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BGH - Entscheidung vom 27.08.2008

VI ZR 78/07

Normen:
EGZPO § 26 Nr. 8
ZPO § 3

Fundstellen:
VersR 2009, 279

BGH, Beschluß vom 27.08.2008 - Aktenzeichen VI ZR 78/07

DRsp Nr. 2008/17636

Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde mangels Überschreitens des Beschwerdewerts

Ist der Wert der Beschwer im Berufungsverfahren nach dem Vortrag der Parteien auf nicht mehr als 20.000 Euro festzusetzen, so rechtfertigt die Stellung wesentlich höherer Forderungen nach Erlass des Berufungsurteils nicht die Anhebung der Beschwer.

Normenkette:

EGZPO § 26 Nr. 8 ; ZPO § 3 ;

Gründe:

I. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 1. September 2005 den Streitwert der Klage auf 20.000 EUR (15.000 EUR Schmerzensgeldforderung und 5.000 EUR Feststellungsantrag) festgesetzt. Es folgte dabei den Angaben des Klägers in der Klageschrift. Die Klage blieb in erster Instanz erfolglos. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht das Urteil abgeändert, dem Kläger 9.000 EUR Schmerzensgeld zugesprochen und festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet sei, alle dem Kläger zukünftig noch entstehenden immateriellen Schäden, soweit diese vom Klageantrag zu 1 nicht erfasst und noch nicht vorhersehbar sind, sowie alle zukünftig noch entstehenden materiellen Schäden aus der Behandlung im Jahr 2000 zu ersetzen, soweit die materiellen Ansprüche nicht auf Träger der Sozialversicherung oder Sozialhilfe übergegangen sind oder übergehen werden. Im Übrigen hat es die Klageabweisung aufrechterhalten. Eine Änderung des Streitwerts erfolgte in zweiter Instanz nicht. Das Berufungsgericht hat die Revision gegen das Berufungsurteil nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Beklagte mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Er beantragt, den Wert der Beschwer auf mindestens 230.954,80 EUR festzusetzen und begründet dies damit, dass der Kläger bei Vergleichsverhandlungen nach Erlass des Berufungsurteils seinen materiellen Schaden für den Zeitraum von 2000 bis 2007 auf insgesamt 214.318,80 EUR beziffert habe und seinen künftigen materiellen Schaden mit 340.568,20 EUR berechne. Auf der Grundlage des Berufungsurteils ergebe sich unter Berücksichtigung einer Haftungsquote von 50 % deshalb ein Schadensbetrag in Höhe von 277.443,50 EUR, weshalb unter Beachtung eines Abschlages für die positive Feststellung der Ersatzpflicht von 20 % und unter Berücksichtigung der bereits zuerkannten 9.000 EUR Schmerzensgeld eine Beschwer für den Beklagten von 230.954,80 EUR gegeben sei.

II. Das Vorbringen des Beklagten rechtfertigt keine Heraufsetzung des Wertes der Beschwer.

Maßgebend für die Bewertung der Beschwer der Nichtzulassungsbeschwerde ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht (Senatsbeschlüsse vom 8. Februar 2000 - VI ZR 283/99 - VersR 2000, 869 und vom 10. Juni 2008 - VI ZR 316/07 - juris; BGH, Urteil vom 6. Oktober 1977 - II ZR 4/77 - MDR 1978, 210; Beschlüsse vom 25. April 1989 - XI ZR 18/89 - NJW 1989, 2755 ; vom 31. Januar 2001 - XII ZB 121/00 - NJW 2001, 1652 und vom 3. Mai 2001 - III ZR 9/01 - juris). Es besteht kein Unterschied zur Bewertung der Beschwer für die bis zur ZPO -Reform 2002 gegebene Annahmerevision. Neue Tatsachen können für die Wertbemessung nur soweit von Bedeutung sein, als sie bereits zu diesem Zeitpunkt relevant sind. Beim Feststellungsbegehren mit einer Schadensersatzklage ist das das Schadensbild, das der Kläger dem Tatsachengericht als Grundlage der festzustellenden Ersatzansprüche und damit der Ermessensausübung bei der Festsetzung der Beschwer gemäß den §§ 2 und 3 ZPO unterbreitet. Außer Betracht zu bleiben haben hingegen solche neuen Tatsachen, die erst nach Erlass des Berufungsurteils zu einer Wertveränderung führen (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Februar 2000 - VI ZR 283/99 - NJW 2000, 1343 ). In Fällen, in denen das Berufungsgericht bei der Festsetzung der Beschwer einen weiten Beurteilungsspielraum hat, beschränkt sich außerdem die Überprüfung auf die Frage, ob das Berufungsgericht von dem ihm eingeräumten Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht hat. Diese Beschränkung begrenzt auch die Möglichkeit des Revisionsgerichts, Tatsachen zu berücksichtigen, die erstmals nach Abschluss der Berufungsinstanz geltend gemacht werden (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Januar 2001 - XII ZB 121/00 - NJW 2001, 1652 ). Vorliegend sind die Parteien in der Berufungsinstanz davon ausgegangen, dass die Bewertung der Beschwer durch die mit der Berufung weiterverfolgten Klageanträge mit insgesamt 20.000 EUR an sich nicht zu beanstanden ist. Dafür spricht auch, dass das Berufungsgericht am 24. November 2006 eine vergleichsweise Beilegung des Rechtsstreits durch Zahlung von 10.000 EUR zur Abgeltung sämtlicher Ansprüche vorgeschlagen hat. Auch wenn nach Erlass des Berufungsurteils wesentlich höhere Forderungen durch den Kläger gestellt worden sind, rechtfertigt dies nicht die Anhebung der Beschwer, handelt es sich doch hierbei um eine als bloße Möglichkeit in den Raum gestellte Anspruchshöhe, für deren Berechtigung tatsächliche Anhaltspunkte fehlen. Der behauptete Schadensumfang, der im Übrigen nicht glaubhaft gemacht ist, hat in dem Vortrag der Parteien in den Tatsacheninstanzen keinen Niederschlag gefunden und war deshalb auch nicht bewertungsfähiger Gegenstand des Feststellungsbegehrens. Das hat zur Folge, dass die nunmehrige Bezifferung des Schadens durch den Kläger bei der Bewertung der Beschwer des Beklagten nicht berücksichtigt werden kann.

Vorinstanz: OLG Hamburg, vom 02.02.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 1 U 166/05
Vorinstanz: LG Hamburg, vom 22.09.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 323 O 333/03
Fundstellen
VersR 2009, 279