gegeben.

c) Danach scheitert die vom Kläger angestrebte Eingruppierung bereits daran, dass dem Kläger innerhalb der P.I.A. als möglichem Teil- oder Funktionsbereich im Tarifsinne keine Fachärzte unterstellt sind.

d) Die Verfahrensrüge des Klägers ist unzulässig. Er macht geltend, ihm hätte gem. § 139 ZPO Gelegenheit gegeben werden müssen, darauf hinzuweisen, dass entgegen der "überraschenden Auffassung" des Landesarbeitsgerichts ein Erfordernis der Unterstellung eines Facharztes zur Eingruppierung als Oberarzt nicht im Einklang mit dem anzuwendenden Recht stehe. Die Verfahrensrüge ist unzulässig, weil der Kläger nicht dargelegt hat, was er auf einen solchen Hinweis im Einzelnen vorgetragen hätte (BAG 19. Januar 2006 - 6 AZR 600/04 - BAGE 117, 14 , 19 mwN). Im Übrigen könnte angesichts der unstreitigen Tatsache, dass dem Kläger kein Facharzt unterstellt ist, aus weiterem Vortrag des Klägers zu diesem Punkt keine andere Entscheidung folgen.

III. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Hinweise des Senats:

zur Eingruppierung von Oberärztinnen und Oberärzten vgl. auch Senat 9. Dezember 2009 - 4 AZR 495/08 -, - 4 AZR 568/08 -, - 4 AZR 630/08 -, - 4 AZR 687/08 -, - 4 AZR 827/08 - und - 4 AZR 841/08 -

Vorinstanz: LAG Rheinland-Pfalz, vom 26.08.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 3 Sa 768/07
Vorinstanz: ArbG Ludwigshafen, vom 25.10.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 1 Ca 1554/07
Fundstellen
AP TVG § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 5
DB 2010, 1300