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BGH - Entscheidung vom 15.09.2008

AnwZ (B) 46/07

Normen:
BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7

BGH, Beschluß vom 15.09.2008 - Aktenzeichen AnwZ (B) 46/07

DRsp Nr. 2008/18731

Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfall

1. Von Vermögensverfall eines Rechtsanwalts ist auszugehen, wenn zum Zeitpunkt des Erlasses der Widerrufsverfügung 11 Gläubiger Zwangsvollstreckungen gegen den Rechtsanwalt betrieben wegen Forderungen in einer Gesamthöhe von mehr als 10.000 Euro.2. Haben die Gläubiger Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse für Geschäftskonten des Rechtsanwalts erwirkt, so besteht in der Regel eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden, da dem Rechtsanwalt die Verfügungsbefugnis über auf diesen Konten eingehende Fremdgelder entzogen wird.3. Von einer Konsolidierung der Vermögesverhältnisse kann nicht ausgegangen werden, wenn nach Erlass des Widerrufsbescheides weitere Zwangsvollstreckungsmaßnahmen von vorher nicht bekannten Gläubigern eingeleitet werden.

Normenkette:

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7 ;

Gründe:

I. Der Antragsteller ist erstmals 1995 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen worden. Nach zwischenzeitlichem Verzicht wurde er im Jahr 2000 erneut zugelassen. Die Antragsgegnerin widerrief mit Bescheid vom 13. Juli 2006 die Zulassung des Antragstellers gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wegen Vermögensverfalls.

Der Anwaltsgerichtshof hat den hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Gegen die Zurückweisung des Antrags wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde.

II. Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 2 , Abs. 4 BRAO ), hat in der Sache aber keinen Erfolg. Die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft ist zu Recht widerrufen worden.

1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Diese Voraussetzungen für den Widerruf waren bei Erlass der angegriffenen Verfügung erfüllt.

a) Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen für einen Vermögensverfall sind die Erwirkung von Schuldtiteln und fruchtlose Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Rechtsanwalt (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschl. vom 25. März 1991 - AnwZ (B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; Beschl. vom 21. November 1994 - AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126; Beschl. v. 26. November 2002 - AnwZ (B) 18/01, NJW 2003, 577 ). Zum Zeitpunkt des Erlasses der Widerrufsverfügung betrieben elf Gläubiger (Nrn. 3, 5 bis 12, 14 und 15 der Prozessheftübersicht der Antragsgegnerin) Zwangsvollstreckungen gegen den Antragsteller wegen Forderungen in einer Gesamthöhe von über 10.000 EUR.

b) Anhaltspunkte dafür, dass ungeachtet des Vermögensverfalls die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet waren, lagen bei Erlass der Widerrufsverfügung nicht vor. Der Vermögensverfall führt regelmäßig zu einer derartigen Gefährdung, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Mandantengeldern. Die S. KG (Nr. 10 der Prozessheftübersicht der Antragsgegnerin) hatte am 12. Juni 2006 und der Gläubiger St. K. (Nr. 15 der Prozessheftübersicht der Antragsgegnerin) hatte am 12. Juli 2006 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss für das Geschäftskonto des Antragstellers erwirkt, so dass konkret eine Gefährdung von auf diesem Konto eingehenden Fremdgeldern bestand.

2. Ein nachträglicher Wegfall des Widerrufsgrundes, der im gerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen wäre (BGHZ 75, 356; 84, 149), liegt nicht vor.

a) Eine Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse hat der Antragsteller nicht dargetan. Zwar hat er einzelne Forderungen ganz oder teilweise erfüllt. Die zum Zeitpunkt des Widerrufs noch offenen Beträge hat er jedoch auch später nicht beglichen. Außerdem sind nach Erlass des Widerrufsbescheides weitere Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, auch von vorher nicht bekannten Gläubigern, gegen ihn eingeleitet worden. Am 18. September 2006 hat er die eidesstattliche Versicherung abgegeben, so dass zwischenzeitlich auch der Vermutungstatbestand des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO gegeben ist. Zwar hat der Antragsteller nunmehr sein Hausgrundstück in H., B. weg 2, verkauft; aus dem Kaufpreis sind die Forderungen der dinglich gesicherten Gläubiger beglichen worden. Der restliche Kaufpreis steht laut notariellem Kaufvertrag seiner Mutter zu; diese hat ihm zwecks Tilgung seiner Schulden ausweislich des vom Antragsteller vorgelegten Darlehensvertrages ein Darlehen in Höhe von 35.000 EUR gewährt. Dennoch hat der Antragsteller hinsichtlich der sonstigen offenen Forderungen, die sich auf über 40.000 EUR, zum Teil zuzüglich Zinsen und Kosten summieren, innerhalb der ihm im Senatstermin vom 21. April 2008 gesetzten Frist keinerlei Zahlung nachgewiesen.

b) Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall nicht (mehr) gefährdet sind. Wie der Bestimmung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu entnehmen ist, geht der Gesetzgeber grundsätzlich von einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden aus, wenn sich der Rechtsanwalt in Vermögensverfall befindet; dies ist auch in aller Regel der Fall, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern. Diese Gefahr hat sich auch bereits verwirklicht, wie die beiden gegen den Antragsteller ergangenen Strafbefehle vom 4. Januar 2007 und vom 3. Juli 2007 wegen Untreue an Mandantengeldern (siehe Nrn. 14 und 22 der Prozessheftübersicht der Antragsgegnerin) belegen. Dem Strafbefehl vom 3. Juli 2007 liegen Untreuehandlungen gegenüber zwei Mandanten mit Schadensbeträgen von jeweils über 10.000 EUR zugrunde.

Vorinstanz: AnwGH Nordrhein-Westfalen, vom 15.12.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 1 ZU 92/06