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BGH - Entscheidung vom 01.10.2008

XII ZB 110/08

Normen:
ZPO § 233 § 517

Fundstellen:
FuR 2009, 115

BGH, Beschluß vom 01.10.2008 - Aktenzeichen XII ZB 110/08

DRsp Nr. 2008/19682

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist

Den Rechtsmittelführer trifft ein Verschulden an der Versäumung der Berufungsfrist, wenn er sowohl vom erstinstanzlichen wie auch vom Berufungsgericht innerhalb laufender Berufungsfrist darauf hingewiesen worden ist, dass er die Berufung nur durch einen Rechtsanwalt einlegen könne. Er kann sich demgegenüber nicht darauf berufen, hieraus geschlossen zu haben, erst für die weitere Durchführung der Berufung einen Rechtsanwalt zu benötigen.

Normenkette:

ZPO § 233 § 517 ;

Gründe:

I. Durch Verbundurteil vom 5. März 2008 hat das Amtsgericht - Familiengericht - die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt. Gegen das dem Antragsgegner am 22. März 2008 zugestellte Urteil hat dieser mit Telefax vom 22. März 2008, eingegangen beim Amtsgericht am 25. März 2008, persönlich "Widerspruch" eingelegt. Mit einem am 4. April 2008 an den Antragsgegner abgesandten Schreiben wurde dieser durch den Familienrichter darauf hingewiesen, dass im Rahmen der Berufung "Anwaltszwang" bestehe, die derzeitige Berufung unzulässig sei und im Rahmen der Berufung kein Schriftverkehr mit dem erstinstanzlichen Amtsgericht erfolgen sollte.

Der "Widerspruch" des Antragsgegners ging nach Weiterleitung durch das Familiengericht am 9. April 2008 beim Oberlandesgericht ein. Der Vorsitzende des Familiensenats teilte dem Antragsgegner mit Schreiben vom 15. April 2008, zugestellt am 18. April 2008, mit:

"... Sie werden darauf hingewiesen, dass vor dem Oberlandesgericht ... in Ihrer Angelegenheit Anwaltszwang herrscht, wenn Sie gegen das Endurteil vom 5. März 2008 Berufung einlegen wollen. Im Übrigen beträgt die Frist zur Einlegung des Rechtsmittels einen Monat nach Zustellung des Urteils".

Im Folgenden wurde der Eingang des "Widerspruchs" aktenmäßig als Berufung behandelt, die Akten des Vorgerichts angefordert, der Antragstellerin eine Frist zur Stellungnahme gesetzt und der Antragsgegner hiervon unterrichtet.

Mit Schriftsatz vom 7. Mai 2008, eingegangen am selben Tag, legte der Antragsgegner vertreten durch einen Anwalt gegen das Urteil Berufung ein und beantragte gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, er habe die Schreiben nicht so verstanden, dass schon die Einlegung und Begründung der Berufung unzulässig seien, sondern dass erst im weiteren Verlauf des Verfahrens eine anwaltliche Vertretung benötigt werde. In dieser Annahme sei er dadurch bestätigt worden, dass der Sache ein Aktenzeichen zugeteilt und die Gegenseite zur Stellungnahme aufgefordert worden sei.

Das Oberlandesgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen und die Berufung verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners.

II. Die gemäß §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil der von der Rechtsbeschwerde allein geltend gemachte Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht vorliegt (§ 574 Abs. 2 ZPO ).

1. Das Oberlandesgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen, weil die Versäumung der Berufungsfrist auf einem Verschulden des Antragsgegners beruhe. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Antragsgegner könne sich als Diplom-Ingenieur und Architekt, also als jemand, der im Rahmen der Durchführung von Bauvorhaben Schriftverkehr mit Behörden, Bauwilligen sowie Bauunternehmern gewohnt sei, nicht darauf berufen, er habe die Hinweise sowohl des Familiengerichts als auch des Oberlandesgerichts nicht richtig deuten können. Vielmehr sei hieraus für ihn ohne weiteres erkennbar gewesen, dass beide Instanzen davon ausgegangen seien, bis dahin sei noch keine ordnungsgemäße Berufung eingelegt worden. Aus dem weiteren Hinweis des Oberlandesgerichts, dass die Frist zur Einlegung des Rechtsmittels einen Monat nach Urteilszustellung betrage, habe er unschwer erkennen können, dass die Berufungsfrist noch nicht abgelaufen sei und er mit anwaltlicher Hilfe noch fristgerecht habe Berufung einlegen können. Er könne sich jedenfalls nicht darauf berufen, er sei aufgrund der aktenmäßigen Behandlung seines Schreibens davon ausgegangen, bereits in zulässiger Weise Berufung eingelegt zu haben.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

2. Zutreffend ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass die am 22. April 2008 abgelaufene Berufungsfrist nicht gewahrt ist. Dem Antragsgegner ist die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch zu Recht versagt worden, weil nach seinem Vortrag ein ihm anzulastendes Verschulden nicht ausgeräumt ist.

a) Der Antragsgegner räumt selbst ein, vom Familiengericht zutreffend darüber belehrt worden zu sein, dass sein "Widerspruch" keine zulässige Berufung darstellte. Mit dem Einwand, die Mitteilungen, die ihm vom Berufungsgericht übersandt worden seien, seien indessen geeignet gewesen, ihn zu der Annahme zu veranlassen, er habe doch wirksam Berufung eingelegt, vermag die Rechtsbeschwerde nicht durchzudringen. Ein Fall so genannter überholender Kausalität, bei dem ein früheres Verschulden einer Partei die Wiedereinsetzung dann nicht ausschließt, wenn die rechtliche Erheblichkeit des Verschuldens durch ein späteres, der Partei nicht zuzurechnendes Ereignis entfällt, liegt nicht vor (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 18. Juli 2007 - XII ZB 32/07 - FamRZ 2007, 1722 , 1723). Die Hinweise, die der Vorsitzende des Oberlandesgerichts dem Antragsgegner erteilt hatte, konnte und durfte dieser nicht dahin verstehen, er habe entgegen der Mitteilung des Familiengerichts doch bereits zulässige Berufung eingelegt. Schon bei normalem Sprachverständnis musste sich für den Empfänger des Schreibens erschließen, dass eine ordnungsgemäße Berufungsschrift bis dahin nicht eingegangen war. Das ergibt sich zum einen aus der Formulierung "wenn Sie gegen das Endurteil ... Berufung einlegen wollen" und zum anderen aus dem Hinweis auf Beginn und Ende der Berufungsfrist, der andernfalls sinnlos gewesen wäre. Die Mitteilung über die aktenmäßige Behandlung der Sache war nicht geeignet, einen anderen Eindruck zu vermitteln. Dass auch ein unzulässiges Rechtsmittel bearbeitet, demgemäß registriert, der Gegenseite zur Stellungnahme zugeleitet und der Rechtsmittelführer davon unterrichtet wird, liegt auf der Hand. Selbst wenn dem Antragsgegner sich dies nicht erschlossen haben sollte, durfte er allein hieraus aber nicht folgern, dass die ihm erteilten weiteren Hinweise deshalb nicht zutreffen würden. Wenn dann noch Zweifel verblieben wären, hätte der Antragsgegner rechtskundigen Rat einholen müssen.

b) Soweit die Rechtsbeschwerde auf das Gebot der fairen Verfahrensgestaltung und die daraus resultierende Pflicht zur richterlichen Fürsorge hinweist (vgl. hierzu BVerfGE 93, 99 , 114 f.), vermag sie auch damit nicht durchzudringen. Das Familiengericht ist seiner nachwirkenden Fürsorgepflicht nachgekommen, indem es den Antragsgegner darauf hingewiesen hat, dass sein per Telefax am 25. März 2008 eingegangenes Rechtsmittel unzulässig ist und die Akten an das Oberlandesgericht weitergeleitet hat, so dass sie dort am 9. April 2008 eingingen. Auch das Oberlandesgericht hat sich der Fürsorgepflicht entsprechend verhalten. Aufgrund der ihm zugegangenen Hinweise hätte der Antragsgegner noch rechtzeitig zulässige Berufung einlegen können.

Vorinstanz: OLG Bamberg, vom 19.05.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 7 UF 84/08
Vorinstanz: AG Bad Kissingen, vom 05.03.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 1 F 401/07
Fundstellen
FuR 2009, 115